„The Royal Hotel“– Wo fängt der Sexismus an?
Der Kinofilm „The Royal Hotel“erzählt von zwei Frauen, die aus Geldnot im australischen Outback als Kellnerinnen arbeiten und sich mit rauen Kerlen herumschlagen. Wo endet deren „männliche Aufmerksamkeit“? Und wo beginnt Sexismus?
BONN Die Kanadierinnen Hanna ( Julia Garner) und Liv ( Jessica Henwick) genießen einen unbeschwerten Rucksack-Urlaub. Sie tanzen, trinken und flirten auf einem Boot in Sidney. Doch Livs gesperrte Kreditkarte setzt dem Spaß ein jähes Ende.
Anlässlich eines Work-&-TravelProgramms wollen die beiden deshalb als Barkeeperinnen im Outback die Urlaubskasse füllen. Die Vermittlungsagentur stellt sie aber schon mal auf etwas mehr „männliche Aufmerksamkeit“in dem Lokal ein, das überwiegend von Minenarbeitern besucht wird.
Die Ausgangssituation von „The Royal Hotel“könnte einer CultureClash-Komödie entstammen: Nach ihrer Ankunft in der Einöde müssen sich die Freundinnen nicht nur in einem knochenharten Job behaupten, sondern auch an den rauen und schnell anzüglichen Umgangston gewöhnen.
Im Gegensatz zur unbekümmerten Liv, die sich schnell an die widrigen Umstände anpasst, möchte Hanna am liebsten gleich wieder abreisen. Die Anspannung und Überforderung, die sich in ihren versteinerten Gesichtszügen abzeichnen, schlagen bald in nackte Angst um.
Von der australischen Dokumentation „Hotel Coolgardie“inspiriert, erzählt der Film von der Ernüchterung, die auf das Versprechen eines Abenteuers folgt. Obwohl die Lebensumstände der Provinzbewohner offensichtlich von Alkoholismus, Armut und Einsamkeit geprägt sind, interessiert sich Regisseurin
Kitty Green nur am Rande dafür, dass sich die Weltenbummlerinnen und die hoffnungslos im Niemandsland festsitzenden Arbeiter in dieser Hinsicht nicht auf Augenhöhe bewegen. Der Schauplatz ist vielmehr ein von der Moderne vergessener Ort, an dem beiläufiger Sexismus umso deutlicher hervortritt.
Wie in ihrem vorigen Film „The Assistant“, der aus der Perspektive einer Angestellten von Machtmissbrauch erzählt, spielt Kitty Green auch diesmal mit Thriller-Motiven, ohne sich der Eindeutigkeit einer Genre-Handlung zu verschreiben. Wenn der schmierige Sonderling Dolly (Daniel Henshall) im Gegenlicht auf die Tür der Mädchen zutorkelt, deutet Green eine Eskalation an, die letztlich nicht eintritt.
Der Film ist mitunter etwas lose strukturiert, was ihm erlaubt, sich stärker auf Figuren und Situationen zu konzentrieren. Durch die Isolation des Ortes und die Unberechenbarkeit der meist angetrunkenen Männer entwickelt sich indirekt ein bedrohliches Szenario.
Es sind häufig alltägliche Situationen, in denen sich das Unbehagen ausbreitet. Hanna sieht sich nicht mit offenkundigen Übergriffen konfrontiert, sondern mit zahlreichen kleinen Grenzüberschreitungen. Mal sind es Blondinen-Witze, mal ungelenke Flirtversuche oder starrende Blicke. Sobald Hanna sich zu einer emotionalen Reaktion hinreißen lässt, wird sofort darauf beharrt, dass alles nur Spaß gewesen sei. Sympathieträger gibt es hier wenige, aber selbst hinter den groben Säufern lässt „The Royal Hotel“ein menschliches Dilemma durchschimmern.
Barbetreiber Billy (Hugo Weaving) und seine Frau haben mit Geldsorgen und einer zerrütteten Ehe zu kämpfen, Muskelpaket Teeth ( James Frecheville) wird wegen seines unbeholfenen Umgangs mit Frauen von der johlenden Menge aufgezogen, und der junge Matty ( Toby Wallace) hat genug Charme, um Hannas Interesse zumindest für eine kurze Weile zu wecken.
Bei alldem zeigt Regisseurin Green, wie souverän sie das Spiel mit Ambivalenzen beherrscht – bis hin zu einem Ende, über das man diskutieren kann.
„The Royal Hotel“läuft in der Camera Zwo in Saarbrücken, im Originalton mit Untertiteln.