Robert Habecks Drahtseilakt in Saudi-Arabien
Der Vizekanzler und Wirtschaftsminister ist zu Besuch in Saudi-Arabien. In der Hauptstadt Riad führt der Grünen-Politiker Gespräche zur Sicherheitslage in der Region und zu Energiefragen. Doch vor allem geht es um die Frage, ob Saudi-Arabien künftig ein Partner des Westens wird.
BERLIN Vor wem man einen Knicks macht, kann einem zum Verhängnis werden. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat das im März 2022 in Katar erfahren, als er sich tief vor dem katarischen Energieminister verbeugte. Um Flüssiggas-Deals zu ermöglichen, gebe Habeck klein bei und lasse sich vorführen – so kam diese Geste zu Hause in Deutschland an. Die Macht der Bilder ist groß, das weiß auch der Vizekanzler. Den damaligen Fehler will er beim aktuellen Besuch in der Golf-Region nicht wiederholen. Und so ist diesmal bei keinem Treffen von diversen Ministern in Saudi-Arabien ein Moment der Verbeugung festgehalten. Der Vizekanzler will stattdessen Selbstbewusstsein vermitteln. Die „Werteunterschiede“zu Saudi-Arabien würden im vertrauensvollen Rahmen „deutlich angesprochen“sagt Habeck am Mittwoch in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad. Doch das war es dann auch mit der Kritik am Königreich. Ansonsten findet Habeck vor allem lobende Worte.
Beim Krieg im Gaza-Streifen und bei dem bedrohlichen Szenario der Hisbollah im Libanon bringe sich Saudi-Arabien „so ein, dass dort deeskaliert wird und dass diese Kriege nicht immer schlimmer werden“, sagt Habeck. Auch im Jemen-Krieg habe Saudi-Arabien mittlerweile eine andere Rolle eingenommen und arbeite jetzt „glaubhaft“an einem Friedensprozess. Saudi-Arabien interpretiere seine Rolle so umfassend, „dass es einen Beitrag leisten will, dass diese Region zur Ruhe, und das heißt zum Frieden kommt“. Habeck will das Königreich in einem guten Licht erscheinen lassen, daran lässt er bei seinem Besuch keinen Zweifel. Damit begründet der Vizekanzler auch die neuen Waffenlieferungen an Saudi-Arabien. Genauer gesagt, stellt sich die Bundesregierung dem britischen Wunsch nach Bau und Lieferung neuer Eurofighter-Jets an Saudi-Arabien nicht weiter entgegen. Und damit nicht genug: Deutschland genehmigt auch den Export von 150 Iris-T-Lenkflugkörpern an Saudi-Arabien. Regierungssprecher Steffen Hebestreit bestätigt einen Bericht des Spiegels, nach dem es um den Export von 150 Luft-Luft-Lenkflugkörpern des Typs Iris-T geht.
Bisher hatte die Ampel-Koalition solche Lieferungen wegen der Rolle Saudi-Arabiens im Jemen-Krieg und der Menschenrechtslage in dem Land abgelehnt. Vor dieser Legislaturperiode hatte die brutale Tötung des saudischen Journalisten und Regierungskritikers Jamal Khashoggi durch ein Spezialkommando im saudischen Konsulat in Istanbul 2018 zu einem Stopp der deutschen Waffenexporte geführt.
Im Koalitionsvertrag unterstrichen SPD, Grüne und FDP: „Wir erteilen keine Exportgenehmigungen für Rüstungsgüter an Staaten, solange diese nachweislich unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind.“Heute vertritt das Auswärtige Amt eine andere Position, wonach Saudi-Arabien derzeit nicht im Jemen Krieg führt.
Die Saudis vollführen derzeit einen Drahtseilakt – und die deutsche Debatte rund um die Waffenlieferungen, die Riad ins pro-israelische Lager rückt, dürfte dem Königreich nicht recht sein. Denn offiziell knüpft das Königreich, wo die Bevölkerung aufseiten der Palästinenser steht, die weitere Annäherung an Israel an ein Ende des Gaza-Kriegs. Ziel muss nach den öffentlichen Bekundungen der Saudis eine Vereinbarung zur Gründung eines unabhängigen palästinensischen Staates sein.
In den offiziellen saudischen Medien ist insofern weder die Annäherung noch der Schutz Israels Thema, sondern vor allem die Bemühungen um ein Ende der Bombardierung Gazas.
Auch hinsichtlich der Huthi-Rebellen im Jemen, haben die Saudis viel zu verlieren. Erst vor wenigen Wochen hat es im Jemen-Krieg neue Hoffnung auf einen Friedensprozess gegeben: Unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen sollte ein Dialog begonnen werden, mit dem Ziel eines dauerhaften Waffenstillstands. Schon zuvor hatte ein von der UN im April 2022 vermittelter vorläufiger Waffenstillstand die Lage in dem bitterarmen Land beruhigt. Allerdings ist dieser Prozess wegen des Kriegs zwischen Israel und der Hamas bedroht. Hintergrund sind die massiven Huthi-Angriffe mit Drohnen und Raketen auf Handelsschiffe, teilweise auch direkt auf Israel.
Die schiitischen Huthi-Rebellen sehen sich als Teil einer pro-iranischen „Achse des Widerstands“gegen Israel. Saudi-Arabien drohe also, falls es zur Gruppe der IsraelUnterstützer gezählt würde, wieder neue Angriffe aus dem Nachbarland. Dabei hat De-facto-Herrscher und Kronprinz Mohammed bin Salman ein Herzensprojekt, dem er sich viel lieber zuwenden würde – und das durch eine Gewalteskalation stark behindert werden könnte: Seine Reformagenda „Vision 2030“, mit der das Land vom Erdöl unabhängiger und zum Wirtschafts- und Tourismuszentrum umgebaut werden soll. Ein Schwerpunkt ist dabei das Mega-Projekt Neom, bei dem am Roten Meer eine futuristische Metropole aus dem Boden gestampft wird.
Die Bundesregierung hat die Lieferung von 150 Raketen zur Bewaffnung von Kampfjets an Saudi-Arabien genehmigt.