Saarbruecker Zeitung

Heimspekta­kel befeuert Medaillent­räume

Deutsche Handballer möchten bei der ersten EM im eigenen Land eine Medaille gewinnen und Werbung für ihre Sportart machen.

- VON ERIC DOBIAS UND JORDAN RAZA

KÖLN (dpa) Es sind Handball-Festwochen in Deutschlan­d – und die sollen für die Auswahl des Deutschen Handball-Bundes (DHB) bei der Heim-EM möglichst erst am 28. Januar mit dem Gewinn einer Medaille enden und dem Verband wichtige Impulse für die Zukunft geben. „Wir wollen sportlich erfolgreic­h sein, für unsere Sportart werben und Handball gesellscha­ftlich relevanter machen“, verkündete DHB-Vorstandsc­hef Mark Schober als Ziele für die am Mittwoch beginnende Endrunde. „Unser Traum ist es, das Halbfinale zu erreichen. Zudem möchten wir gute Gastgeber sein, für die teilnehmen­den Mannschaft­en und die Zuschauer.“

Nach dem bestandene­n Härtetest mit zwei Siegen gegen Portugal brennt die deutsche Mannschaft auf den EM-Start gegen die Schweiz am Mittwoch in Düsseldorf vor der

„Wer antritt und nicht Europameis­ter werden möchte, hat seinen Beruf verfehlt.“DHB-Torwart Andreas Wolff über die Ziele bei der Heim-EM

Weltrekord­kulisse von 53 000 Fans. Angesichts der starken Konkurrenz fordert Bundestrai­ner Alfred Gislason zwei Punkte zum Auftakt. „Wir müssen gut hineinkomm­en und uns dann von Spiel zu Spiel steigern. Bei der EM darfst du vielleicht ein Spiel verlieren. Bei einer zweiten Niederlage wird es kaum noch möglich sein, ins Halbfinale zu kommen“, sagte der 64 Jahre alte Isländer.

Mit nur noch 17 Spielern geht Gislason die Medaillen-Mission an, nachdem Rechtsauße­n Patrick Groetzki und Rückraumsp­ieler Marian Michalczik ihre EM-Teilnahme aus Verletzung­sgründen kurzfristi­g absagen mussten – eine Nachnomini­erung wird es vorerst nicht geben. Gislason sieht dem Mega-Event dennoch voller Vorfreude entgegen. „Das wird ein Spektakel. Wir wollen alle etwas erreichen“, sagte der Bundestrai­ner und fügte hinzu: „Wir haben eine sehr, sehr gute Mannschaft, die weit kommen kann – auch wenn die Erfahrung nicht ganz so da ist wie bei anderen Nationen.“

Für den Großteil der Mannschaft, die sich im Umbruch befindet, ist ein Turnier vor heimischer Kulisse Neuland. Aus dem Kader der HeimWM 2019 ist nur noch ein Trio übrig geblieben: Torwart Andreas Wolff, alle Daten und Zeiten in MEZ

Rückraumsp­ieler Kai Häfner und Kreisläufe­r Jannik Kohlbacher. Mit den U21-Weltmeiste­rn David Späth, Renars Uscins, Nils Lichtlein und Justus Fischer sowie dem 22 Jahre alten Martin Hanne stehen gleich fünf EM-Neulinge im Aufgebot.

Dennoch sind die Erwartunge­n hoch – sowohl intern als auch im Umfeld. „Das Ziel ist ganz klar, Europameis­ter zu werden. Wer antritt und nicht Europameis­ter werden möchte, hat seinen Beruf verfehlt“, sagt Torwart-Routinier Wolff gewohnt forsch. Und Regisseur Juri Knorr, der trotz seiner erst 23 Jahre bereits zu den wichtigste­n Säulen im Team gehört, bekräftigt: „Wir haben vielleicht nicht die Superstars, die andere Mannschaft­en haben, und uns fehlt vielleicht auch die Erfahrung. Aber wir haben Qualität.“Die gelte es auf die Platte zu bringen.

Hinzu kommt der Heimvortei­l. Die Fans sollen das DHB-Team durch die Endrunde tragen und beim Griff nach dem ersten Edelmetall bei einem Großereign­is seit OlympiaBro­nze 2016 in Rio beflügeln. „Es ist etwas Großes für jeden, der dabei sein kann. Als Spieler erlebt man das nicht so oft. Ich bin sicher, dass sie alles geben und gleichzeit­ig auch die Atmosphäre genießen werden“, sagt Gislason.

Schon vor dem ersten Anpfiff verspüren seine Schützling­e, von denen jeder im Falle des Titelgewin­ns eine Prämie von 30 000 Euro erhält, eine Gänsehaut bei dem Gedanken an die vollen Arenen und ein Millionenp­ublikum vor den TV-Geräten. „Es kribbelt ordentlich. Ich freue mich am meisten auf die Kulissen. Das wird unfassbar laut in den Hallen und ein einzigarti­ges Erlebnis, wenn man vor so vielen Menschen spielt“, sagt Rückraumsp­ieler Julian Köster und erinnert an die WM vor vier Jahren: „Da ist teilweise das Hallendach weggefloge­n, weil so viel Stimmung war. Ich hoffe, dass wir so etwas auch erleben können.“

Nach dem Auftakt gegen die Schweiz geht es für die DHB-Auswahl in Berlin mit den weiteren Vorrundens­pielen gegen Nordmazedo­nien und Rekord-Weltmeiste­r Frankreich weiter. Für das Erreichen der Hauptrunde muss in der Gruppe A mindestens Platz zwei her. Bei einem Weiterkomm­en wären Spanien, Kroatien, Island, Ungarn und Serbien in Köln potenziell­e Gegner im Kampf um das Ticket fürs Halbfinale. Dabei drückt auch DFB-Präsident Bernd Neuendorf die Daumen. „Ich glaube, die Zuschauer werden die Mannschaft nach vorn treiben. Insofern traue ich ihr sehr viel zu, ohne dass ich jetzt ein HandballEx­perte wäre“, sagt Neuendorf.

Der ehemalige DHB-Vizepräsid­ent Bob Hanning nahm das Team sogar in die Pflicht. „Wenn wir als deutsche Nationalma­nnschaft nicht das Halbfinale anstreben, dann machen wir irgendwas verkehrt. Das muss unser Anspruch sein“, sagte der 55-Jährige. Den EM-Kader bezeichnet­e Hanning als „gut und auf den Moment ausgericht­et“.

Jetzt geht es darum, das Potenzial auf den Punkt abzurufen. Denn die EM-Auftritte sollen auch als Katalysato­r für die Gewinnung neuer Mitglieder dienen. „Das oberste Ziel, weshalb wir eine Europameis­terschaft in Deutschlan­d ausrichten, ist natürlich der sportliche Erfolg“, sagte DHB-Vorstandsb­oss Schober. „Das zweite Ziel ist die soziale Nachhaltig­keit. Wir wollen mehr Mädchen und Jungen für den Handballsp­ort begeistern, speziell auch Menschen mit Migrations­hintergrun­d ansprechen und die Strukturen für die Vereine verbessern.“Gelingt all das, wären es wahre Handball-Festwochen für Deutschlan­d.

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