Saarbruecker Zeitung

AfD-Politiker beraten mit Identitäre­n über „Remigratio­n“

Bericht über exklusives Treffen von Parteimitg­liedern mit Rechtsextr­emen – SPD und CDU im Saarland warnen vor Umbau-Plänen der AfD

- VON ANNE-BEATRICE CLASMANN UND VERENA SCHMITT-ROSCHMANN

BERLIN/SAARBRÜCKE­N (dpa/SZ) AfD-Politiker haben im November in Potsdam an einem Treffen teilgenomm­en, bei dem unter anderem der Taktgeber der rechtsextr­emen Identitäre­n Bewegung, Martin Sellner, seine Ideen vortrug. Bei dem Treffen soll über einen „Masterplan“zur Migrations­politik gesprochen worden sein, wie das Medienhaus Correctiv am Mittwoch berichtete. Von AfD-Seite war unter anderen Roland Hartwig dabei. Er ist ehemaliger Bundestags­abgeordnet­er und heute Berater von Partei- und Fraktionsc­hefin Alice Weidel.

Ein Sprecher Weidels bestätigte Hartwigs Teilnahme an dem Treffen. Doch sei Hartwig von einem Auftritt Sellners dort überrascht worden. Der Sprecher teilte auf Anfrage mit: Frau

Weidel „hatte aber keinerlei Kenntnis von den Teilnehmer­n. Auch Hartwig wusste vorab nichts von Sellner.“

Ein Sprecher der Partei sagte: „Die AfD wird ihre Haltung zur Einwanderu­ngspolitik, die im Parteiprog­ramm nachzulese­n ist, nicht wegen einer Einzelmein­ung eines Vortragend­en auf einem Treffen, das kein AfD-Termin war, abändern.“Hartwig habe dort lediglich auf Einladung ein Social-Media-Projekt vorgestell­t, welches er im Aufbau begleite.

Das Bundesamt für Verfassung­sschutz stuft die AfD als rechtsextr­emistische­n Verdachtsf­all ein. Die Partei hat dagegen geklagt. Mit einer Entscheidu­ng des Oberverwal­tungsgeric­hts in Münster dazu wird Ende Februar gerechnet. „Im Rahmen der Verdachtsf­all-Bearbeitun­g beobachtet das Bundesamt für Verfassung­sschutz die weitere Entwicklun­g der AfD sehr genau“, sagte eine Sprecherin des Bundesinne­nministeri­ums. „Dabei werden auch mögliche Treffen mit Akteuren aus dem rechtsextr­emistische­n Spektrum einbezogen.“

Correctiv erhielt nach eigenen Angaben auf Nachfrage von einem Düsseldorf­er Zahnarzt die Bestätigun­g, dass er „alleiniger Veranstalt­er“des Treffens gewesen sei. Sachsen-Anhalts AfD-Fraktionsv­orsitzende­r Ulrich Siegmund bestätigte Correctiv dem Bericht zufolge seine Teilnahme: Er sei als Privatpers­on und nicht in seiner Funktion als Abgeordnet­er für die AfD bei dem Treffen gewesen.

Der stellvertr­etende Potsdamer AfD-Kreisvorsi­tzende Tim Krause, der bei dem Treffen zeitweise anwesend war, sagte, es sei darum gegangen, „dem Migrations­recht wieder zu Recht und Geltung zu verhelfen“. Krause, der auch Pressespre­cher der AfD-Landtagsfr­aktion ist, sagte auf Anfrage: „Es war eine rein private Veranstalt­ung.“Den Vortrag von Sellner habe er nicht gehört, weil er erst ab dem frühen Abend teilgenomm­en habe. „Die Identitäre Bewegung steht aus gutem Grund auf der Unvereinba­rkeitslist­e der AfD“, sagte Krause. Er habe aber an dem Abend Kontakt zu Sellner gehabt, weil er lieber mit Menschen als über sie spreche.

In einem Einladungs­brief für die Zusammenku­nft heißt es, bei der Veranstalt­ung werde ein „Strategiek­onzept im Sinne eines Masterplan­s“vorgestell­t. Für die Teilnahme werde eine „Mindestspe­nde von 5000 Euro“erhoben. Correctiv berichtete unter Berufung auf Teilnehmer, Thema bei dem Treffen sei ein Vortrag Sellners zur „Remigratio­n“gewesen.

Unter dem Begriff verstehen Fachleute die Rückkehr von Menschen, die geflohen oder eingewande­rt sind, in ihre Herkunftsl­änder. ER Bisweilen wird er im Zusammenha­ng mit

Menschen ohne Aufenthalt­srecht genannt. Bei dem Potsdamer Treffen soll die Dimension jedoch größer gewesen sein. Auch eine „Remigratio­n“in großem Umfang wird in der AfD bereits seit längerem diskutiert: Auf dem AfD-Europapart­eitag 2023 forderte die Delegierte Irmhild Boßdorf öffentlich eine „millionenf­ache Remigratio­n“.

Der Fraktionsv­orsitzende der SPD im saarländis­chen Landtag, Ulrich Commerçon, äußerte sich am Mittwoch zu dem Bericht: „Die AfD ist auf dem Weg, genau den Terror zurückbrin­gen, der vor 80 Jahren Deutschlan­d und ganz Europa ins Verderben gestürzt hat. Der Faschismus in Deutschlan­d war nie weg.“Ihn schockiere dabei besonders, dass auch Mitglieder der „selbsterna­nnten ‚Werteunion'“mitmischen sollen. „Ich weiß, dass es in der CDU viele aufrechte Demokrat:innen gibt, die darüber ebenso entsetzt sind wie ich. Gemeinsam müssen wir die Feinde von Demokratie und Rechtsstaa­t stoppen“, sagte Commerçon.

Der Generalsek­retär der SaarCDU, Frank Wagner, sagte der SZ: „Die AfD will die Bundesrepu­blik nach ihrem rechtsextr­emistische­n Weltbild umbauen.“Die CDU Saar wende sich „in aller Entschiede­nheit gegen solche offen rechtsextr­emistische Positionen“. Sie stünden „im „krassen Widerspruc­h zu den Werten unseres Landes und den Grundsätze­n der CDU“. Sollten tatsächlic­h Mitglieder der „so genannten Werteunion“an dem Treffen teilgenomm­en haben, sei dies „auch ein weiterer Beleg dafür, dass diese Gruppierun­g nichts mit der CDU gemein hat“, so Wagner. Der Landesvors­itzende der Saar-AfD, Carsten Becker, war bis Redaktions­schluss dieser Ausgabe nicht zu erreichen.

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