Saarbruecker Zeitung

Eiskalter Gislason lässt sich vom Druck nicht beeindruck­en

Der Isländer geht in sein viertes Turnier als Handball-Bundestrai­ner. Die Erwartungs­haltung in Deutschlan­d ist groß.

- Produktion dieser Seite: Mark Weishaupt Stefan Regel

DÜSSELDORF (sid) Druck vor dem Auftaktspi­el? Da kann Alfred Gislason nur müde lächeln. „In dem Moment, in dem das Spiel angepfiffe­n wird, hat das Spielfeld die gleiche Größe wie immer“, sagt der Bundestrai­ner trocken. Die mehr als 50 000 Zuschauer in der riesigen Fußball-Arena? „Mir ist diese Zahl völlig egal.“Das Drumherum, sagt Gislason, „schaltet man aus“.

Der Fokus auf das Wesentlich­e ist seit jeher eine der großen Stärken Gislasons. Seitdem der schlachten­erprobte Isländer das Bundestrai­ner-Amt im Frühjahr 2020 übernommen hat, hatte er immer wieder mit besonderen Bedingunge­n zu kämpfen. Ob mit den Auswirkung­en des Coronaviru­s, mit Absagen prominente­r Spieler oder mit Rückschläg­en durch Verletzung­en – gemeckert hat Gislason selten. Und doch ist dieses, sein fünftes Turnier beim DHB, ein ganz Spezielles. Auch für ihn persönlich. Nach den Plätzen zwölf, sechs (Olympia), sieben und fünf soll es mit dem Heimvortei­l im Rücken ein Stück nach oben gehen.

„Ich weiß, dass wir das Halbfinale möglichst erreichen müssen“, sagt Gislason in der sehenswert­en ARDDokumen­tation, die den Namen „Schicksals­tage des Bundestrai­ners“trägt. Die große Erwartungs­haltung im Land, endlich wieder in die Nähe des Treppchens zu gelangen, kann ihm nichts anhaben. „Ich liebe diesen Druck“, sagt der 64-Jährige. Man nimmt es ihm ab, dem Mann, der in seiner langen Trainerkar­riere schon fast alles erlebt hat.

Gislason bescheinig­t der Mannschaft kurz vor Beginn der HeimEM eine „riesige Perspektiv­e für die Zukunft“. Es sei ein sehr junges Team, das die nächsten Jahre so zusammenbl­eiben könne. Ein Engagement über sein Vertragsen­de im Sommer hinaus kann Gislason sich gut vorstellen – verweist aber auch auf den Stellenwer­t der EM. Man müsse „Erfolg haben, jetzt.“

Gislason freut sich auf das HeimTurnie­r in seiner Wahlheimat. 24 Jahre alt war er, als er 1983 erstmals als Spieler nach Deutschlan­d zu Tusem Essen gewechselt ist. Zur Legende wurde er dann als Trainer. Nach seiner ersten Station beim VfL Hameln führte er den SC Magdeburg zur Meistersch­aft und dem ersten deutschen Triumph in der Champions League, seine Erfolge mit dem THW Kiel machten ihn in der Branche einzigarti­g. „Ich bin extrem stolz, Nationaltr­ainer Deutschlan­ds zu sein“, sagt Gislason: „Gerade weil ich bald die Hälfte meines Lebens in Deutschlan­d verbracht habe.“Die Arbeit mit den jungen Spielern betrachtet er als „Geschenk“. Klar ist, dass Gislason in den nun auch als Blitzablei­ter für seine noch recht unerfahren­e Mannschaft fungiert. „Er muss Druck von unseren Schultern wegnehmen“, sagt Spielmache­r Juri Knorr. Doch mit Druck, das wird in diesen Tagen immer wieder deutlich, hat Gislason kein Problem.

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FOTO: IMAGO IMAGES Alfred Gislason ist einer der renommiert­esten Handballtr­ainer der Welt – und gibt sich vor der Heim-EM in Deutschlan­d betont cool.

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