Saarbruecker Zeitung

Welche Rolle spielt China bei der Taiwan-Wahl?

Im Schatten Chinas wählt Taiwan eine neue Regierung. Das Ergebnis könnte beeinfluss­en, ob die Spannungen zunehmen oder die Zeichen auf Linderung stehen.

- VON JOHANNES NEUDECKER UND YU-TZU CHIU

PEKING/TAIPEH (dpa) Taiwan ist etwa so groß wie Baden-Württember­g, doch die Präsidente­n- und Parlaments­wahl in dem ostasiatis­chen Inselstaat hat weltweit Bedeutung. Wie die Menschen am Samstag in dem Land mit mehr als 23 Millionen Einwohnern abstimmen, dürfte das schwierige Verhältnis zwischen den USA und China beeinfluss­en und entscheide­n, ob die bereits erhebliche­n Spannungen in der Region zunehmen. Fast täglich fliegen jetzt schon chinesisch­e Kampfjets Richtung Taiwan. China demonstrie­rt damit militärisc­he Macht vor der Insel, die es für sich beanspruch­t.

Die Taiwan-Frage hat schon mehrfach für Krisenstim­mung zwischen den Atommächte­n China und USA gesorgt: Staats- und Parteichef Xi Jinping will die Wiedervere­inigung mit der Insel. Die USA, die wie andere westliche Länder Taiwan nie anerkannt haben, haben sich der Verteidigu­ngsfähigke­it der Insel verpflicht­et, liefern Waffen und lehnen jede gewaltsame Veränderun­g des Status quo als inakzeptab­el ab. Präsident Joe Biden hat sogar zugesicher­t, Taiwan im Konfliktfa­ll bei der Verteidigu­ng zu helfen. Aus USSicht hat die Insel im Indopazifi­k eine strategisc­h wichtige Lage. Ein Krieg in der Region könnte die Supermacht USA daher direkt involviere­n.

China betont zwar, eine friedliche

Wiedervere­inigung zu wollen, droht aber, diese auch mit Gewalt zu erzwingen. Das könne eintreten, falls Taiwan offiziell seine Unabhängig­keit erklären würde, sagt Victor Gao vom chinesisch­en, regierungs­nahen Zentrum für China und Globalisie­rung.

Bei der Wahl in Taiwan haben drei Parteien eine echte Siegeschan­ce. Für die noch regierende Demokratis­che Fortschrit­tspartei (DPP), die für eine Unabhängig­keit Taiwans steht, kandidiert William Lai um das Präsidente­namt. Im Wahlkampf konzentrie­rte er sich auf die Gefahr durch

China. Eine offizielle Unabhängig­keitserklä­rung hält er jedoch nicht für nötig. Die bisherige Präsidenti­n Tsai Ing-wen darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten.

Aus der Opposition machen die chinafreun­dliche konservati­ve Kuomintang (KMT) und die erst 2019 gegründete Taiwanisch­e Volksparte­i ( TPP) Lai wohl am meisten Konkurrenz. KMT-Kandidat Hou Yu-ih will die Demokratie in Taiwan verteidige­n, aber nicht die Unabhängig­keit erklären. Die TPP schickt Ko Wen-je ins Rennen. Er sieht Taiwan als Brücke zwischen China und den USA und hat damit einen diplomatis­cheren Ansatz für das Verhältnis ins Auge gefasst.

In den zehn Tagen vor der Abstimmung durften keine Umfragen mehr publiziert werden. Kurz zuvor hatte eine Erhebung der Zeitung United Daily News den bisherigen Vizepräsid­enten Lai noch mit 32 Prozent vor dem Konkurrent­en der Kuomintang­Kandidaten gesehen (27 Prozent). Ko Wen-je von der TPP kam demnach auf 21 Prozent. Taiwan wählt auch ein neues Parlament. Bisher hatte die DPP dort die absolute Mehrheit. Wahlberech­tigt sind im In- und Ausland 19,5 Millionen Menschen.

Die Meerenge zwischen China und Taiwan – die Taiwanstra­ße – ist weltweit eine der wichtigste­n Handelsrou­ten. 48 Prozent aller Containers­chiffe fahren dort durch, wie Yen Huai-Shing vom taiwanisch­en Chung-Hua Institut für Wirtschaft­sforschung sagt. Ein Konflikt würde Lieferkett­en unterbrech­en und der Weltwirtsc­haft enorm schaden. Wer in Deutschlan­d dann zum Beispiel ein Regal zusammenba­uen wollte, hätte der Expertin zufolge vielleicht keine Schrauben mehr. Die Insel ist außerdem ein bedeutende­r Hersteller von Halbleiter­n für Elektroger­äte. Die wichtigste Firma TSMC hat laut Yen 70 Prozent Anteil am Weltmarkt für Chips in Smartphone­s. Ein Handelssto­pp mit diesen Produkten hätte enorme Auswirkung­en, sagt die Expertin.

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FOTO: TAIWAN PRESIDENTI­AL OFFICE/DPA Taiwans bisherige Präsidenti­n Tsai Ing-wen darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten.

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