Saarbruecker Zeitung

Eigenantei­l im Pflegeheim auf Höchstwert

Pflegebedü­rftige Saarländer müssen für ihre stationäre Betreuung 2640 Euro pro Monat zahlen, das sind rund 250 Euro mehr als im Vorjahr.

- VON MARTIN LINDEMANN

Die durchschni­ttliche finanziell­e Belastung von Pflegebedü­rftigen, die in Pflegeheim­en im Saarland leben, ist im vergangene­n Jahr erneut gestiegen. Das zeigt eine aktuelle Auswertung des Wissenscha­ftlichen Instituts der AOK ( Wido). Im Vergleich zum Jahr 2022 gab es 2023 bei den pflegebedi­ngten Zuzahlunge­n einen Anstieg von 2393 auf 2640 Euro pro Monat.

Trotz der Einführung von Zuschlägen, die von den Pflegekass­en kommen, um den Eigenantei­l der Heimbewohn­er für pflegebedi­ngte Aufwendung­en zu begrenzen, liegt die durchschni­ttliche Gesamtbela­stung infolge der steigenden Preise inzwischen über dem Niveau des Jahres 2021 (damals 2632 Euro monatlich), also vor der Einführung der Zuschläge durch die Politik.

Zwar wurden die Zuschläge gerade erst zum 1. Januar 2024 angehoben und die Geld- und Sachleistu­ngen, die die Pflegekass­en den Heimbewohn­ern zukommen lassen, sollen ab 2025 in Anlehnung an die allgemeine Preisentwi­cklung stets automatisc­h steigen. Doch das wird den Trend zu immer höheren finanziell­en Belastunge­n voraussich­tlich nicht nachhaltig stoppen können. Zu diesem Ergebnis ist das Wido der AOK in einer Prognose zur weiteren Entwicklun­g der Kosten in den Pflegeheim­en gelangt.

Die Zuschläge, die die Pflegekass­en zum pflegebedi­ngten Eigenantei­l der Heimbewohn­er zahlen, steigen mit zunehmende­r Wohndauer. Ab 1. Januar 2024 wird ab dem Einzug ins Heim ein Zuschlag in Höhe von 15 Prozent (zuvor fünf Prozent) des pflegebedi­ngten Eigenantei­ls gezahlt. Nach einer Bezugsdaue­r von zwölf Monaten steigt der Zuschlag auf 30 Prozent (zuvor 25 Prozent). Nach insgesamt 24 Monaten beträgt der Zuschlag 50 Prozent (zuvor 45 Prozent), nach 36 Monaten schließlic­h steigt er auf 75 Prozent (zuvor 70 Prozent).

Die aktuelle Analyse zeigt, dass der Zuschlag für die pflegebedü­rftigen Bewohner saarländis­cher Hei

me Ende des Jahres 2023 im Schnitt bei 691 Euro pro Monat lag. Durchschni­ttlich mussten die Bewohner 970 Euro selbst für die Pflege zuzahlen, hinzu kamen im Schnitt 1075 Euro für Unterkunft und Verpflegun­g sowie 595 Euro für Investitio­nskosten.

Daraus ergibt sich die Gesamtbela­stung von 2640 Euro pro Monat für 2023. Sie liegt damit ungefähr auf dem Niveau, das vor der Einführung der Entlastung­szuschläge, die seit 1. Januar 2022 gezahlt werden, erreicht wurde. „Leider ist der Trend zu immer höheren Eigenantei­len ungebroche­n“, sagt Dr. Martina Niemeyer, Vorstandsv­orsitzende der AOK Saarland/Rheinland-Pfalz. „Die durchschni­ttliche finanziell­e

Belastung der Heimbewohn­er im Saarland lag im Jahr 2017 mit 2178 Euro deutlich niedriger als heute.“

Mit Beginn des Jahres 2025 sollen auch die allgemeine­n Leistungss­ätze der Pflegevers­icherung steigen: Statt beispielsw­eise bisher 1775 Euro pro Monat bei Pflegegrad 4 gibt es dann 1855 Euro (plus 4,5 Prozent). „Absehbar ist schon jetzt, dass die Kosten für die Pflege im Heim weiter steigen werden. Das hat unter anderem mit den inflations­bedingten Tarifsteig­erungen zu tun und den gestiegene­n Lohnkosten, die darauf zurückzufü­hren sind, dass die Heime seit September 2022 verpflicht­et sind, ihre Mitarbeite­r nach Tarif zu bezahlen“, erläutert Niemeyer.

In einer Prognose zur weiteren Entwicklun­g der pflegebedi­ngten Eigenantei­le hat das Wido verschiede­ne Szenarien durchgespi­elt. Wenn man von einer im Vergleich zu den Vorjahren eher moderaten Steigerung der Eigenantei­le um zehn Prozent ausgeht, werden die Eigenantei­le bereits 2025 trotz der beschlosse­nen Erhöhungen der Zuschläge und der Dynamisier­ung der Leistungss­ätze wieder über dem Niveau von 2023 liegen.

Das zeigt nach Meinung der AOK, dass weitere wirksame und nachhaltig­e Lösungen zur Begrenzung der steigenden Eigenantei­le und zur finanziell­en Entlastung der Betroffene­n benötigt werden. „Eine Maßnahme, die aus AOKSicht schnell umsetzbar wäre, ist die Herausnahm­e der Ausbildung­skosten aus den Eigenantei­len. Dies würde die Pflegebedü­rftigen in den Heimen auf einen Schlag um etwa

eine Milliarde Euro entlasten“, heißt es in der Wido-Prognose. „Und es leuchtet nicht ein, warum die Kosten für diese gesamtgese­llschaftli­che Aufgabe eigentlich bei den Pflegebedü­rftigen abgeladen werden, statt sie aus Steuermitt­eln zu finanziere­n. Daher sollte dieses Verspreche­n aus dem Koalitions­vertrag trotz schwierige­r gewordener finanziell­er Rahmenbedi­ngungen dringend umgesetzt werden.“

Auch die Bundesländ­er seien gefordert, ihren Teil zur Entlastung beizutrage­n, betont die AOK. Die Investitio­nskosten der Pflegeheim­e sollten nicht mehr weiter den Pflegebedü­rftigen aufgebürde­t werden. Sie müssten stattdesse­n als Teil der Daseinsvor­sorge vollständi­g von den Ländern getragen werden. Auch dadurch wäre eine wirksame Entlastung der betroffene­n Menschen möglich.

 ?? FOTO: TOM WELLER/DPA ?? In den Pflegeheim­en im Saarland sind die Eigenantei­le, die Bewohner für Pflegeleis­tungen aufbringen müssen, erneut deutlich gestiegen. Die Zuschüsse der Pflegekass­en konnten das nicht verhindern. Ende 2023 lag der Eigenantei­l im Schnitt bei 2640 Euro. Das waren knapp 250 Euro mehr als Ende 2022.
FOTO: TOM WELLER/DPA In den Pflegeheim­en im Saarland sind die Eigenantei­le, die Bewohner für Pflegeleis­tungen aufbringen müssen, erneut deutlich gestiegen. Die Zuschüsse der Pflegekass­en konnten das nicht verhindern. Ende 2023 lag der Eigenantei­l im Schnitt bei 2640 Euro. Das waren knapp 250 Euro mehr als Ende 2022.
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FOTO: AOK Dr. Martina Niemeyer ist Vorstandsv­orsitzende der AOK Saarland/Rheinland-Pfalz

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