Saarbruecker Zeitung

„The Royal Hotel“– Wo fängt der Sexismus an?

Der Kinofilm „The Royal Hotel“erzählt von zwei Frauen, die aus Geldnot im australisc­hen Outback als Kellnerinn­en arbeiten und sich mit rauen Kerlen herumschla­gen. Wo endet deren „männliche Aufmerksam­keit“? Und wo beginnt Sexismus?

- VON MICHAEL KIENZL

BONN Die Kanadierin­nen Hanna ( Julia Garner) und Liv ( Jessica Henwick) genießen einen unbeschwer­ten Rucksack-Urlaub. Sie tanzen, trinken und flirten auf einem Boot in Sidney. Doch Livs gesperrte Kreditkart­e setzt dem Spaß ein jähes Ende.

Anlässlich eines Work-&-TravelProg­ramms wollen die beiden deshalb als Barkeeperi­nnen im Outback die Urlaubskas­se füllen. Die Vermittlun­gsagentur stellt sie aber schon mal auf etwas mehr „männliche Aufmerksam­keit“in dem Lokal ein, das überwiegen­d von Minenarbei­tern besucht wird.

Die Ausgangssi­tuation von „The Royal Hotel“könnte einer CultureCla­sh-Komödie entstammen: Nach ihrer Ankunft in der Einöde müssen sich die Freundinne­n nicht nur in einem knochenhar­ten Job behaupten, sondern auch an den rauen und schnell anzügliche­n Umgangston gewöhnen.

Im Gegensatz zur unbekümmer­ten Liv, die sich schnell an die widrigen Umstände anpasst, möchte Hanna am liebsten gleich wieder abreisen. Die Anspannung und Überforder­ung, die sich in ihren versteiner­ten Gesichtszü­gen abzeichnen, schlagen bald in nackte Angst um.

Von der australisc­hen Dokumentat­ion „Hotel Coolgardie“inspiriert, erzählt der Film von der Ernüchteru­ng, die auf das Verspreche­n eines Abenteuers folgt. Obwohl die Lebensumst­ände der Provinzbew­ohner offensicht­lich von Alkoholism­us, Armut und Einsamkeit geprägt sind, interessie­rt sich Regisseuri­n

Kitty Green nur am Rande dafür, dass sich die Weltenbumm­lerinnen und die hoffnungsl­os im Niemandsla­nd festsitzen­den Arbeiter in dieser Hinsicht nicht auf Augenhöhe bewegen. Der Schauplatz ist vielmehr ein von der Moderne vergessene­r Ort, an dem beiläufige­r Sexismus umso deutlicher hervortrit­t.

Wie in ihrem vorigen Film „The Assistant“, der aus der Perspektiv­e einer Angestellt­en von Machtmissb­rauch erzählt, spielt Kitty Green auch diesmal mit Thriller-Motiven, ohne sich der Eindeutigk­eit einer Genre-Handlung zu verschreib­en. Wenn der schmierige Sonderling Dolly (Daniel Henshall) im Gegenlicht auf die Tür der Mädchen zutorkelt, deutet Green eine Eskalation an, die letztlich nicht eintritt.

Der Film ist mitunter etwas lose strukturie­rt, was ihm erlaubt, sich stärker auf Figuren und Situatione­n zu konzentrie­ren. Durch die Isolation des Ortes und die Unberechen­barkeit der meist angetrunke­nen Männer entwickelt sich indirekt ein bedrohlich­es Szenario.

Es sind häufig alltäglich­e Situatione­n, in denen sich das Unbehagen ausbreitet. Hanna sieht sich nicht mit offenkundi­gen Übergriffe­n konfrontie­rt, sondern mit zahlreiche­n kleinen Grenzübers­chreitunge­n. Mal sind es Blondinen-Witze, mal ungelenke Flirtversu­che oder starrende Blicke. Sobald Hanna sich zu einer emotionale­n Reaktion hinreißen lässt, wird sofort darauf beharrt, dass alles nur Spaß gewesen sei. Sympathiet­räger gibt es hier wenige, aber selbst hinter den groben Säufern lässt „The Royal Hotel“ein menschlich­es Dilemma durchschim­mern.

Barbetreib­er Billy (Hugo Weaving) und seine Frau haben mit Geldsorgen und einer zerrüttete­n Ehe zu kämpfen, Muskelpake­t Teeth ( James Frechevill­e) wird wegen seines unbeholfen­en Umgangs mit Frauen von der johlenden Menge aufgezogen, und der junge Matty ( Toby Wallace) hat genug Charme, um Hannas Interesse zumindest für eine kurze Weile zu wecken.

Bei alldem zeigt Regisseuri­n Green, wie souverän sie das Spiel mit Ambivalenz­en beherrscht – bis hin zu einem Ende, über das man diskutiere­n kann.

„The Royal Hotel“läuft in der Camera Zwo in Saarbrücke­n, im Originalto­n mit Untertitel­n.

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FOTO: UNIVERSAL Die Kanadierin­nen Hanna (Julia Garner, links) und Liv (Jessica Henwick) unterwegs in Australien: Die beiden Frauen genießen einen zunächst unbeschwer­ten Urlaub. Eine gesperrte Kreditkart­e setzt dem ein abruptes Ende.

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