Wie man als Kammerzofe 300 Jahre alt wird
In Blieskastel, Homburg und Saarbrücken kennt man sie als historisch gewandete Stadtführerin. Die Rolle füllt Monika Link, die ursprünglich aus dem Ruhrgebiet kommt, mit viel Herzblut. Sie ist Schauspielerin, Regisseurin und Requisiteurin zugleich.
„Was meinen Sie, wie oft ich schon während der französischen Revolution gestorben bin?“, fragt Monika Link. Nein, nicht in ihrer bekanntesten Rolle als Kammerzofe Henrietta in der Barockstadt Blieskastel, sondern am Staatstheater Saarbrücken in „Dantons Tod“von Georg Büchner. Dort wagte die gebürtige Hagenerin ihre ersten darstellerischen Schritte. Sie bewarb sich als Statistin, nahm Schauspielunterricht und bekam Sprechrollen. „Es war fantastisch. Da war ich genau in meiner Welt“, erinnert sich Monika Link.
„Ich bin nicht als Kammerzofe auf die Welt gekommen“, erzählt sie und lächelt. Nach der Schule wird ganz seriös eine Banklehre absolviert. „Das war ein schöner Job, aber ehrlich gesagt auch langweilig.“Ihr großer Wunsch ist, Schauspielerin zu sein. Und den erfüllt sie sich, nachdem ihre Kinder aus dem Gröbsten raus sind, 300 Kilometer südlich von Hagen – im Saarland.
1993 zieht sie mit ihrer Familie aus der Ruhrpott-Stadt nach Zweibrücken, wo ihr Mann eine Stelle annimmt. „Das war das Beste, was uns passieren konnte. Das Schwierigste hier war aber der Dialekt“, erinnert sie sich. „Das war wie eine Fremdsprache. Unsere beiden Jungs haben damals gesagt, die sprechen ja gar kein Deutsch hier.
Eines ist uns aufgefallen: In jedem zweiten Satz kommt das Wort ,ebbes' vor. Zum Beispiel: Ebbes bringt was, ebbes macht was.“Schließlich erkundigt sie sich, wer denn dieser ominöse Ebbes sei. Man klärt sie auf, dass es sich nicht um eine Person, sondern schlicht und einfach um die Dialektform von dem Wort „etwas“handelt. Damit beginnt sich der Knoten des Unverständnisses zu lockern.
Neben der Leidenschaft für die Schauspielerei, die sie am Staatstheater ausleben kann, fasziniert Monika Link die reiche Geschichte unserer Region. Dazu kommt ihre zweite Leidenschaft, das Nähen von Kleidern. Drei Faktoren, die sozusagen die Voraussetzungen für die Entstehung der Kammerzofe Henrietta sind.
2009 liest sie in der Zeitung, dass von der Stadt Zweibrücken eine Gästeführerausbildung angeboten wird. Sie meldet sich an. „Ich habe dann noch eine Ausbildung
in Homburg gemacht und bin jetzt zertifizierte Stadtführerin und Wanderführerin. Und dann dachte ich, was gibt es Schöneres, als sein eigenes Bühnenstück zu veranstalten? Ich brauche nur die passende Büh
ne, alles andere mache ich selbst. Das Drehbuch schreibe ich selbst, und den Charakter entwerfe ich selbst.“
Beim Theater hat sie gelernt, dass man, bevor man eine Rolle spielen
kann, eine Charakterstudie machen muss. „Henrietta war früher dienstbeflissen und eifrig“, beschreibt sie ihr Alter Ego, „und sehr neugierig, aber sie durfte niemals etwas sagen. Eine Kammerzofe ist Zeit ihres
Lebens zur Verschwiegenheit verpflichtet. Aber jetzt ist sie die einzige Überlebende, und jetzt verrät sie alles.“Die Gewänder schneidert Monika Link selbst und hält sich auch hier an die originäre Machart. Es gibt keinen Reißverschluss und kein Gummiband.
Die Bühne findet sich wie selbstverständlich, denn so schwärmt Monika Link: „Blieskastel ist die am besten erhaltene Barockstadt des Saarlandes. Da hatte ich meine Bühne. Dann habe ich hier im Tourismusbüro vorgesprochen, ob sie eine Kammerzofe gebrauchen können.“Seitdem veranstaltet Monika Link als gräfliche Kammerzofe Henrietta ihre Touren durch das Blieskastel der gräflichen Zeit.
Besonderer Beliebtheit erfreut sich ihre kulinarisch-kriminelle Stadtführung „Mord mit Aussicht und der Käse ist gegessen.“Dabei erzählt sie unter anderem von dem Giftmord an Simon von der Leyen, der mittels eines mit Eisenhut vergifteten Käses das Zeitliche gesegnet hat. 2024, so verrät sie, geht es in Blieskastel mörderisch weiter. „Klappe zu, Gatte tot…“wird die neue Führung, die auch ein Mitmachkrimi ist, heißen. Und selbstredend werden wieder historische Ereignisse den Hintergrund zu diesen Veranstaltungen bilden.
Henrietta ist in Blieskastel eine gräfliche Kammerzofe. „Jedoch“, erklärt Link kleine wie feine Unterschiede: „In Homburg, wo ich auch Führungen mache, bin ich eine herzogliche Kammerzofe. Und ich mache auch in Saarbrücken Führungen. Da bin ich eine fürstliche Kammerzofe.“
„Geheimnisse einer Kammerzofe“heißt es in Saarbrücken, und „Mord im Edelhaus“nennt sich die Veranstaltung in HomburgSchwarzenacker. In der Gemäldegalerie des Edelhauses sind auch einige ihrer selbstgeschneiderten, historischen Kleider als Dauerleihgabe ausgestellt.
Neben der Henrietta verkörpert sie im Auftrag der Homburger Siebenpfeifer-Stiftung seit 2012 auch die Gattin des Journalisten, Demokraten und Kämpfers für die deutsche Einheit, Johann August Georg Wirth – Regina Wirth.
Doch gleich in welcher Stadt oder unter welchem Motto sie ihre Führungen macht, das höchste Lob ist, wenn die Leute sagen: „Sie haben uns in eine ganz andere Zeit versetzt. Wir waren so richtig dabei.“
Wie alt sie selbst ist, verrät Monika Link nicht. Henrietta jedenfalls ist 300 Jahre alt. Wie die Kammerzofe ein so hohes Alter erreichen konnte, ist ein Geheimnis, dem Monika Link, so berichtet sie mit einem Augenzwinkern, auf die Spur gekommen ist.
„Ich habe in den vielen Geschichtsbüchern, die ich gelesen, und in den vielen Archiven, die ich auf Links gedreht habe, etwas gefunden – und damit kann man erklären, wie man 300 Jahre alt wird.“Und dieses Geheimnis verrät sie nur zum Ende einer Führung.