Tunesischer Oscar-Kandidat im Achteinhalb
„Unter den Feigenbäumen“wird am Samstag im Programmkino gezeigt. Ein Gespräch mit der Autorin verrät, was ihn besonders macht.
Am morgigen Samstag läuft um 19 Uhr im Kino Achteinhalb in Saarbrücken der Spielfilm „Unter den Feigenbäumen“der französisch-tunesischen Regisseurin Erige Sehiri. Anwesend wird die französische Autorin Peggy Hamann sein, die in Saarbrücken wohnt und an dem stimmungsvollen Film mitgearbeitet hat. Gezeigt wird ein Arbeitstag in einem Feigenhain während der Ernte. Hauptsächlich dreht sich das Geschehen um vier junge Frauen, ihre Träume, ihre Arbeit und ihre Beziehungen zu Männern in einer Welt zwischen konservativer Strenge und liberalem Aufbruch. Die SZ hat vorab mit Peggy Hamann gesprochen.
Wie kamen Sie zu dem Projekt? HAMANN 2019 habe ich eine Weiterbildung als Filmautorin in Berlin gemacht. Die Regisseurin Erige Sehiri hatte ich aber schon vorher kennengelernt. Wir haben uns sofort sehr gut verstanden und schnell war klar, dass ich bei ihrem nächsten Filmprojekt mitmachen würde. Dank eines Auslandsstipendiums konnte ich dann in Tunesien mit ihr den Film entwickeln.
Was genau war Ihre Arbeit? Ein richtig festgelegtes Skript gab es ja nicht...
HAMANN Doch. Die Dialoge waren nicht vorgeschrieben, aber wir haben ein Erzählraster zusammengestellt aufgrund unserer Recherchen. Ich habe bei allen Etappen mitgewirkt: Recherche, Casting, Proben, Dreh und schließlich beim Schnitt. Da wir mit Laiendarstellern gearbeitet haben, hätte das mit dem geschriebenen Dialog weniger gut geklappt. Wir haben dann einfach verschiedene Situationen mit ihnen ausprobiert.
Wie ging das sprachlich für Sie?
HAMANN Die Jugendlichen haben zwar Französisch in der Schule. Aber gerade dort auf dem Land sprechen sie einen tunesischen Dialekt, den manche Leute aus der Hauptstadt kaum verstehen.
Wie konnten Sie sich in die tunesischen Jugendlichen hineinversetzen?
HAMANN Wir haben im Vorfeld viel recherchiert. Der Film ist entstanden, nachdem wir der Hauptdarstellerin Fide begegnet sind. Erige hat immer für mich übersetzt, ich habe aber auch ein bisschen Tunesisch gelernt. Aber im Grunde genommen sind Jugendliche überall gleich.
Lief der Film in Tunesien? Gab es Probleme mit den Behörden?
HAMANN Auf keinen Fall! Seit der Revolution gibt es keine Zensur mehr. Der Film wurde in Tunesien gezeigt und sogar als tunesischer Beitrag für den Oscar vorgeschlagen. Es war toll, dass junge Leute, die auf den Plantagen arbeiten, das Gesicht Tunesiens sein konnten.
In welchen Ländern kam der Film noch in die Kinos?
HAMANN In Frankreich, Belgien, Spanien, Italien, Türkei, Großbritannien und USA. Leider nicht in Deutschland.
Was hat Sie bei der Entstehung des Films am meisten überrascht?
HAMANN Am meisten überraschte mich der Umstand, wie authentisch die Jugendlichen waren und wie sehr sie mit dem Herzen dabei waren. Negativ war für mich, dass wir sehr wenig Unterstützung aus der Region bekommen haben.
Was ist aus den Darstellerinnen geworden, wissen Sie das?
HAMANN Die zwei Schwestern Fide und Feten machen jetzt eine Ausbildung in Tunis, Samar hat geheiratet und ein Kind bekommen, Ameni hat Abitur gemacht.
Aber wollten Fide und Feten dann nicht Schauspielerinnen werden?
HAMANN Doch, doch! Feten nicht, aber Fide schon. Sie hat an mehreren Castings teilgenommen. Es ist aber noch nicht viel daraus geworden.
Der Chef trägt ein T-Shirt mit einem roten Stern und der deutschen Aufschrift „Staatsfeind“? Was hat es damit auf sich?
HAMANN In Tunesien besorgen sich alle Secondhand-Kleider von Marktständen. Im Grunde genommen bekommen sie die Kleider, die wir in Europa nicht mehr wollen und in den Container stecken. Das mit dem
„Staatsfeind“haben wir mit einem Augenzwinkern gemacht – ich war eh die einzige am Set, die das verstanden hat.
Wie war die Resonanz auf den Film in Tunesien?
HAMANN Groß und überwiegend gut. Sie hat unsere Erwartungen übertroffen. Die Premiere fand vor 1600 Leuten statt! Das war unglaublich. Es wurde auch viel gelacht. Die Untertitelung kann zum Teil den Witz nicht ganz rüberbringen.
In Tunesien wurden kleine Ausschnitte des Films in den sozialen Netzwerken verbreitet. Dadurch bekamen die SchauspielerInnen sehr viel Aufmerksamkeit. Der Film hatte auch gute Besucherzahlen dort, aber auch in Frankreich.
Was ist der feministische Ansatz des Filmes?
HAMANN Wir haben einen Film über Frauen machen wollen, weil es überwiegend Frauen sind, die auf den Feldern arbeiten. Sie sind
schlechter bezahlt als die Männer, sie sind nicht sozialversichert und werden wie Vieh auf die Arbeit transportiert. Jedes Jahr gibt es in der Rubrik Verschiedenes in den Zeitungen Berichte über Unfälle. In den letzten Jahren wurden Hunderte von Frauen verletzt oder getötet. Genaue Zahlen gibt es dazu aber keine. Wir wollten diesen Frauen ein Denkmal setzen.