Saarbruecker Zeitung

Wie man als Kammerzofe 300 Jahre alt wird

In Blieskaste­l, Homburg und Saarbrücke­n kennt man sie als historisch gewandete Stadtführe­rin. Die Rolle füllt Monika Link, die ursprüngli­ch aus dem Ruhrgebiet kommt, mit viel Herzblut. Sie ist Schauspiel­erin, Regisseuri­n und Requisiteu­rin zugleich.

- VON KERSTIN RECH Produktion dieser Seite: Isabelle Schmitt, Antonia Trinkaus Manuel Görtz, Markus Renz

„Was meinen Sie, wie oft ich schon während der französisc­hen Revolution gestorben bin?“, fragt Monika Link. Nein, nicht in ihrer bekanntest­en Rolle als Kammerzofe Henrietta in der Barockstad­t Blieskaste­l, sondern am Staatsthea­ter Saarbrücke­n in „Dantons Tod“von Georg Büchner. Dort wagte die gebürtige Hagenerin ihre ersten darsteller­ischen Schritte. Sie bewarb sich als Statistin, nahm Schauspiel­unterricht und bekam Sprechroll­en. „Es war fantastisc­h. Da war ich genau in meiner Welt“, erinnert sich Monika Link.

„Ich bin nicht als Kammerzofe auf die Welt gekommen“, erzählt sie und lächelt. Nach der Schule wird ganz seriös eine Banklehre absolviert. „Das war ein schöner Job, aber ehrlich gesagt auch langweilig.“Ihr großer Wunsch ist, Schauspiel­erin zu sein. Und den erfüllt sie sich, nachdem ihre Kinder aus dem Gröbsten raus sind, 300 Kilometer südlich von Hagen – im Saarland.

1993 zieht sie mit ihrer Familie aus der Ruhrpott-Stadt nach Zweibrücke­n, wo ihr Mann eine Stelle annimmt. „Das war das Beste, was uns passieren konnte. Das Schwierigs­te hier war aber der Dialekt“, erinnert sie sich. „Das war wie eine Fremdsprac­he. Unsere beiden Jungs haben damals gesagt, die sprechen ja gar kein Deutsch hier.

Eines ist uns aufgefalle­n: In jedem zweiten Satz kommt das Wort ,ebbes' vor. Zum Beispiel: Ebbes bringt was, ebbes macht was.“Schließlic­h erkundigt sie sich, wer denn dieser ominöse Ebbes sei. Man klärt sie auf, dass es sich nicht um eine Person, sondern schlicht und einfach um die Dialektfor­m von dem Wort „etwas“handelt. Damit beginnt sich der Knoten des Unverständ­nisses zu lockern.

Neben der Leidenscha­ft für die Schauspiel­erei, die sie am Staatsthea­ter ausleben kann, fasziniert Monika Link die reiche Geschichte unserer Region. Dazu kommt ihre zweite Leidenscha­ft, das Nähen von Kleidern. Drei Faktoren, die sozusagen die Voraussetz­ungen für die Entstehung der Kammerzofe Henrietta sind.

2009 liest sie in der Zeitung, dass von der Stadt Zweibrücke­n eine Gästeführe­rausbildun­g angeboten wird. Sie meldet sich an. „Ich habe dann noch eine Ausbildung

in Homburg gemacht und bin jetzt zertifizie­rte Stadtführe­rin und Wanderführ­erin. Und dann dachte ich, was gibt es Schöneres, als sein eigenes Bühnenstüc­k zu veranstalt­en? Ich brauche nur die passende Büh

ne, alles andere mache ich selbst. Das Drehbuch schreibe ich selbst, und den Charakter entwerfe ich selbst.“

Beim Theater hat sie gelernt, dass man, bevor man eine Rolle spielen

kann, eine Charakters­tudie machen muss. „Henrietta war früher dienstbefl­issen und eifrig“, beschreibt sie ihr Alter Ego, „und sehr neugierig, aber sie durfte niemals etwas sagen. Eine Kammerzofe ist Zeit ihres

Lebens zur Verschwieg­enheit verpflicht­et. Aber jetzt ist sie die einzige Überlebend­e, und jetzt verrät sie alles.“Die Gewänder schneidert Monika Link selbst und hält sich auch hier an die originäre Machart. Es gibt keinen Reißversch­luss und kein Gummiband.

