Saarbruecker Zeitung

Handballer träumen vom EM-Wintermärc­hen

Deutsche Spieler gehen 17 Jahre nach dem WM-Titel erneut im eigenen Land auf Medaillen-Jagd. Heute Auftaktspi­el gegen die Schweiz.

- VON CHRISTOPH STUKENBROC­K UND MORITZ LÖHR

(sid) Alfred Gislason strahlte. Heim-EM, Turnier-Start, Weltrekord-Kulisse – der Bundestrai­ner und seine Handballer hätten am liebsten sofort mit ihrer Medaillen-Jagd losgelegt. „Die Stimmung ist gut, die Vorfreude riesig“, sagte Gislason am Dienstag nach dem Abschlusst­raining in der FußballAre­na in Düsseldorf. Seine Augen leuchteten dabei.

„Ich freue mich riesig, das zu erleben, wenn die Ränge morgen voll besetzt sind“, meinte der Isländer. Beim Blick auf die noch leeren Sitzplätze erahnte die DHB-Auswahl, was sie gegen die Schweiz erwartet. „Ich glaube, es wird überwältig­end, wenn wir hier einlaufen und die Nationalhy­mne gespielt wird“, sagte Kapitän Johannes Golla. Die außergewöh­nliche Atmosphäre, meinte Gislason, werde „die Mannschaft beflügeln und nach vorn pushen“.

Nicht bloß emotional hat die knifflige Aufgabe an diesem Mittwoch (20.45 Uhr/ZDF und Dyn) gegen die Schweiz herausrage­nden Charakter. Gislason und sein Team wollen mit einem Auftaktsie­g vor 53 000 Fans in Düsseldorf und Millionen vor den Fernsehern die „Welle“erwischen und eine Handball-Euphorie im Land auslösen. Ähnlich wie 2007, als das goldene Wintermärc­hen gelang. „Zu Hause ist vieles möglich. Wenn so eine Stimmung und Euphorie aufkommt wie damals, können wir wirklich träumen“, sagte Gislason: „Aber der Weg ist ziemlich steinig.“

Vor der ersten Europameis­terschaft auf deutschem Boden werden nicht nur beim DHB-Coach Hoffnungen auf einen erneuten Höhenflug geweckt. „Ich bin der Meinung, dass du groß träumen musst. Du kannst nicht nach den Sternen greifen, wenn du denkst, der Himmel ist die Grenze“, sagte Torhüter Andreas Wolff und fand damit die perfekten Worte für die Sehnsucht einer ganzen Sportart. 17 Jahre nach dem legendären Gold-Triumph von Köln ist es an der Zeit für eine neue Handball-Sternstund­e vor heimischem Publikum.

„Zu Hause ist vieles möglich. Wenn so eine Stimmung und Euphorie aufkommt wie damals, können wir wirklich träumen.“Handball-Bundestrai­ner Alfred Gislason vergleicht die Heim-EM mit der WM 2007

„Mein Ziel ist es ganz klar, dass wir eine fantastisc­he Heim-EM spielen, die optimalerw­eise im EM-Titel gipfelt“, sagte Wolff, einer von vier verblieben­en 2016-Europameis­tern im deutsche Team. Und selbst beim bislang so beherrscht­en Verband war es am Tag vor dem EM-Auftakt mit der Zurückhalt­ung vorbei. „Das Ziel Halbfinale steht fest, da brauchen wir nicht drumherum reden“, sagte DHB-Präsident Andreas Michelmann: „Das muss unser Anspruch sein. Bei einer Heim-EM erst recht. Unsere Mannschaft macht einen guten Eindruck, ich freue mich auf ein tolles Handball-Fest.“

Damit die Euphorie nicht schnell Ernüchteru­ng weicht, gilt Gislasons volle Konzentrat­ion dem wegweisend­en Duell mit der Schweiz. Das Team um die 40 Jahre alte Bundesliga-Ikone Andy Schmid, das mit etlichen Deutschlan­d-Legionären wie Magdeburgs Torhüter Nikola Portner gespickt ist, soll bloß nicht zum Partycrash­er werden. Wolff warnte:

„Die Schweiz ist alles andere als ein Selbstläuf­er.“Und auch Kapitän Johannes Golla warnt vor einem „super Gegner. Die erste Sieben klopft absolut an der Weltspitze an.“Doch bei allem Respekt: Eine HandballGr­oßmacht ist die Schweiz keineswegs. Die vergangene­n beiden Turniere verpassten die Eidgenosse­n. Hinter den Führungssp­ielern klafft

qualitativ eine Lücke.

Heiner Brand, Alt-Bundestrai­ner und Baumeister des Wintermärc­hens 2007, traut dem DHB-Team den Sprung aufs Treppchen zu. „Das Halbfinale sollte sicherlich drin sein“, sagte er: „Eine Medaille wäre noch besser und würde uns sehr gut tun. Gerade, weil unsere sogenannte­n Konkurrenz­sportarten wie Bas

ketball oder Eishockey zuletzt gut abgeschnit­ten haben.“Nationalsp­ieler Timo Kastening sieht die deutschen Basketball-Weltmeiste­r als gutes Vorbild für das mit fünf TurnierDeb­ütanten gespickte Team. „Das war absolut genial. Dieser TeamZusamm­enhalt, diese Lockerheit, diese Geilheit auf Erfolg wollen wir adaptieren“, sagte der Rechtsauße­n.

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FOTO: IMAGO IMAGES Bundestrai­ner Alfred Gislason (links) und Kapitän Johannes Golla hoffen auf einen erfolgreic­hen EM-Start, aus dem dann Euphorie erwachsen soll.

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