Aussagen in Chatgruppe könnten Fall für Justiz werden
(aie) Bei den Teilnehmern der Bauern-Demo am vergangenen Montag gehen die Meinungen über den Erfolg des Protests auseinander. Das zeigen interne Chatprotokolle der saarländischen Whatsapp-Bauerngruppen, die der SZ vorliegen. Demnach bewerten die einen die Sternfahrt in die Landeshauptstadt und anschließende Kundgebung am Saarbrücker Schloss sehr positiv. Andere dagegen sind enttäuscht: Zu brav und geordnet seien die genehmigten und teils von der Polizei eskortierten DemoFahrten abgelaufen. Viele wünschen sich weitere Aktionen im Laufe der Woche.
Aussagen, die in der Chat-Ortsgruppe Freisen (fast 400 Mitglieder) fielen, könnten nun allerdings zu einem Fall für die Justiz werden. Screenshots des Gesprächsverlaufs liegen der SZ vor. Auslöser war demnach eine Chatnachricht am Montagabend: Ein Mitglied berichtete, nach der Blockade einer Autobahnauffahrt im Kreis Birkenfeld unmittelbar an der saarländischen Grenze habe sich ein Angestellter eines nahen Ladens „böse beschwert über unsere Aktion“und mehrfach die Polizei alarmiert. Grund: Teilnehmer des Protests hatten ihre Traktoren auf dem Kundenparkplatz des Unternehmens abgestellt, um dort einzukaufen.
Die Nachricht sorgte in der Gruppe für Empörung – und provozierte Reaktionen, die durchaus als bedrohlich aufgefasst werden können. „Glaube, da sollten wir die Tage mal wieder hin“, schrieb ein Mitglied und schlug vor, in den folgenden Tagen mit Lkw aus Freisen kommend in der betreffenden Gemeinde für zwei Stunden „alles dicht zu machen“. „Vielleicht mal einen Kipper Mist abladen in direkter Nähe“, lautete eine weitere Idee – dann würde dort auch niemand mehr Kaffee trinken. Auch einer der Administratoren der Gruppe beteiligte sich: Der Vorfall wäre „ein Grund für ein Mahnfeuer am Mittwochabend“. Nur an dieser Stelle regte sich zaghafter Protest: Die Mitarbeiter des Mannes könnten ja nichts dafür, wandte eine Person ein. Doch dieser Widerspruch wurde schnell beiseite gewischt. „Bereithalten!! Infos folgen“, schrieb der Administrator kurz danach.
Im weiteren Verlauf wurden Mutmaßungen zur Person angestellt, die Rückschlüsse auf ihre Identität zulassen. Ein Gruppenmitglied teilte ein Bild von der Facebook-Seite des Mannes: „Wenn er das ist, ist es ein Angestellter, und er ist bei den Grünen engagiert.“Offenbar ein rotes Tuch für einige der Gruppe. Der Mann „befeuert das Fahrradfahren und deren sonstigen irrsinnigen Dinge“, empörte sich ein Mitglied. Das Gespräch endete mit der Ankündigung des Administrators, Infos zum weiteren Vorgehen zeitnah zur Verfügung zu stellen.
Liegt hier eine Bedrohungslage vor? Nach SZ-Informationen wurde die Polizeiinspektion Birkenfeld bereits tätig: „Erstmaßnahmen haben stattgefunden“, teilte der Dienststellenleiter Steffen Gutendorf am Mittwoch mit. Die Polizei habe den
Fall aktenkundig dokumentiert und lege den Sachverhalt nun der Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach zur strafrechtlichen Prüfung vor. Weitere Details könnten in Hinblick auf das laufende Verfahren zum jetzigen Zeitpunkt nicht weitergegeben werden. Aktuellere Mitteilungen aus der fraglichen Chatgruppe deuten darauf hin, dass die Polizei die Urheber der feindseligen Nachrichten konfrontiert hat: Der Administrator schrieb am Mittwochmorgen, jemand aus der Gruppe habe „die Rennleitung aufgestichelt“und forderte die betreffende Person auf, sich zu melden: „Wir müssen reden, nur reden!“An die restlichen Gruppenmitglieder gerichtet schrieb er, diese sollen „nach Spitzeln Ausschau halten“.
Das Opfer der Nachrichten (bei dem es sich tatsächlich um den Geschäftsführer des Ladens handelt) reagiert auf Nachfrage der SZ gelassen: „Sollen sie doch herkommen und Mist abladen, dann habe ich Dünger für meinen Garten“, erklärt er. Den eigentlichen Vorfall schildert er so: Er habe sich hilfesuchend an die bereits vor Ort anwesende Polizei gewandt, weil die Demo-Teilnehmer am frühen Montagmorgen sowohl den gesamten Kundenparkplatz als auch die Zufahrt blockiert hätten – seiner Vermutung nach allerdings nicht etwa aus Protest, sondern schlichter Unachtsamkeit. Dadurch habe er Einnahmeverluste erlitten. Seine Bitte, stattdessen einen nahe gelegenen freien Parkplatz zu nutzen, sei dann wohl offenbar „falsch aufgenommen worden“. Vielleicht auch deshalb, weil er tatsächlich seit Jahrzehnten Mitglied der Grünen sei und zwar großes Verständnis für die Nöte der Bauern habe, aber den aktuellen Protest in dieser Form nicht unterstütze. „Ich kenne viele Kleinbauern, die auch nicht daran teilgenommen haben“, sagt er. Und betont außerdem: Bei den Personen, mit denen er am Montag geredet habe, handelte es sich seiner Beobachtung nach nicht um Landwirte, sondern „Trittbrettfahrer“, welche die Proteste in ihrem Sinne zu unterwandern versuchten.
Tatsächlich nahmen an der Kundgebung in Saarbrücken auch viele Menschen teil, die offenkundig nicht in Verbindung zur Landwirtschaft stehen – darunter Mitglieder von Biker-Gruppen, Personen aus dem Querdenker- und Reichsbürger-Milieu und dem rechtsextremen Spektrum wie die ehemalige Saarbrücker NPD-Funktionärin Jacky Süßdorf. Wie viele davon auch in den verschiedenen Gruppen bei Whatsapp aktiv sind, lässt sich nicht feststellen.
Dort werden derzeit weitere Pläne geschmiedet. Besonders im Fokus der Mobilisierung: der Neujahrsempfang der FDP in Saarlouis am Freitag, bei dem die liberale Verteidigungsexpertin Agnes Strack-Zimmermann zu Gast ist.
Die Aussagen dazu sind teils verstörend: So äußert sich ein Mann in einer Sprachnachricht in extrem beleidigender Weise gegen Strack-Zimmermann und erklärt, er würde bei dem Empfang gerne „mal richtig aufräumen“. Auch in diesem Fall handelt es sich um den Administrator einer Gruppe, die ursprünglich zur Koordinierung der Bauernproteste eröffnet worden war.