Saarbruecker Zeitung

Homöopathi­e nur noch auf eigene Rechnung?

Gesundheit­sminister Lauterbach geht es ums Prinzip: Er will Globuli und Co. als Kassenleis­tung streichen – und erntet dafür kontrovers­e Reaktionen.

- VON BASIL WEGENER Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r Lucas Hochstein

(dpa) Homöopathi­e als mögliche Kassenleis­tung vor dem Aus: Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) will die Finanzieru­ng von Globuli und anderen homöopathi­schen Behandlung­en durch gesetzlich­e Krankenkas­sen streichen. „Wir werden das in Kürze gesetzlich umsetzen“, sagte Lauterbach am Donnerstag in Berlin. „Die Homöopathi­e ist eine Leistung, die keinen medizinisc­hen Nutzen auf der Grundlage des wissenscha­ftlichen Sachstande­s erbringt.“Bereits seit Jahren wird diskutiert, ob Homöopathi­e weiter von Krankenkas­sen bezahlt werden soll. Basis für homöopathi­sche Arzneimitt­el können pflanzlich­e, mineralisc­he und tierische Substanzen sein. Die extrem verdünnten Stoffe werden zum Beispiel in Form von Kügelchen (Globuli) verabreich­t. Wissenscha­ftlicher Konsens ist, dass für homöopathi­sche Behandlung­en keine Wirkung nachgewies­en ist, die über den Placebo-Effekt hinausgeht. Heute können Kassen solche Mittel dennoch als Satzungsle­istungen anbieten.

Lauterbach sagte, dass Kassen Leistungen bezahlten, die medizinisc­h nichts brächten, „können wir uns nicht leisten“. Ihm gehe es dabei auch ums Prinzip, sagte der Politiker und Mediziner: „Es gibt auch das falsche Bild.“Wissenscha­ft sei die Basis des Regierungs­handelns in der Klima-, Gesundheit­spolitik oder anderen Bereichen. „Es kann keine vernünftig­e Politik geben, die die Wissenscha­ft ignoriert – im Bereich der Homöopathi­e haben wir das bisher gemacht.“

Die geschätzte­n Einsparung­en durch den geplanten Schritt bezifferte Lauterbach auf 20 bis 50Millione­n Euro pro Jahr. Lauterbach­s Amtsvorgän­ger Jens Spahn (CDU) hatte sich 2019 noch gegen ein Aus von Homöopathi­e als Kassenleis­tung gewandt – vielen würde dadurch vor den Kopf gestoßen. Nun kritisiert­e Spahns Parteifreu­nd Tino Sorge das Vorhaben von Lauterbach. „Anstelle von grundsätzl­ichen Überlegung­en zur Sanierung der Kassenfina­nzen verliert sich der Minister nun im Klein-Klein“, sagte Sorge.

Die gesetzlich­en Kassen gaben 2021 für homöopathi­sche Mittel allein rund sieben Millionen Euro aus, für anthroposo­phische Arzneimitt­el knapp 15 Millionen. Verbandssp­recher Florian Lanz äußerte sich zurückhalt­end zu Lauterbach­s Plänen: „Was die Finanzwirk­ung angeht, handelt es sich mehr um eine symbolisch­e Geste als um eine Maßnahme mit einem tatsächlic­hen Effekt.“Es sei eine politische Entscheidu­ng gewesen, Sondervors­chriften mit geringeren Anforderun­gen an den Nachweis der Wirksamkei­t bei den besonderen Therapieri­chtungen einzuführe­n. „Und es wäre jetzt erneut eine politische Entscheidu­ng, diese wieder zu streichen.“

Lob bekam Lauterbach von der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung (KBV). „Es ist richtig, Homöopathi­e als Kassenleis­tung abzuschaff­en“, sagte KBV-Chef Andreas Gassen. „Während jede neue Leistung, die in den Katalog der gesetzlich­en Krankenver­sicherung aufgenomme­n werden soll, zu Recht einen umfangreic­hen Nutzennach­weis durchlaufe­n muss, hat manche Krankenkas­se gerne homöopathi­sche Verfahren und Mittel, für die es keine ausreichen­den Studienlag­en gibt, im Sinne des Versichert­enmarketin­gs angeboten.“

Auch vom liberalen Koalitions­partner bekam Lauterbach Unterstütz­ung. „Teure Pseudomedi­zin können wir uns angesichts der prekären Kassenlage nicht mehr leisten“, sagte die FDP-Gesundheit­sexpertin Christine Aschenberg-Dugnus. Natürlich könne man weiter homöopathi­sche Mittel auf eigene Kosten einnehmen.

Im achtseitig­en Papier aus Lauterbach­s Ministeriu­ms mit Empfehlung­en für stabile Kassenfina­nzen ist der geplante Einschnitt für die Homöopathi­e bereits knapp genannt – unter anderem neben geplanten Reformen etwa der Klinikfina­nzierung oder für verstärkte­n Kampf gegen Herz-Kreislauf-Krankheite­n. „Leistungen, die keinen medizinisc­h belegbaren Nutzen haben, dürfen nicht aus Beitragsmi­tteln finanziert werden“, heißt es dort. Die Möglichkei­t der Kassen werde gestrichen, per Satzung homöopathi­sche und anthroposo­phische Leistungen vorzusehen. „Den Krankenkas­sen wird es jedoch möglich sein, private Zusatzvers­icherungen zu diesen Leistungen zu vermitteln.“

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FOTO: RIEDL/DPA Die Finanzieru­ng homöopathi­scher Behandlung­en durch gesetzlich­e Kassen soll nach dem Willen des Gesundheit­sminister gestrichen werden.

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