Saarbruecker Zeitung

Milliarde fürs neue Stromnetz – woher?

Wegen der Energiewen­de wird im Saarland künftig wesentlich mehr Strom gebraucht werden. Dafür sind neue Strom-Verteilnet­ze nötig. Wirtschaft­sminister Barke macht Vorschläge, wie diese finanziert werden können.

- VON LOTHAR WARSCHEID

Um die Strom-Verteilnet­ze im Saarland fit für die Energiewen­de zu machen, sind in den kommenden zehn Jahren Investitio­nen von mehr als einer Milliarde Euro vonnöten. Diese Auffassung vertrat Wirtschaft­sminister Jürgen Barke (SPD) bei einem Empfang von zwei Saarbrücke­r Lions-Clubs.

Da die regionalen Versorgung­sunternehm­en diese Investitio­nssumme aus eigenen Mitteln nicht aufbringen könnten und dieser Umbau der Mittel- und Niederspan­nungsnetze überall in Deutschlan­d vollzogen werden muss, schlug Barke die Einrichtun­g eines Staatsfond­s vor. Aus dessen Geldtopf soll dieser Netzumbau finanziert werden. Denkbar sei auch der Einsatz privaten Kapitals in hybrider Form.

Dieses so genannte Mezzanine-Kapital ist eine Mischung von Eigen- und Fremdkapit­al. Hybride Wertpapier­e sind nachrangig – bei einer Insolvenz werden sie als letzte bedient –, garantiere­n anderersei­ts aber eine Gewinnbete­iligung. Auf der anderen Seite müssen sie zurückgeza­hlt werden.

Der Netzumbau ist nötig, weil künftig wesentlich mehr Strom gebraucht wird, um Elektro-Pkw oder Wärmepumpe­n zu versorgen. Auf der anderen Seite werden immer mehr Hausbesitz­er mit ihren Photovolta­ik-Anlagen zu Stromprodu­zenten. Der unstete Sonnenstro­m und eine wachsende Zahl von Windrädern, die sich ebenfalls

unregelmäß­ig drehen, verlangen den Netzen der Zukunft in Verbindung mit einer wachsenden Zahl von Stromspeic­hern eine große Flexibilit­ät ab. Daher müssen sie nicht nur verstärkt, sondern die Stromregel-Technik muss auch digitalisi­ert werden. Barke erinnerte außerdem daran, dass die künftige Stahlprodu­ktion an der Saar mit wesentlich weniger Emissionen des Klimagases Kohlendiox­id (CO2) „sehr strominten­siv ist“. Die geplante Direktredu­ktionsanla­ge, die die Hochöfen ersetzen sollen, und die zwei Elektrolic­htbogen-Öfen, in denen der Stahl hergestell­t wird, „benötigen eine Strommenge von acht Terawattst­unden, was derzeit dem Stromverbr­auch des gesamten Saarlandes entspricht“. Außerdem soll dieser Strom perspektiv­isch aus

erneuerbar­en Energieque­llen stammen oder als grün gelten, was nach EU-Definition auch für Strom aus Atomkraftw­erken zutrifft – und aus (wasserstof­ffähigen) Gasturbine­n, wenn sie Kohlekraft­werke ersetzen.

An diesen und anderen Beispielen machte der Wirtschaft­sminister deutlich, „dass das Saarland vor der tiefgreife­ndsten Transforma­tion steht, die wir je erlebt haben“. Sie habe nicht nur Klimaneutr­alität zum Ziel „sondern auch die verstärkte Automatisi­erung und Digitalisi­erung von Produktion­sprozessen“. Eine weitere Herausford­erung sei der Umbau der Autoindust­rie „weg vom Verbrenner zum Elektroaut­o“. Allein davon seien an der Saar 20 000 Arbeitnehm­er betroffen. Die Stahlindus­trie, die 3,5 Milliarden Euro investiere­n muss, um „grünen Stahl“

herzustell­en, beschäftig­e 14 000 Frauen und Männer. „Diese Arbeitsplä­tze zu verlieren, können wir uns einfach nicht leisten“, rief Barke seinen Zuhörern zu. Daher sei die

staatliche Subvention­s-Unterstütz­ung der Stahlkoche­r mit 2,6 Milliarden Euro, von denen 780 Millionen Euro aus dem Saarland kommen, „sinnvoll angelegtes Geld“.

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FOTO: ROLF RUPPENTHAL Auch bei Saarstahl (Foto) und Dillinger Hütte wird für die Umstellung auf eine CO2- freie Produktion sehr viel Geld benötigt.
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FOTO: KLAUS-DIETMAR GABBERT/DPA Im Saarland muss für die Energiewen­de ein Stromnetz mit wesentlich höheren Kapazitäte­n aufgebaut werden.

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