Scholz‘ vertrackte Beziehung zu den Bauern
Kanzler Olaf Scholz spricht am Donnerstag in Brandenburg erstmals mit den Bauernvertretern. Die sind weiter sauer, aber in der politischen Debatte scheint noch ein ein gewisser Spielraum offen. Die Parteichefs von SPD und Grünen jedenfalls setzen sich für
Die Traktoren in Cottbus sind auf dem Weg zum neuen Bahnwerk, doch dann wird ihre Kolonne gestoppt. Es gibt eine Umleitung. So ganz direkt vor Ort will man die Landwirte dann doch nicht haben. Denn der Kanzler ist nach Brandenburg gekommen, um dort das neue Bahnwerk für ICE-Züge zu eröffnen. Eigentlich. Doch das Land steht in den ersten Wochen des Jahres unter dem Eindruck der Proteste der Bauern. Und die sind massiv. So massiv, dass auch der Kanzler nicht umhinkommt, die Sparpläne seiner Regierung den Landwirten im persönlichen Dialog zu erklären.
„Es ist erkannt worden, dass jetzt – leider viel zu spät – in einen Dialog eingetreten wird, den wir schon lange, lange erwartet haben“, sagt dann auch Brandenburgs Landesbauernpräsident Henrik Wendorff nach dem Treffen. Scholz habe ihm gesagt, er werde mit Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) sprechen. Wendorff betont aber auch: „Das reicht nicht.“Damit werde er die Landwirte nicht von heute auf morgen von den Straßen bekommen. Als
Wendorff den Bauern sagt, Scholz habe trotz des knappen Zeitfensters mit ihm gesprochen, gibt es lautes Raunen und Rasseln. Auch das Wort „Feigling“fällt wiederholt. Wendorff begrüßt aber, dass Scholz einen Dialog begonnen habe, „den wir schon lange, lange erwartet haben“.
Der Zorn vieler Bauern richtet sich unvermindert gegen die Sparpläne der Bundesregierung, die Mitte Dezember im Zuge ihrer Haushaltseinigung unter anderem einen Wegfall der Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Maschinen angekündigt hatte. Zwar ist diese Subventionskürzung inzwischen wieder vom Tisch – weiterhin geplant ist aber eine schrittweise Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel.
Und das finden nicht nur die Bauernvertreter schwierig. Denn das Jahr 2024 hat es politisch in sich, das ist auch in den Ampel-Parteien allen bewusst. Besonders in der SPD gärt es. So präsentiert sich zum Auftakt einer Fraktionsklausur in Berlin der SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sehr selbstbewusst gegenüber der Regierung und seinem Kanzler. So haben die Fraktionschefs der Ampel-Koalition die Bauernverbände zu einem Gespräch am Montag gebeten, bevor Ende der kommenden Woche der Bundeshaushalt für das Jahr 2024 final festgezogen wird.
Mützenich schließt dann auch Änderungen an den Subventionskürzungen in den parlamentarischen Beratungen nicht aus. „Wir ziehen nichts durch, sondern wir diskutieren. Wir nehmen alle Argumente auf und am Ende entscheiden wir“, sagt er. Scholz selbst hatte noch am Montag gesagt, dass die Regierung trotz der Proteste zu ihren Kürzungsvorschlägen stehe. Mützenich erinnert nun daran, dass der Bundestag dabei das letzte Wort habe. „Wir schauen uns jetzt alle Vorschläge der Bundes
regierung an. Das ist nicht nur Tradition, sondern wohlverstandenes Eigeninteresse“, sagt er. Am Ende würden Entscheidungen in einer Demokratie von denjenigen getroffen, die von den Wählern ins Parlament gewählt worden sind. „Und dafür stehe ich auch ein.“
Vielen in der Partei ist nicht klar, warum der Konflikt in dieser Form heraufbeschworen wurde. Denn die Proteste „haben der Unzufriedenheit mit der Ampel nun ein Gesicht verliehen“, so drückt es ein Vorstandsmitglied aus.
SPD-Chef Lars Klingbeil versucht dann auch, den Blick zu weiten: „Wir sollten den Landwirten die Hand ausstrecken und gemeinsam mit den Verbänden in einem offenen Dialog über den Wandel der Landwirtschaft reden. Ich möchte, dass wir Strukturen der bäuerlichen Landwirtschaft in Deutschland aufrechterhalten und ländliche Räume stärken“, sagt er unserer Redaktion. „Dafür müssen wir über klimaneutrale Produktion, faire Löhne und die geänderten Anforderungen der Verbraucher reden. Und auch darüber, wie die Landwirte gegen die Marktmacht der Discounter mehr Einfluss auf die Preisgestaltung für Lebensmittel nehmen können. Die Antwort muss größer sein, als eine Debatte über Subventionen.“
Auch Grünen-Chefin Ricarda Lang zeigt sich offen für einen parteiübergreifenden Dialog mit den Landwirten, den zuvor NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) angeregt hatte. Es brauche Austausch und Verständigung zwischen Bundesund Landesebene und über Parteigrenzen hinweg, „damit wir einen gesamtgesellschaftlichen Konsens und gute Lösungen im Sinne der Betriebe und der Verbraucherinnen und Verbraucher finden“, betont die Grünen-Vorsitzende.
In der SPD ist die Stimmung geteilt. Manch ein Abgeordneter hat die Großgrundbesitzer unter den Bauern vor Augen, andere, vor allem aus ländlichen Wahlkreisen, sehen die Bauern im Recht – und wissen mächtige SPD-Ministerpräsidenten wie Niedersachsens Stephan Weil hinter sich. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat in diesem Jahr eine Wahl vor Augen: „Ich bin nach wie vor fest davon überzeugt, dass die Kürzungen, die vorgesehen waren, komplett zurückgenommen werden sollten.“Der Kanzler hat ein Problem. Und das geht weit über protestierende Bauern hinaus.