Widerstand gegen Ampel-Sparpaket wächst
Den Bundespräsidenten sorgt die zunehmend aggressive Stimmung bei Demonstrationen. Doch die Bauern machen weiter. Auch die Verschärfungen beim Bürgergeld lösen Widerstand aus.
Bundespräsident FrankWalter Steinmeier hat angesichts des zunehmend aggressiver werdenden Klimas bei Demonstrationen zur Gewaltfreiheit aufgerufen. „Demonstrationen, Proteste, sie gehören zur Demokratie. Und es ist auch legitim, Regierungen scharf zu kritisieren“, sagte Steinmeier am Dienstag beim Neujahrsempfang im Schloss Bellevue. „Die Grenze ist aber überschritten, wo zu Hass und Gewalt aufgerufen wird, wo gewählte Politikerinnen und Politiker beschimpft, verunglimpft, angegriffen werden, ihnen und ihren Angehörigen gar mit dem Tod gedroht wird.“
Die am Montag gestarteten bundesweiten Bauernproteste gegen Subventionskürzungen sollen an diesem Mittwoch wieder verstärkt werden. Mit erheblichen Verkehrsbeschränkungen ist wegen vieler Straßenblockaden und des gleichzeitigen Bahnstreiks zu rechnen. Trotz der Proteste ist die Bundesregierung nicht bereit, weitere Teile ihres Sparpakets für den Bundeshaushalt zurückzunehmen. Das Kabinett hatte das Paket am Montag bereits im Umlaufverfahren beschlossen. Am Donnerstag soll es dazu eine Expertenanhörung im Bundestag geben. Der Haushaltsausschuss des Parlaments soll den Etat am 18. Januar beschließen. Die Verabschiedungen in Bundestag und Bundesrat sind am 1. und 2. Februar geplant.
Nach dem Kabinettsbeschluss soll die Steuerbegünstigung für Landwirte beim Agrardiesel schrittweise abgeschafft werden. Die Regierung
begründet das auch mit dem Klimaschutz. Bisher können sich Betriebe die Energiesteuer für Diesel teilweise zurückerstatten lassen – mit einer Vergütung von 21,48 Cent pro Liter. Ursprünglich wollte die Koalition diese seit 1951 gewährte Hilfe sofort komplett streichen. Nun bekommen die Betriebe mehr Zeit zur Anpassung. In diesem Jahr wird der Entlastungssatz um 40 Prozent reduziert, 2025 und 2026 jeweils um weitere 30 Prozent. Für im Jahr 2026 verbrauchte Mengen soll es keine Subvention mehr geben. Die ursprünglich ebenfalls geplante Streichung der Kfz-Steuerbefreiung für Landwirte wurde zurückgenommen.
Das Sparpaket enthält Einschnitte auch für Flugreisende. Ab Mai soll eine höhere Ticketsteuer anfal
len (wir berichteten). Je nach Endziel der Reise soll sie um fast ein Fünftel auf 15,53 bis 70,83 Euro je Fluggast steigen. Die Ticketsteuer betrifft sämtliche Passagiere, die von deutschen Flughäfen abheben. Zahlen müssen die Aufschläge die Fluggesellschaften. Sie können diese aber an die Passagiere weitergeben.
Das Kabinett hat zudem eine Verschärfung beim Bürgergeld beschlossen. So sollen Jobcenter künftig Arbeitslosen das Bürgergeld für maximal zwei Monate komplett streichen können, wenn sie eine Arbeitsaufnahme nachhaltig verweigern. „Die Möglichkeit der Arbeitsaufnahme muss tatsächlich und unmittelbar bestehen und willentlich verweigert werden“, heißt es im Gesetzentwurf. Die Neuregelung soll Einsparungen von rund 170 Millionen Euro pro Jahr bringen.
In den Fraktionen von SPD und Grünen regt sich aber Widerstand gegen die Bürgergeld-Pläne. „Die SPD tut gut daran, wenn sie jetzt nicht durch die Hintertür die erreichten Fortschritte bei der Überwindung von Hartz IV für einen Vorschlag einreißen will, der wenig Geld spart und Arbeitslosen einen Stempel aufdrückt“, sagte der SPDAbgeordnete Sebastian Roloff der „Welt“. Darüber besteht bei SPDLinken aber keine Einigkeit. „Das Bürgergeld ist kein leistungsloses Grundeinkommen. Die Menschen, die jeden Tag hart arbeiten und Steuern und Sozialabgaben zahlen, hätten kein Verständnis dafür, dass Bürgergeld-Empfänger, die nicht arbeiten wollen, keine Konsequenzen fürchten müssen“, sagte etwa der SPD-Politiker Ralf Stegner unserer Redaktion. „Deshalb finde ich die Änderungen richtig und vertretbar“, sagte der Parteilinke.
Kritik gibt es allerdings auch bei den Grünen. „Das Bundesverfassungsgericht hat 2019 geurteilt, dass Sanktionen im Regelfall nur bis zu einer Höhe von 30 Prozent gerechtfertigt werden können“, sagte Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch unserer Redaktion. „Diese Sanktionshöhe gibt es schon jetzt im Bürgergeld. Darüber hinaus hat das Gericht entschieden, dass das Existenzminimum in Deutschland zu jeder Zeit gesichert sein muss“, sagte der Grünen-Politiker.
Aus Sicht der Chefin der Wirtschaftsweisen Monika Schnitzer sind Subventionskürzungen ohne den Widerstand von Betroffenengruppen de facto kaum möglich. „Subventionsabbau wird von vielen gefordert, aber niemand hebt freiwillig die Hand, um Kürzungen bei sich selbst anzubieten“, sagte Schnitzer. „Kürzungen wären leichter vermittelbar, wenn die Betroffenen nicht den Eindruck hätten, dass sie die einzigen sind, bei denen der Rotstift angesetzt wird“, sagte Schnitzer.