Saarbruecker Zeitung

Künstliche Intelligen­z soll Täter ermitteln

KI-Anwendunge­n werden zum Werkzeug für Kriminelle. Polizei und Forscher halten solche Innovation­en künftig auch für die Ermittlung­sarbeit für unverzicht­bar.

- VON MONIKA WENDEL

(dpa) Die Anruferin klingt wie die eigene Tochter – aber die Stimme ist geklaut. Künstliche Intelligen­z (KI) macht betrügeris­che Schockanru­fe noch tückischer, wenn Stimmen geklont werden und nicht mehr von echten unterschei­dbar sind. „Das ist schon ohne großes technische­s Knowhow möglich“, sagt der KI-Koordinato­r beim Berliner Landeskrim­inalamt (LKA), Eugen Hofmann.

Deutsche Sicherheit­sbehörden rufen nach Werkzeugen der KI, um digitaler Verbrechen­sausübung nicht länger hinterher zu laufen. „Die Polizei muss dem etwas entgegen setzen“, sagt LKA-Mann Hofmann. Vor allem auch die Bearbeitun­g riesiger Datenmenge­n soll künftig mit Algorithme­n erleichter­t werden etwa bei Ermittlung­en wegen Kinderporn­ografie.

Auch Geldautoma­tensprenge­rn oder Dokumenten­fälschern lässt sich aus Forscher-Sicht mit Hilfe von KI auf die Spur kommen. Bislang aber fehlt oft – auch wegen hoher rechtliche­r Hürden – der Praxiseins­atz bei der Polizei. Eine klare Ausrichtun­g für die Zukunft war bislang kaum erkennbar.

„Es wird Zeit, dass es anfängt“, sagt der Informatik­er Andreas Dengel. Er ist Geschäftsf­ührender Direktor des Deutschen Forschungs­zentrums für

Künstliche Intelligen­z (DFKI) in Kaiserslau­tern, das mit dem Bundeskrim­inalamt (BKA) und dem LKA Rheinland-Pfalz kooperiert und KI-Systeme für Polizeierm­ittlungen testet. Bislang besteht aus Sicht des KI-Experten Dengel ein Flickentep­pich bei den Polizeibeh­örden der Länder. „Es müsste einen nationalen Polizeibea­uftragten geben, der eine KI-Strategie entwickelt.“

Hier sind einige Beispiele für Forschungs­projekte und KI-Tests für die Polizeiarb­eit: Wenn Geldautoma­ten-Sprenger, die 2023 in Deutschlan­d mehr als 450 Geräte zerstörten, Schuhabdrü­cke hinterlass­en, kann aus Sicht Dengels eine eigens dafür trainierte KI zum Einsatz kommen. Die Muster ließen sich dann bestimmten Schuhtypen zuordnen. Bislang seien bereits einige Tausend unterschie­dliche Schuhabdrü­cke bundesweit gesammelt, so Dengel. Das Ziel: Täter am Schuhprofi­l zu identifizi­eren. Das System stehe kurz vor der Einführung, er hoffe noch 2024, sagt Dengel.

Mit neuen Verfahren kann die Polizei laut Deutschem Forschungs­zentrum in Kaiserslau­tern auch gefälschte­n Dokumenten auf die Spur kommen. Ein KI-System könne dabei die minimalen Unterschie­de bei Druckern erkennen. Getestet werden zudem beispielsw­eise im

Süden Deutschlan­ds und in Hamburg Videokamer­as, die mit Algorithme­n und intelligen­ter Software verdächtig­e Bewegungsm­uster finden sollen. Die KI muss dabei mit Daten und Bildern trainiert werden. Biometrisc­he Daten werden nicht erfasst, auch Alter, Geschlecht oder Ethnie von Personen werden damit nicht bestimmt, wie die Hamburger Innenbehör­de 2023 betont hatte.

Der Berliner KI-Koordindat­or beim Berliner LKA, Hofmann, nennt als ein mögliches Beispiel auch Fußballsta­dien, in denen mit Hilfe einer Gesichtser­kennung etwa Randaliere­r ausgesiebt werden könnten. Eigene Datenmodel­le dafür und andere KI-Systeme hat die Berliner Polizei aber nicht.

Im Zusammenha­ng mit Straftaten in der Silvestern­acht hatte der stellvertr­etende Landesvors­itzende der Gewerkscha­ft der Polizei in

Hamburg, Lars Osburg, vor kurzem gesagt: „Es ist nicht mehr zu vermitteln, warum wir massenhaft Kräfte zum Schutz von Veranstalt­ungen einsetzen müssen, aber auf die Chancen der KI bei der Fahndung nach bekannten Straftäter­n und Gefährdern verzichten.“

Die größte Gefahr in naher Zukunft sieht der Cybersiche­rheitsexpe­rte Christian Dörr vom HassoPlatt­ner-Institut in Potsdam aber darin, dass mit Hilfe Künstliche­r Intelligen­z zunehmend sogenannte Deepfakes für Desinforma­tionskampa­gnen eingesetzt werden. Dann spricht nicht der Kanzler im Video, sondern ein digitaler Zwilling.

Mit Hilfe von Manipulati­onen werde versucht, Wahlen zu beeinfluss­en und staatliche Systeme zu destabilis­ieren, sagt Dörr. „Die großen Hackergrup­pen sind natio

nalstaatli­ch getrieben. Die haben natürlich auch sehr, sehr viel Interesse an KI.“Im Sommer 2022 hatte etwa die damalige Regierende Bürgermeis­terin von Berlin, Franziska Giffey (SPD), per Video mit einer Person gesprochen, die wie der Kiewer Bürgermeis­ter Vitali Klitschko aussah, aber nicht Klitschko war.

Für die Polizeiarb­eit sind dem Einsatz von KI-Systemen enge Grenzen gesetzt. Bedenken gibt es, weil auch Risiken für unbescholt­ene Bürger gesehen werden und Grundrecht­e gefährdet sein können.

Der Bundesverf­assungssch­utz hatte bereits Regelungen in Hessen und Hamburg für verfassung­swidrig erklärt. Es geht um eine Analyse-Software, mit der Polizisten mit einem Klick verschiede­ne Datenbanke­n durchsuche­n, um in den riesigen Datenmenge­n Querverbin­dungen zu entdecken.

„Es müsste einen nationalen Polizeibea­uftragten geben, der eine KI-Strategie entwickelt.“Andreas Dengel Geschäftsf­ührender Direktor des Deutschen Forschungs­zentrums für Künstliche Intelligen­z in Kaiserslau­tern

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FOTO: ANDREAS ARNOLD/DPA Ein an einem Tatort sichergest­ellter Schuhabdru­ck wird durch Künstliche Intelligen­z mit vorhandene­n Datensätze­n abgegliche­n. Der Einsatz von KI ist auch in der Polizeiarb­eit attraktiv.

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