Was ich bei dem Bauernprotest nicht verstehe
Bauern stehen beim Kampf gegen die Klimakrise an vorderster Front, erleben Dürre, Hitze und Hochwasser hautnah mit. Wieso dulden sie Menschen in ihren Reihen, die das alles leugnen?
Liebe Bauern, viel ist über euch in letzter Zeit geschrieben worden. „Ohne uns bleibt ihr hungrig, nackt und nüchtern“, lautet eine Parole eurer Proteste. Das ist, bei allem Respekt, maßlos untertrieben: Erst, als die Menschen Ackerbau und Viehzucht meisterten und sesshaft wurden, konnten sich Handwerk und Wissenschaft, Kunst und Kultur entwickeln. Die menschliche Zivilisation, wie wir sie kennen, gäbe es ohne Landwirtschaft nicht. Nicht mal den Computer, mit dem ich diese Zeilen schreibe.
Das ging allerdings nur, weil die Natur es euch Bauern – nein, uns Menschen! – erlaubte. Natürlich gab es immer mal Ausreißer: Stürme, die die Ernte verhagelten, lange Dürreperioden oder Frost, wenn man ihn gerade nicht gebrauchen konnte. Dennoch:
Auf den Wechsel von Frühling, Sommer, Herbst und Winter war Jahrtausende lang Verlass. Damit konntet ihr arbeiten, euch danach richten. Jedenfalls bis vor Kurzem.
Beim Kampf gegen die Klimakrise steht ihr an vorderster Front. Ihr seid Zeugen, wenn eure Felder verdorren. Müsst hilflos zusehen, wenn extreme Niederschläge den fruchtbaren Boden wegspülen, den ihr bestellt habt. Erlebt, wie alle Regeln, die euch beigebracht wurden, nichtig werden, wenn Feldfrüchte in der Sommerhitze viel zu früh reifen oder Obstbäume im Dezember noch einmal austreiben, weil der Planet einfach viel zu warm ist.
Gleichzeitig habt ihr aber auch akute Existenzängste. Dass ihr euch jetzt gerade darauf konzentriert, ist verständlich. Lieber für den Erhalt der Agrar-Subventionen demonstriert, weil das wie ein lösbares Problem erscheint, obwohl die wahren Probleme viel tiefer liegen und eigentlich unser gesamtes Wirtschaftssystem betreffen. Ich verstehe sogar, dass ihr für den kurzfristigen Erfolg eures Anliegens Menschen in euren Reihen billigt, mit denen euch nichts verbindet und die sich eigentlich auch gar nicht für eure Nöte interessieren, sondern nur gegen die „da oben“hetzen wollen.
All das kann ich nachvollziehen. Was ich jedoch nicht verstehe:
Wie könnt ihr hinnehmen, dass sich Leute an euren Protest dranhängen, die nicht an den Klimawandel glauben? Das Ganze für eine Verschwörung halten? Oder schlicht behaupten, all das, was ich beschrieben habe, wäre ja gar nicht so oder schon immer so gewesen – obwohl ihr doch wisst, dass das nicht stimmt? Weil ihr doch seht, dass etwas nicht richtig, das natürliche Gleichgewicht aus den Fugen ist?
Manche von euch wollen es vielleicht selbst nicht wahrhaben. Und dennoch ist es wahr: Der menschengemachte Klimawandel bedroht eure Arbeit schlimmer, als es eine weggefallene Subvention je könnte. Er bedroht die Landwirtschaft, Lebensmittelversorgung und damit die gesamte menschliche Existenz – mindestens aber unsere Zivilisation, wie wir sie kennen.
Wie könnt ihr ausblenden, dass eure angeblichen Unterstützer all das nicht sehen wollen? Bei aller Liebe, Respekt und Wertschätzung für euch und eure Arbeit: Ich verstehe es nicht. Ich verstehe es wirklich nicht.