Die Grenzen des deutschen Einflusses in Nahost
Die Hamas als vermeintliche Befreiungspartei, die die Palästinenser aus der Unterdrückung durch den Aggressor Israel retten will? Diese Position ist aus deutscher Sicht verstörend. War es doch gerade diese Terrororganisation, die am 7. Oktober ein Massaker an Juden verübte und damit einen Krieg begann, der die Menschen in Israel wie im Gaza-Streifen mit unvorstellbarem Leid überzieht. Doch es ist eine Position, der man in der Golf-Region durchaus begegnet. Nicht auf höchster Regierungsebene zwar, aber immerhin unter hohen Regierungsbeamten – so geschehen in dieser Woche im Oman. Eine Verteidigung der Taten der Hamas und die einseitige Verurteilung Israels lassen sich auch bei sogenannten Pro-Palästina-Demonstrationen auf deutschen Straßen beobachten, nicht nur vor Ort im Nahen Osten, wo Vizekanzler Robert Habeck gerade unterwegs ist. Beides steht im krassen Gegensatz zur Position der Bundesregierung. Die Unvereinbarkeit der Sichtweisen lässt einen ratlos zurück, weil der Graben so unüberbrückbar scheint. Und das ist ein Problem für Deutschland.
Habeck will bei seiner Reise, die ihn nach dem Oman auch nach Saudi-Arabien und nach Israel führt, vermittelnd auftreten. Zuhören, die Gegenseite verstehen, reden – das gehört zum Selbstverständnis des grünen Wirtschaftsministers. Doch im Nahen Osten wird Habecks Haltung auf die Probe gestellt. Gerade der Vizekanzler ist es, der die deutsche Verantwortung gegenüber Israel besonders hervorhebt und sich persönlich eng verbunden fühlt mit dem Land. In den arabischen Staaten wird das als moralische Selbstüberhöhung wahrgenommen und als historischer Schuldkomplex Deutschlands, der nie überwunden wurde. Das trifft nicht nur Habeck, sondern die gesamte Bundesregierung. Von Staaten wie Saudi-Arabien wird Deutschland ohnehin als schwieriger Partner gesehen, der wegen der Menschenrechtslage gerne die Moralkeule schwingt und sich mit Waffenlieferungen deswegen meist schwertut. All das erschwert die deutschen diplomatischen Bemühungen in der Region. Und es zeigt, wie begrenzt der deutsche Einfluss ist.
Auch in der Debatte um die Eurofighter- und Iris-T-Lieferungen an Saudi-Arabien werden die Gegensätze deutlich. Die Bundesregierung lässt zu, dass neue Kampfjets und Lenkflugkörper an das Königreich geliefert werden – allen bisherigen Absagen an Waffenexporte an Beteiligte des Jemen-Krieges zum Trotz. Zur Begründung heißt es, dass SaudiArabien auf Israel abgefeuerte Raketen abfängt und zur Deeskalation in der Region beiträgt. Doch davon wollen die Saudis nichts hören. Sie wollen auf keinen Fall als Unterstützer Israels wahrgenommen werden, um die eigene Bevölkerung und arabische Partner nicht gegen sich aufzubringen. All das zeigt, dass es nicht nur eine Wahrheit im Nahen Osten gibt. Das sollte die Bundesregierung ernst nehmen und in ihre Position einbeziehen. Für Habeck bedeutet das, dass er seinen Besuch in Israel am Donnerstag dazu nutzen sollte, den befreundeten Staat an die eigene Verantwortung für eine Friedenslösung zu erinnern. Auch wenn diese Reise ihm die Grenzen des eigenen Einflusses aufgezeigt hat.