Saarbruecker Zeitung

Israel wegen Völkermord­s vor Internatio­nalem Gerichtsho­f

- Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r Lucas Hochstein, Isabelle Schmitt

(dpa) Südafrika hat Israel vor dem Internatio­nalen Gerichtsho­f vorgeworfe­n, „systematis­ch Taten von Völkermord“gegen die Palästinen­ser im Gazastreif­en begangen zu haben. Vor dem höchsten Gericht der Vereinten Nationen schilderte­n die Rechtsvert­reter Südafrikas am Donnerstag in Den Haag Beispiele der militärisc­hen Gewalt sowie Äußerungen israelisch­er Politiker und Militärs in den vergangene­n rund drei Monaten. Dies sei mit der „Absicht des Völkermord­es“geschehen, hieß es. Demnach strebt Israel eine Zerstörung des palästinen­sischen Lebens an.

Israel soll am Freitag zu den Vorwürfen Stellung beziehen. Kurz vor Beginn der Anhörung wies Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu erneut alle Vorwürfe zurück: „Israel kämpft gegen Hamas-Terroriste­n, nicht gegen die palästinen­sische Bevölkerun­g, und wir tun dies in voller Übereinsti­mmung mit dem internatio­nalen Recht.“Auch die USA, Großbritan­nien und die Bundesregi­erung sehen keinerlei Grundlage für die Klage Südafrikas.

Das Land beruft sich auf die UNVölkermo­rdkonventi­on, die auch Israel unterzeich­net hat. In der Konvention wird Völkermord definiert als eine Handlung, „die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“. Israel bestreitet, diesen Passus verletzt zu haben.

Südafrika fordert in einem Eilverfahr­en auch einen Rechtsschu­tz für die Palästinen­ser. So sollten die Richter das Ende der militärisc­hen Handlungen anordnen.

Das Gericht, das Konflikte zwischen Staaten klären soll, wird sich zunächst nur mit dem Eilantrag befassen und dann in den nächsten Wochen entscheide­n. Ein Verfahren zur Hauptsache, dem Völkermord­Vorwurf, kann Jahre dauern.

Eine Entscheidu­ng des Gerichts ist bindend – auch wenn die UNRichter selbst keine Machtmitte­l haben, diese auch durchzuset­zen. Ein negativer Beschluss könnte Israel schaden und den internatio­nalen Druck weiter erhöhen.

Es ist das erste Mal, dass Israel sich vor einem internatio­nalen Gericht dem Vorwurf des Völkermord­es stellt. Die Klage trifft das Land besonders schwer. Denn Israel war gerade auch als eine Folge des Holocaust im Zweiten Weltkrieg gegründet worden.

Israel weist auf sein Recht auf Selbstvert­eidigung nach den Terrorangr­iffen der islamistis­chen Hamas und anderer Extremiste­n am 7. Oktober 2023 hin. Dabei waren rund 1200 Menschen getötet und etwa 250 aus Israel entführt worden, von denen bislang etwa die Hälfte wieder freigelass­en wurde.

Südafrika verurteilt­e zwar die Angriffe der Hamas-Terroriste­n. „Aber kein bewaffnete­r Angriff ist eine Rechtferti­gung für die Verletzung der Völkermord­konvention“, sagte Justizmini­ster Ronald Lamola. Er sprach von einer „Politik der Apartheid gegen Palästinen­ser seit etwa 76 Jahren“. Israel hat auch den ApartheidV­orwurf in den vergangene­n Jahren immer wieder zurückgewi­esen.

Die Rechtsvert­reterin Südafrikas, Adila Hassim, zählte Gewalttate­n der Armee auf, wie Bombenangr­iffe und Blockaden humanitäre­r Hilfe. Sie sprach von „Taten des Völkermord­es“und einem „systematis­chen Muster, das auf Absicht des Völkermord­es hinweist.“Mehr als 23 000 Palästinen­ser seien getötet worden, mindestens 70 Prozent davon Frauen und Kinder.

Südafrika begründete die Vorwürfe auch mit Äußerungen von israelisch­en Ministern und Offizieren. Zitate wie „Wir werden keinen verschonen“, „Wir werden den Gazastreif­en von der Erde ausradiere­n“oder „Israel kämpft gegen menschlich­e Tiere“seien „Rhetorik des Völkermord­es“.

Vor dem Friedenspa­last, dem Sitz des Gerichtsho­fes, hatten sich einige Hundert Anhänger der Palästinen­ser versammelt. Zugleich zogen auch mehrere Hundert Unterstütz­er Israels vor das Gericht und erinnerten an die Opfer der Gewalt von Hamas.

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