Viele Brausetabletten erhöhen Blutdruck
Forscher des saarländischen Universitätsklinikums haben große Mengen Natrium in Nahrungsergänzungs- und Arzneimitteln entdeckt. Jetzt warnen sie davor.
Verschiedenste Brausetabletten, die als Nahrungsergänzungsmittel und als frei verkäufliche Arzneimittel angeboten werden, enthalten oft hohe Mengen an Natrium. Dieses erhöht das Risiko für Bluthochdruck und HerzKreislauf-Erkrankungen. Das liegt unter anderem daran, dass Natrium Wasser „bindet“. Das führt dazu, dass sich das Flüssigkeitsvolumen in den Gefäßen erhöht, wodurch der Druck in den Gefäßen steigt. Vor allem Patienten mit Herzerkrankungen sollten daher bei der Einnahme solcher Brausetabletten vorsichtig sein. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Kardiologen des Universitätsklinikums des Saarlandes (UKS).
Ein Forscherteam der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin am UKS hat in einer aufwendigen Studie den Natriumgehalt in verschiedene Brausetabletten ermittelt. „Wir haben zum Beispiel Vitamin-, Magnesium-, Calcium- und Mineraltabletten untersucht, zudem Kopfwehund Schmerzmittel“, berichtet Dr. Michael Kunz, der Hauptautor der Studie. Die Forscher des Universitätsklinikums bestimmten den Natriumgehalt von 39 Brausetabletten aus deutschen Drogerien, Supermärkten und Discountern. Zudem analysierten sie 33 frei verkäufliche, apothekenpflichtige Schmerzmittel sowie Husten- und Erkältungsmedikamente, die als Brausetabletten erhältlich sind.
Damit sich Brausetabletten im Wasserglas gut und vollständig auflösen, enthalten sie oft erhebliche Mengen Natrium. Das Natrium ist notwendig für die chemische Reaktion, die das Auflösen ermöglicht. Je schlechter ein Wirkstoff wasserlöslich ist, desto mehr Natrium muss der Brausetablette hinzugefügt werden. „In einer einzelnen Vitamintablette stecken durchschnittlich 380 Milligramm Natrium. Das deckt bereits rund
20 Prozent des Tagesbedarfs“, sagt Prof. Dr. Felix Mahfoud, leitender Oberarzt der Klinik für Kardiologie des UKS. Auch Arzneimittel-Brausetabletten enthalten eine große Menge Natrium. „Insbesondere in Schmerz- und Erkältungsmedikamenten sind es durchschnittlich 450 Milligramm Natrium pro Brausetablette. Bei einem untersuchten
Schmerzmittel entspricht die Einnahme der maximalen Tagesdosis von acht Tabletten fast der doppelten Höchstmenge an Natrium, die die Weltgesundheitsorganisation pro Tag empfiehlt“, sagt Mahfoud.
Ein hoher Konsum von Natrium, das auch einer der Hauptbestandteile von Kochsalz ist, kann den Blutdruck erhöhen. „Damit steigt das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen wie Schlaganfälle oder die koronare Herzkrankheit“, erläu
tert Kunz. „Die Weltgesundheitsorganisation rät daher, die Natriumzufuhr auf weniger als zwei Gramm pro Tag zu beschränken und auf stark natriumhaltige Lebensmittel sowie das Nachsalzen des Essens zu verzichten. In Deutschland liegt der durchschnittlich konsumierte Wert weit über diesen zwei Gramm. Das hat auch mit sogenannten versteckten Natriumquellen zu tun“, sagt Kunz.
Als versteckte Natriumquellen gelten zum Beispiel Wurst, Käse oder Ketchup. Bei solchen Nahrungsmitteln ist nicht direkt zu erkennen, wie viel Natrium sie enthalten. Wie die UKS-Studie jetzt zeigt, gehören auch Brausetabletten zu den versteckten Natriumquellen. Die Homburger Forscher haben zudem herausgefunden, dass in den deutschen Brausetabletten wahr
scheinlich mehr Natrium steckt als in US-amerikanischen. Das brachte der Vergleich der deutschen Brausetabletten mit 51 Nahrungsergänzungsmittel-Brausetabletten aus den USA ans Licht. Dies wollen die Forscher nun in einer weiteren Studie genauer untersuchen.
In Deutschland greifen drei von vier Personen regelmäßig zu Nahrungsergänzungsmitteln, informiert das Statistische Bundesamt. „Unsere Ergebnisse sind wichtig für die Behandlung von Patienten mit Bluthochdruck. Vielen ist der Natriumgehalt von Brausetabletten gar nicht bekannt. Auf apothekenpflichtigen Mitteln muss er zwar angegeben werden, wird aber oft nicht beachtet. Auf Produkten aus Drogerien und Supermärkten muss er gar nicht vermerkt werden“, erläutert Michael Kunz. Das Forscherteam des saarländischen Universitätsklinikums fordert daher, dass alle Hersteller von Brausetabletten verpflichtet werden sollten, den Natriumgehalt und das damit einhergehende gesundheitliche Risiko auf der Verpackung anzugeben.
„Besser noch wäre, die Zusammensetzung der Brausetabletten zu überarbeiten und wenn mög
lich, Natrium einzusparen. Kalium zum Beispiel beschleunigt ebenfalls das Auflösen einer Brausetablette“, erklärt Kunz. Die UKS-Ärzte raten Patienten, den Konsum von natriumhaltigen Brausetabletten stark einzuschränken. „Sie können einfach auf andere Dosierungsformen ausweichen, zum Beispiel Pillen und Tabletten“, sagt Kunz.
Die Homburger Forscher verweisen in ihrer wissenschaftlichen Publikation unter anderem auf eine Langzeitstudie aus China. Dort hatte ein internationales Forscherteam in 600 Dörfern in ländlichen Regionen an 21 000 Teilnehmern im Durchschnittsalter von 65 Jahren untersucht, wie es sich auf die Gesundheit auswirkt, wenn zum Würzen statt des üblichen Natriumchlorids (Kochsalz) der Ersatzstoff Kaliumchlorid verwendet wird. Ein großer Teil der Teilnehmer (73 Prozent) hatte bereits einen Schlaganfall überstanden, viele litten unter hohem Blutdruck (88 Prozent). „Es hat sich herausgestellt, dass ein reduzierter Konsum von Natriumchlorid die Häufigkeit von Schlaganfällen, schwerwiegenden Herz-KreislaufErkrankungen und Todesfällen verringert“, fasst Mahfoud zusammen.