Homöopathie nur noch auf eigene Rechnung?
Gesundheitsminister Lauterbach geht es ums Prinzip: Er will Globuli und Co. als Kassenleistung streichen – und erntet dafür kontroverse Reaktionen.
(dpa) Homöopathie als mögliche Kassenleistung vor dem Aus: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Finanzierung von Globuli und anderen homöopathischen Behandlungen durch gesetzliche Krankenkassen streichen. „Wir werden das in Kürze gesetzlich umsetzen“, sagte Lauterbach am Donnerstag in Berlin. „Die Homöopathie ist eine Leistung, die keinen medizinischen Nutzen auf der Grundlage des wissenschaftlichen Sachstandes erbringt.“Bereits seit Jahren wird diskutiert, ob Homöopathie weiter von Krankenkassen bezahlt werden soll. Basis für homöopathische Arzneimittel können pflanzliche, mineralische und tierische Substanzen sein. Die extrem verdünnten Stoffe werden zum Beispiel in Form von Kügelchen (Globuli) verabreicht. Wissenschaftlicher Konsens ist, dass für homöopathische Behandlungen keine Wirkung nachgewiesen ist, die über den Placebo-Effekt hinausgeht. Heute können Kassen solche Mittel dennoch als Satzungsleistungen anbieten.
Lauterbach sagte, dass Kassen Leistungen bezahlten, die medizinisch nichts brächten, „können wir uns nicht leisten“. Ihm gehe es dabei auch ums Prinzip, sagte der Politiker und Mediziner: „Es gibt auch das falsche Bild.“Wissenschaft sei die Basis des Regierungshandelns in der Klima-, Gesundheitspolitik oder anderen Bereichen. „Es kann keine vernünftige Politik geben, die die Wissenschaft ignoriert – im Bereich der Homöopathie haben wir das bisher gemacht.“
Die geschätzten Einsparungen durch den geplanten Schritt bezifferte Lauterbach auf 20 bis 50Millionen Euro pro Jahr. Lauterbachs Amtsvorgänger Jens Spahn (CDU) hatte sich 2019 noch gegen ein Aus von Homöopathie als Kassenleistung gewandt – vielen würde dadurch vor den Kopf gestoßen. Nun kritisierte Spahns Parteifreund Tino Sorge das Vorhaben von Lauterbach. „Anstelle von grundsätzlichen Überlegungen zur Sanierung der Kassenfinanzen verliert sich der Minister nun im Klein-Klein“, sagte Sorge.
Die gesetzlichen Kassen gaben 2021 für homöopathische Mittel allein rund sieben Millionen Euro aus, für anthroposophische Arzneimittel knapp 15 Millionen. Verbandssprecher Florian Lanz äußerte sich zurückhaltend zu Lauterbachs Plänen: „Was die Finanzwirkung angeht, handelt es sich mehr um eine symbolische Geste als um eine Maßnahme mit einem tatsächlichen Effekt.“Es sei eine politische Entscheidung gewesen, Sondervorschriften mit geringeren Anforderungen an den Nachweis der Wirksamkeit bei den besonderen Therapierichtungen einzuführen. „Und es wäre jetzt erneut eine politische Entscheidung, diese wieder zu streichen.“
Lob bekam Lauterbach von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). „Es ist richtig, Homöopathie als Kassenleistung abzuschaffen“, sagte KBV-Chef Andreas Gassen. „Während jede neue Leistung, die in den Katalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen werden soll, zu Recht einen umfangreichen Nutzennachweis durchlaufen muss, hat manche Krankenkasse gerne homöopathische Verfahren und Mittel, für die es keine ausreichenden Studienlagen gibt, im Sinne des Versichertenmarketings angeboten.“
Auch vom liberalen Koalitionspartner bekam Lauterbach Unterstützung. „Teure Pseudomedizin können wir uns angesichts der prekären Kassenlage nicht mehr leisten“, sagte die FDP-Gesundheitsexpertin Christine Aschenberg-Dugnus. Natürlich könne man weiter homöopathische Mittel auf eigene Kosten einnehmen.
Im achtseitigen Papier aus Lauterbachs Ministeriums mit Empfehlungen für stabile Kassenfinanzen ist der geplante Einschnitt für die Homöopathie bereits knapp genannt – unter anderem neben geplanten Reformen etwa der Klinikfinanzierung oder für verstärkten Kampf gegen Herz-Kreislauf-Krankheiten. „Leistungen, die keinen medizinisch belegbaren Nutzen haben, dürfen nicht aus Beitragsmitteln finanziert werden“, heißt es dort. Die Möglichkeit der Kassen werde gestrichen, per Satzung homöopathische und anthroposophische Leistungen vorzusehen. „Den Krankenkassen wird es jedoch möglich sein, private Zusatzversicherungen zu diesen Leistungen zu vermitteln.“