Welche Rolle spielt China bei der Taiwan-Wahl?
Im Schatten Chinas wählt Taiwan eine neue Regierung. Das Ergebnis könnte beeinflussen, ob die Spannungen zunehmen oder die Zeichen auf Linderung stehen.
PEKING/TAIPEH (dpa) Taiwan ist etwa so groß wie Baden-Württemberg, doch die Präsidenten- und Parlamentswahl in dem ostasiatischen Inselstaat hat weltweit Bedeutung. Wie die Menschen am Samstag in dem Land mit mehr als 23 Millionen Einwohnern abstimmen, dürfte das schwierige Verhältnis zwischen den USA und China beeinflussen und entscheiden, ob die bereits erheblichen Spannungen in der Region zunehmen. Fast täglich fliegen jetzt schon chinesische Kampfjets Richtung Taiwan. China demonstriert damit militärische Macht vor der Insel, die es für sich beansprucht.
Die Taiwan-Frage hat schon mehrfach für Krisenstimmung zwischen den Atommächten China und USA gesorgt: Staats- und Parteichef Xi Jinping will die Wiedervereinigung mit der Insel. Die USA, die wie andere westliche Länder Taiwan nie anerkannt haben, haben sich der Verteidigungsfähigkeit der Insel verpflichtet, liefern Waffen und lehnen jede gewaltsame Veränderung des Status quo als inakzeptabel ab. Präsident Joe Biden hat sogar zugesichert, Taiwan im Konfliktfall bei der Verteidigung zu helfen. Aus USSicht hat die Insel im Indopazifik eine strategisch wichtige Lage. Ein Krieg in der Region könnte die Supermacht USA daher direkt involvieren.
China betont zwar, eine friedliche
Wiedervereinigung zu wollen, droht aber, diese auch mit Gewalt zu erzwingen. Das könne eintreten, falls Taiwan offiziell seine Unabhängigkeit erklären würde, sagt Victor Gao vom chinesischen, regierungsnahen Zentrum für China und Globalisierung.
Bei der Wahl in Taiwan haben drei Parteien eine echte Siegeschance. Für die noch regierende Demokratische Fortschrittspartei (DPP), die für eine Unabhängigkeit Taiwans steht, kandidiert William Lai um das Präsidentenamt. Im Wahlkampf konzentrierte er sich auf die Gefahr durch
China. Eine offizielle Unabhängigkeitserklärung hält er jedoch nicht für nötig. Die bisherige Präsidentin Tsai Ing-wen darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten.
Aus der Opposition machen die chinafreundliche konservative Kuomintang (KMT) und die erst 2019 gegründete Taiwanische Volkspartei ( TPP) Lai wohl am meisten Konkurrenz. KMT-Kandidat Hou Yu-ih will die Demokratie in Taiwan verteidigen, aber nicht die Unabhängigkeit erklären. Die TPP schickt Ko Wen-je ins Rennen. Er sieht Taiwan als Brücke zwischen China und den USA und hat damit einen diplomatischeren Ansatz für das Verhältnis ins Auge gefasst.
In den zehn Tagen vor der Abstimmung durften keine Umfragen mehr publiziert werden. Kurz zuvor hatte eine Erhebung der Zeitung United Daily News den bisherigen Vizepräsidenten Lai noch mit 32 Prozent vor dem Konkurrenten der KuomintangKandidaten gesehen (27 Prozent). Ko Wen-je von der TPP kam demnach auf 21 Prozent. Taiwan wählt auch ein neues Parlament. Bisher hatte die DPP dort die absolute Mehrheit. Wahlberechtigt sind im In- und Ausland 19,5 Millionen Menschen.
Die Meerenge zwischen China und Taiwan – die Taiwanstraße – ist weltweit eine der wichtigsten Handelsrouten. 48 Prozent aller Containerschiffe fahren dort durch, wie Yen Huai-Shing vom taiwanischen Chung-Hua Institut für Wirtschaftsforschung sagt. Ein Konflikt würde Lieferketten unterbrechen und der Weltwirtschaft enorm schaden. Wer in Deutschland dann zum Beispiel ein Regal zusammenbauen wollte, hätte der Expertin zufolge vielleicht keine Schrauben mehr. Die Insel ist außerdem ein bedeutender Hersteller von Halbleitern für Elektrogeräte. Die wichtigste Firma TSMC hat laut Yen 70 Prozent Anteil am Weltmarkt für Chips in Smartphones. Ein Handelsstopp mit diesen Produkten hätte enorme Auswirkungen, sagt die Expertin.