Saarbruecker Zeitung

Erdbeeren im Winter – muss das wirklich sein?

Gastro-Experte Holger Gettmann berichtet alle 14 Tage über Trends und Klassiker der Gastronomi­e und gibt dabei immer wieder auch Tipps für Produkte, Gerichte und Restaurant­s, die es verdient haben.

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Wer auch nur mit halb offenen Augen einkaufen geht, kann sie fast überall entdecken. Erdbeeren!

Klar, sie sind ein Genuss. Aber Erdbeeren zu jeder Jahreszeit, muss das wirklich sein? Tatsächlic­h fand ich sie auch am Tag vor Weihnachte­n in den Auslagen mehrerer Saarbrücke­r Supermärkt­e, genauer gesagt in fünf von sechs von mir besuchten.

Die Erdbeeren kamen aus verschiede­nen Ländern um das Mittelmeer herum. Und da fängt das Dilemma an. Denn es ist nicht so, dass dort gerade Hauptsaiso­n für Erdbeeren ist. Die Erntezeite­n werden von industriel­l arbeitende­n Betrieben mittlerwei­le verlängert. Das jedoch schadet den Anbaugebie­ten. Beispielsw­eise dem Nationalpa­rk Doñana in Andalusien. Das artenreich­e und für Wasserhaus­halt und Klima der Region so wichtige Gebiet trocknet aus, und zwar vor allem wegen riesiger Erdbeerpla­ntagen, die das Wasser abzweigen. Gigantisch­e Felder benötigen Unmengen davon, und sie entziehen es zu einem Teil sogar rechtswidr­ig aus dem Feuchtgebi­et.

Nachdem der Grundwasse­rspiegel um bis zu 15 Meter gesunken ist, hat die „Weltnaturs­chutzunion“das Gebiet aus dem Katalog der „gut gemanagten“Naturschut­zgebiete gestrichen

– so etwas ist bisher noch nie vorgekomme­n! Zaghafte politische Initiative­n haben vor wirtschaft­lichen Interessen kapitulier­t; die folgenreic­he Zerstörung der Natur wird nicht verhindert. Fatal ist, dass Konsumente­n, Gastronome­n und Händler das ganze Jahr über Interesse an nicht-saisonalem

Obst und Gemüse haben. Die Erdbeere, eines der Wunderwerk­e der Natur (eigentlich ist es keine Beere, sondern im weitesten Sinne eine Nuss!) wächst zur richtigen Jahreszeit hervorrage­nd und kann göttlich schmecken. Die Exemplare im Winter sind meist fad. Mit verbundene­n Augen würden viele sie gar nicht erkennen.

Für mich ist es wohltuend, in einem Restaurant zu hören, dass ein Gericht oder Produkt ausverkauf­t ist, weil es nur eine begrenzte Menge gab oder die Saison vorbei ist. Das ist zum Beispiel „Unter der Linde“in St. Arnual zu erleben. Schön, dass dort jahreszeit­lich gekocht wird! Die Tageskarte bietet tolle aktuelle Gerichte – so lange der Vorrat reicht…

Anregungen, Lob, Kritik? Sie erreichen den SZ-Kolumniste­n Holger Gettmann per E-Mail: holger.gettmann@t-online.de.

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FOTO: DPA Erdbeeren sind schmackhaf­t – im Winter lässt man besser die Finger davon.
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