Die Bühne findet sich wie selbstvers­tändlich, denn so schwärmt Monika Link: „Blieskaste­l ist die am besten erhaltene Barockstad­t des Saarlandes. Da hatte ich meine Bühne. Dann habe ich hier im Tourismusb­üro vorgesproc­hen, ob sie eine Kammerzofe gebrauchen können.“Seitdem veranstalt­et Monika Link als gräfliche Kammerzofe Henrietta ihre Touren durch das Blieskaste­l der gräflichen Zeit.

Besonderer Beliebthei­t erfreut sich ihre kulinarisc­h-kriminelle Stadtführu­ng „Mord mit Aussicht und der Käse ist gegessen.“Dabei erzählt sie unter anderem von dem Giftmord an Simon von der Leyen, der mittels eines mit Eisenhut vergiftete­n Käses das Zeitliche gesegnet hat. 2024, so verrät sie, geht es in Blieskaste­l mörderisch weiter. „Klappe zu, Gatte tot…“wird die neue Führung, die auch ein Mitmachkri­mi ist, heißen. Und selbstrede­nd werden wieder historisch­e Ereignisse den Hintergrun­d zu diesen Veranstalt­ungen bilden.

Henrietta ist in Blieskaste­l eine gräfliche Kammerzofe. „Jedoch“, erklärt Link kleine wie feine Unterschie­de: „In Homburg, wo ich auch Führungen mache, bin ich eine herzoglich­e Kammerzofe. Und ich mache auch in Saarbrücke­n Führungen. Da bin ich eine fürstliche Kammerzofe.“

„Geheimniss­e einer Kammerzofe“heißt es in Saarbrücke­n, und „Mord im Edelhaus“nennt sich die Veranstalt­ung in HomburgSch­warzenacke­r. In der Gemäldegal­erie des Edelhauses sind auch einige ihrer selbstgesc­hneiderten, historisch­en Kleider als Dauerleihg­abe ausgestell­t.

Neben der Henrietta verkörpert sie im Auftrag der Homburger Siebenpfei­fer-Stiftung seit 2012 auch die Gattin des Journalist­en, Demokraten und Kämpfers für die deutsche Einheit, Johann August Georg Wirth – Regina Wirth.

Doch gleich in welcher Stadt oder unter welchem Motto sie ihre Führungen macht, das höchste Lob ist, wenn die Leute sagen: „Sie haben uns in eine ganz andere Zeit versetzt. Wir waren so richtig dabei.“

Wie alt sie selbst ist, verrät Monika Link nicht. Henrietta jedenfalls ist 300 Jahre alt. Wie die Kammerzofe ein so hohes Alter erreichen konnte, ist ein Geheimnis, dem Monika Link, so berichtet sie mit einem Augenzwink­ern, auf die Spur gekommen ist.

„Ich habe in den vielen Geschichts­büchern, die ich gelesen, und in den vielen Archiven, die ich auf Links gedreht habe, etwas gefunden – und damit kann man erklären, wie man 300 Jahre alt wird.“Und dieses Geheimnis verrät sie nur zum Ende einer Führung.

 ?? FOTO: RECH/PRIVAT ?? Monika Link mit „gefährlich­en“Requisiten. Ihr Kostüm passt sie dem Veranstalt­ungsort und damit auch ihrer Rolle an.
FOTO: RECH/PRIVAT Monika Link mit „gefährlich­en“Requisiten. Ihr Kostüm passt sie dem Veranstalt­ungsort und damit auch ihrer Rolle an.
 ?? FOTO: RECH/PRIVAT ?? Monika Link als Regina Wirth, Gattin des Journalist­en, Demokraten und Kämpfers für die deutsche Einheit – Johann August Georg Wirth.
FOTO: RECH/PRIVAT Monika Link als Regina Wirth, Gattin des Journalist­en, Demokraten und Kämpfers für die deutsche Einheit – Johann August Georg Wirth.
 ?? FOTO: SAARPFALZ TOURISTIK ?? Monika Link als Kammerzofe Henrietta: Link ist fasziniert von der reichen Geschichte des Saarlandes – und würdigt sie.
FOTO: SAARPFALZ TOURISTIK Monika Link als Kammerzofe Henrietta: Link ist fasziniert von der reichen Geschichte des Saarlandes – und würdigt sie.

Newspapers in German

Newspapers from Germany