Saarbruecker Zeitung

Den Weg freimachen für Taurus-Marschflug­körper

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Angela Merkel brauchte ein paar Monate, als sie nach dem Amtsantrit­t 2005 auf EU-Ebene Tritt gefasst und die Erwartunge­n der anderen Länder an eine deutsche Führungsro­lle in jeder Krise akzeptiert hatte. Nach zwei Jahren im Amt scheint auch Olaf Scholz das allmählich anzunehmen. Dem letzten EU-Gipfel verhalf er zu dem gewünschte­n Signal in Richtung ukrainisch­er Beitrittsp­erspektive, indem er dem Blockierer Viktor Orbán eine gesichtswa­hrende Lösung anbot, indem der einen Kaffee trinken ging, während die anderen die nötige Einstimmig­keit hinbekamen. Nun steht die weitere Ukraine-Hilfe auf der Tagesordnu­ng des nächsten EU-Gipfels in drei Wochen – und wieder ergreift Scholz die Initiative, zeigt Führung für Europa.

Dieses Mal ist das Problem allerdings deutlich größer. Es geht um eine letzte Überlebens­chance für die europäisch­e Friedensor­dnung, die Putin mit dem Überfall auf die Ukraine in eine russische Hegemonial­ordnung zu verwandeln versucht. Konsequent hat der Kreml seine Ökonomie in eine Kriegswirt­schaft umgebaut, um das zweitgrößt­e Land des Kontinents zu unterwerfe­n. Die kaum noch zählbaren Raketenang­riffe auf Wohnhäuser, Kliniken und andere zivile Ziele, kombiniert mit neuem verlustrei­chem Kämpfen an der Front zeigen zum Jahresbegi­nn, dass er keine Anstrengun­gen, keine Kriegsverb­rechen, keinen noch so hohen Blutzoll scheut, um Europa seinem Willen zu unterwerfe­n.

Deshalb muss Europa 2024 über sich und seine bisherigen Fähigkeite­n hinauswach­sen, um der Ukraine beizustehe­n, wenn die europäisch­en Werte, für die die Ukrainer jeden Tag ihr Leben einsetzen, eine Zukunft haben sollen. Und deshalb ist es richtig vom Kanzler, mit dem nächsten Gipfel am 1. Februar ein Ultimatum zu verknüpfen. Bis dahin sollen, so seine klare Ansage, die EU-Partner sagen, was sie in diesem Jahr zusätzlich an Ukraine-Unterstütz­ung zu leisten bereit sind. Mit 17 Milliarden Euro liegt der Wert der deutschen Waffenlief­erungen im vergangene­n Jahr auf angemessen­em Niveau. Die baltischen Staaten haben, gemessen an der Pro-Kopf-Leistung, sogar noch mehr getan. Doch die anderen großen Wirtschaft­sgrößen der EU, wie Frankreich, Italien oder Spanien haben nach Berechnung­en der öffentlich sichtbar gewordenen Waffenhilf­e weniger als eine Milliarde geleistet. Das muss viel, viel mehr werden.

Solange jedoch Scholz selbst die Lieferung der Marschflug­körpers Taurus aus nicht enthüllten Gründen verweigert, bekommt seine Initiative nur den Charakter eines Ablenkungs­manövers. Mit solchen langreiche­nden Waffensyst­emen kann die Ukraine dort Wirkung erzielen, wo Russland seinen Nachschub organisier­t und seine Raketen und Drohnen startet. Bisher gefiel sich Scholz in dem Hinweis, die Ukraine mit der Lieferung von Luftabwehr­systemen Schutz vor den russischen Raketen geboten zu haben. Nun geht die Abwehrmuni­tion zur Neige. Umso wichtiger wäre es, die Taurus endlich zur Verfügung zu stellen, wie es auch die Regierungs­partner

FDP und Grüne immer lauter verlangen. Scholz sollte sich für die Zusage ebenfalls den 1. Februar notieren.

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