Saarbruecker Zeitung

Fünf Jahre Leerstand nach Galeria-Schließung?

Zahlreiche Galeria-Filialen wurden in der Vergangenh­eit bereits geschlosse­n, womöglich werden im Zuge der neuen Insolvenz weitere folgen. Eine Untersuchu­ng zeigt, was danach passieren kann.

- VON CHRISTIAN ROTHENBERG Produktion dieser Seite: Lucas Hochstein Martin Wittenmeie­r, Lukas Taskiran

ESSEN (dpa) Der Warenhausk­onzern Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) hat am Dienstag zum dritten Mal innerhalb weniger Jahre Insolvenz angemeldet. Von den ehemals rund 300 Filialen sind nur noch etwa ein Drittel übrig geblieben. Im Laufe des Januars schließt das Unternehme­n weitere 18 Häuser. Die Handelsber­atung BBE hat untersucht, was aus ehemaligen Karstadtun­d Kaufhof-Standorten geworden ist, die in den vergangene­n Jahren dicht gemacht worden sind. Dies lässt auch Rückschlüs­se auf Filialen zu, die in Zukunft von einer Schließung betroffen sein könnten.

„Erfolgsver­sprechend sind Mischnutzu­ngen, die sich zum Beispiel aus Handel und Gastronomi­e im Erdgeschos­s, Büro, Co-working, Ärztehaus, in den Stockwerke­n darüber und Hotel oder Wohnen in den obersten Etagen zusammense­tzen“, sagt der BBE-Chef Johannes Berentzen. Das Freiwerden großer Flächen in guter Lage sei eine Chance für die deutschen Innenstädt­e. Positivbei­spiele, vor allem aus Städtesich­t, sind aus seiner Perspektiv­e unter anderem frühere Filialen in Recklingha­usen, Osnabrück, Bonn, Augsburg, Hof und Leipzig.

Der Studie zufolge liegen im Schnitt vier bis fünf Jahre zwischen der Schließung eines Standortes und der Neunutzung. Das liegt vor allem an der Investoren­suche, Nutzungsve­rordnungen, Genehmigun­gsverfahre­n und nötigen Baumaßnahm­en. Der Umbau der Filialen ist oft aufwendig, eine Kernsanier­ung ist häufig unvermeidb­ar. Die Genehmigun­gsbehörden seien hier gefragt, pragmatisc­he Lösungen für ansässige Händler, gutes Baustellen­management, aber auch Flexibilit­ät auf Vermieter- und Nachmieter­seite, so Berentzen.

In einigen Städten haben sich Unternehme­r vor Ort an der Entwicklun­g von Nachnutzun­gskonzepte­n beteiligt. So taten sich in Gelsenkirc­hen nach der Schließung des ehemaligen­Karstadt-/Hertie-Gebäudes örtliche Kaufleute, Unternehme­r, Handwerker und Immobilien­eigentümer zusammen, erwarben das leerstehen­de Warenhaus und bauten es zum «Linden-Karee» mit einer gemischten Nutzung um. Seit 2015 befindet sich darin neben Handels- und Dienstleis­tungsangeb­oten auch ein Wohn- und Pflegezent­rum.

Andere Beispiele zeigen, wie es auch laufen kann. Für die ehemalige, 2009 geschlosse­ne Hertie-Filiale in Velbert gibt es inzwischen zwar Nachnutzun­gspläne, eine Fertigstel­lung ist aber erst 2027 geplant - und damit 18 Jahre nach der Schließung. In einem früheren Standort in Rheine soll 2024 nach 15 Jahren Leerstand das «Quartier Staelscher Hof» mit 100 Hotelzimme­rn und 44 Wohnungen abgeschlos­sen werden.

Auch in anderen Städten stehen frühere Kaufhof- oderKarsta­dt-Areale leer, zum Beispiel in Hannover. Eine der zwei zuletzt geschlosse­nen Filialen dient zur Zwischennu­tzung unter anderem als Ort für Kulturvera­nstaltunge­n. In der Spitze waren in der Stadt mal sieben Standorte, übrig geblieben ist einer. Wenig vielverspr­echend ist es Berentzen zufolge, wenn die neuen Betreiber das alte Nutzungsko­nzept einfach unveränder­t fortsetzte­n. „Alter Wein in neuen Schläuchen, das funktionie­rt auch unter einem anderen Namen nicht.“

Die Unternehme­nsberatung PwC hatte 2022 die Entwicklun­g von 32 in den Jahren zuvor geschlosse­nen Warenhäuse­rn von Karstadt oder Kaufhof untersucht. Demnach gab es ein Jahr nach Bekanntwer­den der Schließung­en bei 72 Prozent davon bereits eine Entscheidu­ng über die Nachnachnu­tzung. Mehr als die Hälfte der Warenhäuse­r wurden demnach umgebaut oder abgerissen. In der Hälfte der Fälle gab es anschließe­nd ein Mischnutzu­ngskonzept.

Für die Städte und Gemeinden ist es wichtig, nach der Schließung von Warenhäuse­rn schnell Anschlussl­ösungen zu finden. Sogenannte Geisterbau­stellen oder Brachen sind unbeliebt, weil sie Menschen vom Gang in die Innenstädt­e abhalten. „Bei der Nachnutzun­g von großen Warenhäuse­rn kommt es darauf an, dass eine langfristi­ge Nutzungspe­rspektive aufgezeigt wird, damit Leerstand vermieden und damit negative Auswirkung­en auf die Attraktivi­tät der Innenstädt­e verhindert werden“, sagt André Berghegger, Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebu­ndes. Bund und Länder seien gefordert, die Rahmenbedi­ngungen, etwa beim kommunalen Vorkaufsre­cht, zu optimieren.

„Alter Wein in neuen Schläuchen, das funktionie­rt auch unter einem anderen Namen nicht.“Johannes Berentzen Chef der Handelsber­atung BBE

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FOTO: THOMAS SCHÄFER Die Galeria Kaufhof in Saarbrücke­n ist bereits seit Juni geschlosse­n. Nun hat der Träger eine dritte Insolvenz beantragt.

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