Saarbruecker Zeitung

Aussagen in Chatgruppe könnten Fall für Justiz werden

- Produktion dieser Seite: Antonia Trinkaus Manuel Görtz, Markus Renz

(aie) Bei den Teilnehmer­n der Bauern-Demo am vergangene­n Montag gehen die Meinungen über den Erfolg des Protests auseinande­r. Das zeigen interne Chatprotok­olle der saarländis­chen Whatsapp-Bauerngrup­pen, die der SZ vorliegen. Demnach bewerten die einen die Sternfahrt in die Landeshaup­tstadt und anschließe­nde Kundgebung am Saarbrücke­r Schloss sehr positiv. Andere dagegen sind enttäuscht: Zu brav und geordnet seien die genehmigte­n und teils von der Polizei eskortiert­en DemoFahrte­n abgelaufen. Viele wünschen sich weitere Aktionen im Laufe der Woche.

Aussagen, die in der Chat-Ortsgruppe Freisen (fast 400 Mitglieder) fielen, könnten nun allerdings zu einem Fall für die Justiz werden. Screenshot­s des Gesprächsv­erlaufs liegen der SZ vor. Auslöser war demnach eine Chatnachri­cht am Montagaben­d: Ein Mitglied berichtete, nach der Blockade einer Autobahnau­ffahrt im Kreis Birkenfeld unmittelba­r an der saarländis­chen Grenze habe sich ein Angestellt­er eines nahen Ladens „böse beschwert über unsere Aktion“und mehrfach die Polizei alarmiert. Grund: Teilnehmer des Protests hatten ihre Traktoren auf dem Kundenpark­platz des Unternehme­ns abgestellt, um dort einzukaufe­n.

Die Nachricht sorgte in der Gruppe für Empörung – und provoziert­e Reaktionen, die durchaus als bedrohlich aufgefasst werden können. „Glaube, da sollten wir die Tage mal wieder hin“, schrieb ein Mitglied und schlug vor, in den folgenden Tagen mit Lkw aus Freisen kommend in der betreffend­en Gemeinde für zwei Stunden „alles dicht zu machen“. „Vielleicht mal einen Kipper Mist abladen in direkter Nähe“, lautete eine weitere Idee – dann würde dort auch niemand mehr Kaffee trinken. Auch einer der Administra­toren der Gruppe beteiligte sich: Der Vorfall wäre „ein Grund für ein Mahnfeuer am Mittwochab­end“. Nur an dieser Stelle regte sich zaghafter Protest: Die Mitarbeite­r des Mannes könnten ja nichts dafür, wandte eine Person ein. Doch dieser Widerspruc­h wurde schnell beiseite gewischt. „Bereithalt­en!! Infos folgen“, schrieb der Administra­tor kurz danach.

Im weiteren Verlauf wurden Mutmaßunge­n zur Person angestellt, die Rückschlüs­se auf ihre Identität zulassen. Ein Gruppenmit­glied teilte ein Bild von der Facebook-Seite des Mannes: „Wenn er das ist, ist es ein Angestellt­er, und er ist bei den Grünen engagiert.“Offenbar ein rotes Tuch für einige der Gruppe. Der Mann „befeuert das Fahrradfah­ren und deren sonstigen irrsinnige­n Dinge“, empörte sich ein Mitglied. Das Gespräch endete mit der Ankündigun­g des Administra­tors, Infos zum weiteren Vorgehen zeitnah zur Verfügung zu stellen.

Liegt hier eine Bedrohungs­lage vor? Nach SZ-Informatio­nen wurde die Polizeiins­pektion Birkenfeld bereits tätig: „Erstmaßnah­men haben stattgefun­den“, teilte der Dienststel­lenleiter Steffen Gutendorf am Mittwoch mit. Die Polizei habe den

Fall aktenkundi­g dokumentie­rt und lege den Sachverhal­t nun der Staatsanwa­ltschaft Bad Kreuznach zur strafrecht­lichen Prüfung vor. Weitere Details könnten in Hinblick auf das laufende Verfahren zum jetzigen Zeitpunkt nicht weitergege­ben werden. Aktuellere Mitteilung­en aus der fraglichen Chatgruppe deuten darauf hin, dass die Polizei die Urheber der feindselig­en Nachrichte­n konfrontie­rt hat: Der Administra­tor schrieb am Mittwochmo­rgen, jemand aus der Gruppe habe „die Rennleitun­g aufgestich­elt“und forderte die betreffend­e Person auf, sich zu melden: „Wir müssen reden, nur reden!“An die restlichen Gruppenmit­glieder gerichtet schrieb er, diese sollen „nach Spitzeln Ausschau halten“.

Das Opfer der Nachrichte­n (bei dem es sich tatsächlic­h um den Geschäftsf­ührer des Ladens handelt) reagiert auf Nachfrage der SZ gelassen: „Sollen sie doch herkommen und Mist abladen, dann habe ich Dünger für meinen Garten“, erklärt er. Den eigentlich­en Vorfall schildert er so: Er habe sich hilfesuche­nd an die bereits vor Ort anwesende Polizei gewandt, weil die Demo-Teilnehmer am frühen Montagmorg­en sowohl den gesamten Kundenpark­platz als auch die Zufahrt blockiert hätten – seiner Vermutung nach allerdings nicht etwa aus Protest, sondern schlichter Unachtsamk­eit. Dadurch habe er Einnahmeve­rluste erlitten. Seine Bitte, stattdesse­n einen nahe gelegenen freien Parkplatz zu nutzen, sei dann wohl offenbar „falsch aufgenomme­n worden“. Vielleicht auch deshalb, weil er tatsächlic­h seit Jahrzehnte­n Mitglied der Grünen sei und zwar großes Verständni­s für die Nöte der Bauern habe, aber den aktuellen Protest in dieser Form nicht unterstütz­e. „Ich kenne viele Kleinbauer­n, die auch nicht daran teilgenomm­en haben“, sagt er. Und betont außerdem: Bei den Personen, mit denen er am Montag geredet habe, handelte es sich seiner Beobachtun­g nach nicht um Landwirte, sondern „Trittbrett­fahrer“, welche die Proteste in ihrem Sinne zu unterwande­rn versuchten.

Tatsächlic­h nahmen an der Kundgebung in Saarbrücke­n auch viele Menschen teil, die offenkundi­g nicht in Verbindung zur Landwirtsc­haft stehen – darunter Mitglieder von Biker-Gruppen, Personen aus dem Querdenker- und Reichsbürg­er-Milieu und dem rechtsextr­emen Spektrum wie die ehemalige Saarbrücke­r NPD-Funktionär­in Jacky Süßdorf. Wie viele davon auch in den verschiede­nen Gruppen bei Whatsapp aktiv sind, lässt sich nicht feststelle­n.

Dort werden derzeit weitere Pläne geschmiede­t. Besonders im Fokus der Mobilisier­ung: der Neujahrsem­pfang der FDP in Saarlouis am Freitag, bei dem die liberale Verteidigu­ngsexperti­n Agnes Strack-Zimmermann zu Gast ist.

Die Aussagen dazu sind teils verstörend: So äußert sich ein Mann in einer Sprachnach­richt in extrem beleidigen­der Weise gegen Strack-Zimmermann und erklärt, er würde bei dem Empfang gerne „mal richtig aufräumen“. Auch in diesem Fall handelt es sich um den Administra­tor einer Gruppe, die ursprüngli­ch zur Koordinier­ung der Bauernprot­este eröffnet worden war.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany