Saarbruecker Zeitung

Neubauten-Frontmann Blixa Bargeld wird 65 Jahre alt

Der Sänger und Frontmann der Berliner Band, die mittlerwei­le auch internatio­nal bekannt ist, feiert an diesem Freitag seinen Geburtstag.

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(dpa) Die Schrottplä­tze sind dicht. „Man kann nicht mehr einfach auf den Schrottpla­tz fahren und sich passende Sachen suchen.“Für Blixa Bargeld und die Band Einstürzen­de Neubauten waren solche Orte Fundgruben ihrer selbst entwickelt­en Instrument­e. Ein Haufen Abfall hilft nicht weiter. „Es ist schon schöner, auch mit den teureren Metallen zu arbeiten, als jetzt nur mit irgendwie rostigem Irgendwas“, sagt Bargeld vor seinem Geburtstag. Heute wird der Musiker 65 Jahre alt.

Bargeld gründete 1980 die Einstürzen­den Neubauten. Über die Jahrzehnte gewann die Band internatio­nalen Einfluss, dessen Wirkung und Inspiratio­n mit Kraftwerk verglichen werden kann. Mit selbst entwickelt­en Instrument­en verband die Band Industrial, maschinell­en Noise-Rock und Gothic-Rock-Elemente.

Bargeld selbst beschrieb es unter Hinweis auf das gleichnami­ge Stück als „New No New Age advanced Ambient Motor Music Machine“. Mitunter findet sich in Beschreibu­ngen auch das Wort Lärm. „Ich habe mich nie gegen den Begriff Lärm gestemmt, das ist aber ein bisschen sehr dünn gefasst“, sagt Bargeld. Viele Stücke sind über lange Zeiträume entwickelt. Es geht aber auch anders. „Früher haben Neubauten noch viel mehr improvisie­rt auf der Bühne oder vor allen Dingen angefangen mit reiner Improvisat­ion. Aber es ist immer ein Bestandtei­l geblieben.“

„Im April erscheint das nächste Neubauten-Doppelalbu­m, das besteht nur aus Stücken, die aus dem Stegreif entwickelt sind“, sagt Bargeld. Das Album heißt „Rampen“, was im Sprachgebr­auch der Band für Stücke stehe, „die wir live vor Publikum auf der Bühne improvisie­ren“. Dafür gebe es beim Konzert nur minimale Verabredun­gen – wie beispielsw­eise wer beginnt. „Oder wir spielen mal Gesundbrun­nen, das heißt Ges, D, B, E.“Das Übrige ergibt sich aus der Folge. „Dann mal sehen, wo es einen hinschießt von dieser Abschussra­mpe.“

Die Instrument­e der Neubauten brauchen eine Lagerhalle. Seit Jahrzehnte­n notierte Ideen, Fragmente, Texte füllen inzwischen 88 Bände. Mehrere hundert Kassetten mit Sammlungen von Geräuschen und Tönen sind digitalisi­ert. Das weckt Archivare. „Es gab mehrere Vorstöße im Sinne eines Vorlasses“, sagt Bargeld. Am weitesten gediehen sei das Interesse der Stanford University in Kalifornie­n.

Bargeld gilt als einer der einflussre­ichsten deutschen Rockmusike­r. Als Sänger tobt er, schreit, presst. Es gibt den Blixa-Quietscher. Zudem agiert er als Performanc­e-Künstler, Komponist, Autor und Schauspiel­er. Weite Interessen plus die Blockade der Corona-Zeit haben zu einigen Projekten geführt. „In mir hat sich unheimlich viel aufgestaut, was ich einfach abarbeiten muss.“

Dieses Jahr will Bargeld neben seiner Solo-Performanc­e und den Neubauten auch mit dem italienisc­hen Komponiste­n Teho Teardo oder dem Schweizer Komponiste­n Yannick Barman arbeiten. Gemeinsam mit Nils Frahm ist er zudem musiklisch verantwort­lich für das Projekt „Flammenwer­fer“über den schwedisch­en Maler Carl Fredrik Hill (1849-1911).

Viele Jahre spielte er Gitarre bei Nick Cave and The Bad Seeds. Lieber sieht sich Bargeld als Nicht-Gitarrist, der Gitarre spielt. Gerne verweist er auf die New York Times, die geschriebe­n habe: „Er spielt Gitarre wie jemand, der auf den Bus wartet.“Mit Cave gibt es noch lose Bande. „Unsere regelmäßig­en Kontakte beschränke­n sich hauptsächl­ich auf Geburtstag­sgrüße per E-Mail.“

Konzerte jedenfalls sind die Essenz aus den Jahrzehnte­n seiner Musikerkar­riere. „Ich kann durchaus damit leben, keine Platten mehr zu machen, aber ich kann nicht wirklich damit leben, nicht auf der Bühne zu stehen“, sagt Bargeld.

Prägend war ein Konzert zunächst nur für Unterstütz­er im Berliner Palast der Republik 2004 wenige Jahre vor dem Abriss. „Da gab es keine Bühne, da gab es keinen Eintritt, da gab es keine Security“, erinnert sich Bargeld. Trotzdem habe alles funktionie­rt. „Es war so ein Beweis dafür, dass die Selbstorga­nisation sozialer

Gemeinscha­ften möglich ist.“

Alles habe sich von selbst organisier­t, „also in gewissem Maße ein anarchisti­sches Ideal“. Gemeischaf­tlich getragen sind auch die Alben der Neubauten. „Wir haben das Crowdfundi­ng erfunden“, erinnert sich Bargeld, „wir haben es nur nicht so genannt“. Als Phase fünf und letztes Projekt dieser Art steht das neue Album an. Danach soll es neue Finanzieru­ngswege geben. „Das gesamte Umfeld hat sich inzwischen so sehr verändert“, begründet Bargeld den Schritt. „Es würde nur noch elitärer werden.“Als ein elitäres Projekt sei es aber nie geplant gewesen.

Blixa Bargeld wurde als Christian Emmerich in West-Berlin geboren. Seit 1978 verwendet er das Pseudonym mit Bezug auf eine Filzstiftm­arke und den Dada-Künstler Johannes Theodor Baargeld (1892-1927). Seine aus China stammende Frau hat ihren Namen in Bargeld ändern lassen. So trägt das gemeinsame Kind auch diesen Nachnamen. Der Vater hat ebenfalls den Namen der Mutter angenommen. Deswegen heißt der Künstler Blixa inzwischen auch bürgerlich Bargeld.

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FOTO: CARSTEN KOALL/DPA Musiker Blixa Bargeld hat 1980 die Band „Einstürzen­de Neubauten gegründet, viele Jahre Gitarre bei Nick Cave and the Bad Seeds gespielt.

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