Lindner plant Ahrtal-Hilfen ohne neue Schulden
Finanzminister Christian Lindner (FDP) will die weiteren Hilfen für die Flutopfer im Ahrtal nicht wie von SPD und Grünen gefordert, über zusätzliche Schulden finanzieren. Das geht aus einem neuen Regierungspapier hervor. Die SPD-Fraktion erhöht derweil den Druck für eine Reform der Schuldenbremse.
BERLIN Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will die Hilfen für die Flutopfer im Ahrtal von 2,7 Milliarden Euro im laufenden Jahr ohne zusätzliche Schulden aus dem Bundeshaushalt finanzieren. Das erfuhr unsere Redaktion aus Koalitionskreisen. Die Ahrtal-Hilfe ist dementsprechend in der sogenannten Bereinigungsvorlage Lindners für den Haushaltsausschuss des Bundestags für die Sitzung am 18. Januar bereits enthalten. Dort heißt es in einer Fußnote zur Ahrtal-Hilfe: „Ausbringung eines Ansatzes zur bedarfsgerechten Ausstattung des Sondervermögens ‚Aufbauhilfe 2021` im Haushaltsjahr 2024 nach den im Bundesverfassungsgerichtsurteil ausgeführten Maßstäben“.
Nach dem Urteil vom 15. November ist die weitere Finanzierung der Ahrtal-Hilfen aus dem kreditfinanzierten Sondervermögen von 2021 nicht mehr verfassungsfest möglich, sodass ein neuer Finanzierungsweg gefunden werden muss. Bei den Verhandlungen zum Haushalt vor Weihnachten drangen SPD und Grüne darauf, für die Ahrtal-Hilfe eine Notfallsituation zu beantragen und die Schuldenbremse abermals auszusetzen. Lindner sagte zwar zu, das zu prüfen, ist nun aber zu dem Schluss gekommen, dass die Ausrufung einer Notsituation wegen der Katastrophe im Ahrtal aus dem Jahr 2021 verfassungswidrig wäre. Die Ampel-Fraktionen könnten zwar theoretisch ihrerseits noch eine Notsituation beantragen, allerdings würde dabei die FDP-Fraktion nicht mitmachen, hieß es in den Kreisen.
Zudem hatte die Regierung vor Weihnachten erklärt, sie wolle über die mögliche Aussetzung der Schuldenbremse wegen des Ahrtals Einvernehmen mit der Union erzielen. Diese würde die Aussetzung aber ebenfalls nicht mittragen. „Niemand stellt die Hilfen für die Flutopfer im Ahrtal infrage, auch wir nicht. Die Union macht nur keine Finanzierung mit, die verfassungswidrig wäre“, sagte der Chefhaushälter der Union, Christian Haase. „Die Aussetzung der Schuldenbremse für die Ahrtal-Hilfe wäre aber aus unserer Sicht verfassungswidrig, weil es beim Ahrtal nicht um ein neues, unvorhergesehenes Ereignis geht und die Belastungen nicht erheblich sind.“
Die Bereinigungsvorlage Lindners sieht zahlreiche weitere Änderungen im bisherigen Haushaltsplan für 2024 vor. Demnach wird das Eigenkapital der Bahn um weitere knapp 4,4Milliarden Euro und damit insgesamt um 5,5Milliarden Euro aufgestockt.
Erwartet werden Privatisierungserlöse von vier Milliarden Euro, die der Bahn zufließen sollen. Die neue Ticketsteuer soll 375Millionen Euro einbringen, heißt es in der Vorlage. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) muss ihr zufolge bisher geplante Klimaschutz-Investitionen um 200 Millionen Euro reduzieren. Zudem werden Einnahmen von 786Millionen Euro aus dem Ausbau der Offshore-Windenergie neu in den Haushalt eingestellt. Der
Ansatz für das Bürgergeld wird um 700Millionen Euro auf 26,5Milliarden4Euro reduziert. Die Vorlage enthält diverse weitere Kürzungen und Minderausgaben.
„Der Vorstoß der SPDFraktion ist ein grundsätzlicher Angriff auf die Schuldenbremse. Christian Haase (CDU) Haushaltspolitiker
SPD-Chef Lars Klingbeil drang unterdessen auf Bundeshilfen auch für die Opfer der aktuellen Hochwasserkatastrophe. Notfalls müssten die Bundesmittel durch ein weiteres Aussetzen der Schuldenbremse finanziert werden. Unserer Redaktion sagte Klingbeil: „Der Bund steht mit in der Verantwortung zu helfen. Wie das finanziert wird, muss geklärt werden“, so Klingbeil. „Aber für mich ist sehr klar, wenn wir vor der Entscheidung stehen, ob wir an der Schuldenbremse festhalten oder ob wir den Menschen in den Hochwassergebieten helfen, dann entscheide ich mich für Letzteres“, sagte der SPD-Chef.
Derweil erhöht die SPD-Bundestagsfraktion auf ihrer Klausurtagung, die an diesem Donnerstag beginnt, den Druck für eine Reform der Schuldenbremse im Grundgesetz. „Investitionen zum Wohle vor allem auch zukünftiger Generationen können (...) sehr wohl zu einem erheblichen Anteil sinnvoll über Kredite finanziert werden“, heißt es in einem Papier, das bei der Klausur beschlossen werden soll. „Die Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form ist nicht mehr zeitgemäß. Die derzeit starren Regeln sind ein Wohlstandsrisiko für jetzige und kommende Generationen, indem sie nicht genügend Spielräume für starke Zukunftsinvestitionen ermöglichen“, heißt es weiter mit Hinweis auf das Urteil des Verfassungsgerichts. Deshalb müssten „neue Leitplanken für eine moderne, zukunftsorientierte Haushaltsführung“im Grundgesetz verankert werden.
Um das Grundgesetz zu ändern, wären allerdings Zwei-Drittel-Mehrheiten im Bundestag und Bundesrat und damit eine Mitwirkung der Union nötig. Die erteilte dem eine Absage. „Der Vorstoß der SPD-Fraktion ist ein grundsätzlicher Angriff auf die Schuldenbremse. Der überparteiliche Konsens von 2009 wird dadurch endgültig aufgekündigt. Die vorgeschlagene Reform der Schuldenbremse wird es mit uns nicht geben. Deshalb sind diese SPD-Vorschläge ein Rohrkrepierer“, sagte UnionsChefhaushälter Haase.