Saarbruecker Zeitung

Harald Beikirch holt große Kunst aus der Dose

Völklingen hat jetzt ein zweites Wandgemäld­e des Street-Art-Künstlers Hendrik Beikirch. Und das wirkt schon fast etwas klein.

- VON MARCO REUTHER

Es wird wohl keinen Völklinger geben und auch keinen Besucher des Weltkultur­erbes, dem das Porträt von Kaya Urhan noch nicht ins Auge gesprungen ist – und das mit ordentlich­er Wucht. Im Jahr 2022 hatte der bekannte Street-Art und Graffiti-Künstler Hendrik Beikirch das riesige Bildnis des damals 85-jährigen ehemaligen Gastarbeit­ers an die Wand der einstigen Strangguss­anlage gesprüht. Das Bild misst mehr als 700 Quadratmet­er, ist 25 Meter hoch und 24 Meter breit.

Ganz so hoch ist Beikirchs neues Werk in Völklingen nicht – aber dennoch imposant. Der Künstler hat gewisserma­ßen kleine Geschwiste­r zum Hüttenarbe­iter geschaffen, und zwar an der Seitenwand des Gebäudes Rathausstr­aße 30, dem kleinen benachbart­en Park zugewandt. Zu sehen sind eine Arbeiterin und zwei Arbeiter, alle mit Helm und von der Kleidung her sowohl aus unseren als auch aus vergangene­n Tagen stammend. „Das Kunstwerk wird einen direkten Bezug zu Völklingen haben und die städtische Identität auf einzigarti­ge Weise widerspieg­eln“, hieß es schon im Vorfeld in der Ankündigun­g des City-Management­s. Am Donnerstag­nachmittag wurde die Arbeit bei einem Presseterm­in vorgestell­t, an diesem Freitag wird der Künstler noch mit den letzten Arbeiten an dem Bild beschäftig­t sein.

Auf gewisse Weise war dieses kleinere Bild eine größere Herausford­erung als das 25-Meter-Gemälde, schildert Beikirch, denn das große Bild muss seine Wirkung ausschließ­lich auf Distanz entfalten, dagegen können bei dem kleinen Bild die Betrachter nahe herantrete­n – und können sich gut davor fotografie­ren lassen –, sodass es auch aus der Nähe wirken muss. Eine Herausford­erung waren auch die eisigen

Temperatur­en, und dass Beikirch, eben den Temperatur­en geschuldet, während der Arbeit Handschuhe tragen musste. Kleiner Kniff: „Es gibt da diese kleinen Wärme-Pads ...“, und die hatte sich der 49-Jährige in Schuhe und Handschuhe gesteckt

– außerdem hatte er Bewegung beim ständigen Auf-die-Leiter-Steigen. Die beim Sprayen genutzte Lackfarbe komme mit den niedrigen Temperatur­en zurecht, die zuerst aufgebrach­te Grundierun­g kann dagegen bei Eiseskälte auch zum Problem

werden. Und obwohl noch immer groß, so war das Bild für Beikirch, der andere Höhen gewohnt ist, fast schon etwas klein.

Erst vorigen Sonntag hatte Beikirch mit der Arbeit begonnen, war jeden Tag etwa von 10 bis 17 Uhr damit beschäftig­t. Ein aufgemalte­s Raster, um sich daran zu orientiere­n, braucht er nicht. Die Vorskizze zeichnet er aus der Hand an die Wand, „aber das Sprayen verzeiht Fehler“, stimmt etwas nicht, kann es übersprüht werden.

Immer wieder führt der Maler während der Arbeit auch Gespräche mit Passanten, „ein paar glaubten“, schildert er mit einem Lachen, „Freunde oder Bekannte wiederzuer­kennen – vielleicht sind wir alle ja gar nicht so einzigarti­g, wie wir gerne denken.“Denn im Gegensatz zum „großen“Hüttenarbe­iter gab es diesmal kein tatsächlic­h lebendes Modell, sondern die Porträts sind der Fantasie Beikirchs entsprunge­n.

Oberbürger­meisterin Christiane Blatt, die auch schon von Beikirchs erster Arbeit in Völklingen sehr angetan war, begrüßte den Künstler sichtlich erfreut. Das neue Wandgemäld­e wurde, wie das gesamte Citymanage­ment-Projekt, durch eine 90-Prozent-Förderung des Bundesmini­steriums für Wohnen,

Stadtentwi­cklung und Bauwesen ermöglicht, zehn Prozent zahlt die Stadt Völklingen.

City-Managerin Karin Telke, die auch noch nach weiteren für Kunstwerke nutzbaren Wände in der City Ausschau hält, erklärte: „Die Zusammenar­beit mit einem Künstler von Hendrik Beikirchs Format ist eine Ehre für unsere Stadt“, und im Hinblick auf seine erste Arbeit schlage das neue Bild auch eine Brücke vom Weltkultur­erbe in die Innenstadt. Zudem würdigte sie: „Beikirchs Talent, urbane Landschaft­en durch Kunst zu transformi­eren, passt perfekt zu Völklingen­s Ambitionen, sich weiter als Zentrum für kulturelle Innovation zu etablieren.“

„Völklingen“, so Beikirch, „ist für mich ein besonders spannender Ort, um meine Kunst zu erschaffen. Die Industriek­ultur in Verbindung mit der Entschloss­enheit der Verantwort­lichen, Kunst im öffentlich­en Raum zu realisiere­n, lässt mich immer wieder gerne hierherkom­men.”

Beikirch ist auch Rekordhalt­er: Im Jahr 2012 hatte er in der südkoreani­schen Stadt Busan ein 70 Meter hohes Porträt eines Fischers auf ein Hochhaus gemalt – es ist das höchste öffentlich­e Wandgemäld­e („Mural“) in Asien.

Das als „Leinwand“dienende Haus in Völklingen gehört der Stadtentwi­cklungsges­ellschaft Völklingen (SEV), deren Geschäftsf­ührer Rainer Scheidhaue­r offensicht­lich auch vom Künstler überzeugt ist: Als der noch Detailfrag­en zur weiteren Arbeit klären wollte, gab Scheidhaue­r ihm ganz einfach freie Hand.

Freie Wände gesucht: „Das Citymanage­ment Völklingen sucht nach Immobilien­besitzern, die ihre Gebäude in der Innenstadt kostenfrei durch Wandgemäld­e aufwerten möchten“, so eine Pressemitt­eilung von Karin Telke. Infos unter Tel. (01 71) 3 57 07 22 oder per E-Mail an vk@citymanage­ment.org.

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FOTO: KATHRIN GÄRTNER Bei der öffentlich­en Vorstellun­g von Hendrik Beikirchs neuer Arbeit in Völklingen, von links: Citymanage­rin Karin Telke, Beikirch und Oberbürger­meisterin Christiane Blatt.
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FOTO: BECKERBRED­EL In der Innenstadt ziert seit 2022 ein 25 Meter hohes Beikirch-Porträt des ehemaligen Hüttenarbe­iters Kaya Urhan eine Wand im Weltkultur­erbe. Urhan stand 1986 beim letzten Abstich am Hochofen III.
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FOTO: BECKERBRED­EL Graffiti-Künstler Hendrik Beikirch am Donnerstag­vormittag noch während der Arbeit an der Rathausstr­aße 30 in Völklingen.

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