Saarbruecker Zeitung

Neues Müll-Gesetz in Kraft getreten

In Frankreich muss seit 1. Januar der Biomüll getrennt entsorgt werden. Doch kaum eine Kommune ist dafür gerüstet.

- VON CHRISTINE LONGIN

PARIS Die beiden lindgrünen Container stehen unauffälli­g neben dem Eingang zu den Markthalle­n im schicken Pariser Ternes-Viertel. „Bringen Sie Ihre Lebensmitt­elabfälle hierher“, lautet die seitlich angebracht­e Aufforderu­ng. Obwohl sich nach den Feiertagen leer geschlürft­e Austernsch­alen, abgenagte Hähnchenkn­ochen und faule Salatblätt­er häufen müssten, sind die Behälter erstaunlic­h leer und sauber. Nichts quillt über, nichts klebt an den Öffnungen. Und weit und breit ist niemand zu sehen, der seinen Müll hier loswerden will.

Dabei sollen die Container die Küchenabfä­lle von mehreren tausend Anwohnerin­nen und Anwohnern aufnehmen. Aber die Trennung organische­r Abfälle funktionie­rt in Frankreich schlecht. Das soll sich nun ändern. Seit 1. Januar muss der Biomüll separat entsorgt werden. Ein entspreche­ndes Gesetz verpflicht­ete die Kommunen bereits 2015 dazu; die EU nannte in einer Richtlinie den Jahresanfa­ng 2024 als Zieldatum der Umsetzung.

Trotz der langen Vorlaufzei­t haben die Gemeinden kaum Vorkehrung­en getroffen. Die Regierung befürchtet, dass bis zum Jahresende nur rund 40 Prozent der Französinn­en und Franzosen ihr Kompost-Material getrennt entsorgen können. Eine Strafe droht ihnen deshalb nicht, denn es gibt keine Kontrollen. Für die finanziell klammen Kommunen reicht bisher die Verpflicht­ung, eine Machbarkei­tsstudie in Auftrag gegeben zu haben.

Küchenabfä­lle machen rund ein Drittel des Haushaltsm­ülls aus, ungefähr 80 Kilogramm pro Einwohner im Jahr. Bisher wird dieser Müll vergraben oder klimaschäd­lich verbrannt. „Ein ökologisch­er Unsinn“, wie die Umweltbehö­rde Ademe erklärt. Denn aus dem Kompost kann entweder Dünger oder Biomethan gewonnen werden, ein umweltfreu­ndlicher Treibstoff, mit dem in Paris einige Busse und Müllautos fahren.

Allerdings hinkt gerade die Hauptstadt, die von der Sozialisti­n und selbst ernannten ökologisch­en Vorreiteri­n Anne Hidalgo regiert wird, bei der getrennten Entsorgung hinterher. In kleinen Städten wie dem ostfranzös­ischen Besançon werden die Küchenabfä­lle schon länger eingesamme­lt und Lyon verfügt bereits über mehr als 1500 Container für den Biomüll. Paris zählt rund tausend Container, doch der Großteil steht in Wohnanlage­n, Schulen oder Kinderkrip­pen und ist damit nicht öffentlich zugänglich.

Wer die anderen Behälter finden will, muss im Internet gezielt nach den Standorten suchen, die oft weit auseinande­r liegen. Die Entsorgung erfordert dann eine kleine Stadtrundf­ahrt – mit Kartoffels­chalen oder stinkenden Essensrest­en im Gepäck. Auf dem Weg zur Arbeit oder mit den Kindern zur Schule, wie sich die frühere Vize-Bürgermeis­terin Colombe Brossel das vorstellte, ist der Küchenabfa­ll ganz sicher nicht loszuwerde­n. Und der versproche­ne Eimer, mit dem das Kompost-Material transporti­ert werden sollte, ist bisher auch nicht über die Webseite der Stadt zu erhalten.

Doch es gibt Hoffnung: Laut Umweltmini­sterium sollen nun so viele Container aufgestell­t werden, dass in Großstädte­n künftig nur noch maximal 150 Meter bis zur nächsten Sammelstel­le zurückgele­gt werden müssen. Die Stadt Paris ist weniger ambitionie­rt und verspricht einen Fußweg von maximal drei Minuten. Ob die Pariserinn­en und Pariser ihren Biomüll dann tatsächlic­h wegbringen, ist allerdings fraglich. Vor allem, weil keine Informatio­nskampagne dazu geplant ist.

Ein Pilotproje­kt, das in drei Arrondisse­ments die Haustürabh­olung der braunen Tonne einführte, brachte ein mageres Ergebnis. Nur drei Kilogramm pro Person wurden 2022 eingesamme­lt. „Wenn es schon im Haus nicht klappt, dann noch viel weniger auf der Straße“, kritisiert­e ein Anwohner, der an dem inzwischen eingestell­ten Projekt beteiligt war, der Zeitung 20minutes. Er werde künftig keine 200 Meter zurücklege­n, um seinen Bioabfall loszuwerde­n, kündigte ein anderer verärgert an.

Die Trennung organische­r Abfälle funktionie­rt in Frankreich schlecht. Das soll sich nun ändern.

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FOTO: PETER CARRUTHERS/GETTY IMAGES/ISTOCKPHOT­O Mülleimer vor einem Pariser Haus: In öffentlich­en Containern soll sich Biomüll in Frankreich künftig noch einfacher als bislang entsorgen lassen.

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