„Un souffle“, ein Atemzug, der über die Grenze reicht
Noël Walterthum lebt zwar in Lothringen, aber Chansonfans kennen ihn auch hierzulande gut. Jetzt stellt der Sänger seine neue Platte in Sulzbach vor.
„Un souffle“, „Ein Atemzug“, so nennt sich das neuste und zehnte Album des französischen Liedermachers Noël Walterthum. Zehn eigene Titel befinden sich darauf sowie zwei von Georges Moustaki geschriebene. Die Texte stammen von Walterthum selbst, von seiner Tochter Anne oder von Frauen, mit denen er über die sozialen Netzwerke in Kontakt gekommen ist.
Zum Beispiel mit der argentinischen Französischlehrerin Adriana Gonzalez. Die kenne er schon lange, erzählt der 75-Jährige im
Gespräch mit der Saarbrücker Zeitung, die spiele ihren Schülern gerne Chansons vor. Aber nicht nur die Texte kommen via Internet zu ihm, auch die Musik.
Das funktioniere so, erzählt Walterthum: „Wenn ich ein Lied fertig komponiert habe, dann schicke ich das, was ich auf dem Handy aufgenommen habe, an Stéphane Larcan.“Der Produzent, Arrangeur und Multiinstrumentalist arbeite dann alles in seinem südfranzösischen Studio aus, Walterthum muss dann nur noch seinen Gesang darüber aufnehmen.
Das Ergebnis kann sich hören lassen: Fluffig leicht klingen die Chansons, mit Akustikgitarre, Piano und Geige im Hintergrund.
Dann und wann lässt sich Walterthum auch von einem Chor begleiten oder singt ein Duett mit Diana Balanescu, Maude Rozga oder Nici Trenz. Sein Französisch ist gut verständlich, allerdings fehlt dem Album ein Textheft. Vielleicht wolle er die Liedtexte noch auf seiner Webseite veröffentlichen, meint Walterthum.
Allerdings sei ja auch die Musik allein schon ein „véhicule emotionelle“, also ein Transportmittel für Gefühle. Man müsse auch
nicht immer alles verstehen, das gehe einem ja oft so mit englischsprachiger Musik.
Bei einem Chanson der CD hilft einem der Titel sofort auf die Sprünge. Es nennt sich „Mon ami Guido“, „Mein Freund Guido“. Klar, dass Walterthum hier seinem langjährigen Mitmusiker und Arrangeur, dem 2019 verstorbenen Guido Allgaier, huldigen möchte. „Un frère, un complice“, „ein Bruder, ein Komplize“, heißt es darin. Der schweizerische Gitarrist, der
so lange musikalisch im Saarland wirkte, sei sein Alter Ego gewesen, singt der Franzose. Dass er Allgaier sehr vermisst, drückt auch das emotionale Arrangement mit den vielen Streichern aus.
„Meine wichtigsten Begegnungen im Leben waren jene mit Guido und mit Pierre Séguy“, erzählt Walterthum. Letzterer, ein großer Förderer des Chansons im Saarland, habe Walterthums Talent entdeckt und immer wieder seine Lieder im Radio gespielt.
Überhaupt tat sich der in Creutzwald geborene Liedermacher auf unserer Seite der Grenze leichter als in seiner Heimat. „Ich habe es auch in meinem eigenen Land probiert… Das war viel schwerer, ich weiß nicht, warum! Ich habe dafür keine Antwort.“Einmal sei er bei einer Radiostation in Metz gewesen und hatte sein Chanson „La gitane“dabei. Dem Moderator habe das durchaus gefallen – aber: „Der sagte, ich kann das nicht spielen, bei uns kommt die ganze Musik aus Paris.“
Walterthums erste musikalische Gehversuche hatten aber auch schon mit der deutschen Sprache zu tun. „Opa und Oma sprachen kein Französisch. Ich als Kind musste Deutsch sprechen oder Platt. Mein Opa war Klarinettist, er leitete den Chor in der Kirche in Creutzwald. Als ich Kind war, nahm er mich immer mit auf die Empore. ‚Das Heidenröslein`, das sangen wir zweistimmig.“
Mit 13 Jahren fing Walterthum dann mit der Gitarre an, mit 18 gewann er bereits einen Wettbewerb des luxemburgischen Fernsehens. Allerdings habe ihn die Angst befallen, als er dort auftreten sollte, so stark, dass er darauf verzichtete – ein Knackpunkt im Leben des Musikers, der daraufhin auf eine Profikarriere verzichtete und stattdessen Lehrer, später Schulleiter, wurde.
„Mein Vater meinte dann, es gibt Wichtigeres im Leben. Er wollte, dass wir einen ordentlichen Beruf haben. Er hatte auch recht. Wenn ich die Leute sehe, die mich begleiten, die haben es schon schwer. Ich habe aber nie die Antwort bekommen, wie es gewesen wäre, wenn ich mich ganz auf die Musik konzentriert hätte.“
So betrieb Walterthum das Schreiben von Chansons immer nebenbei. Dabei konnte er sich bislang auf eine nimmer versiegende Quelle der Kreativität verlassen. „Wenn man Lieder schreibt, hat man Angst, dass die plötzlich versiegt.“Er sei aber irgendwie „bulimisch“veranlagt bezogen auf Texte, immer suche er nach neuen,
Der verstorbene Gitarrist Guido Allgaier, war für ihn „un frère, un complice“, „ein Bruder, ein Komplize“.
„Opa und Oma sprachen kein Französisch. Ich als Kind musste Deutsch sprechen oder Platt.“Noël Walterthum
um sie dann zu vertonen. „Das ist auch eine Art, meine Ängstlichkeit zu verdecken“, meint er. Auf „Un souffle“ist ihm das sehr gut gelungen. Es ist ein leicht klingendes, entspanntes Album geworden, mit wahrhaft schönen Arrangements, typisch französischen Chansons und der noch jugendlichen Stimme des Lothringers.
Wer Noël Walterthum live
erleben möchte: Der Chansonnier gastiert am Freitag, 26. Januar, 19.30 Uhr, im Salzbrunnenhaus in Sulzbach. Er wird Lieder von Moustaki und auch eigene Lieder singen, begleitet wird er von Marina Kavtaradze. Karten zu 13 Euro sind erhältlich bei der VHS Sulzbach: vhs@stadt-sulzbach.de oder (0 68 97) 50 85 00.