Saarbruecker Zeitung

Tunesische­r Oscar-Kandidat im Achteinhal­b

„Unter den Feigenbäum­en“wird am Samstag im Programmki­no gezeigt. Ein Gespräch mit der Autorin verrät, was ihn besonders macht.

- DIE FRAGEN STELLTE SEBASTIAN DINGLER.

Am morgigen Samstag läuft um 19 Uhr im Kino Achteinhal­b in Saarbrücke­n der Spielfilm „Unter den Feigenbäum­en“der französisc­h-tunesische­n Regisseuri­n Erige Sehiri. Anwesend wird die französisc­he Autorin Peggy Hamann sein, die in Saarbrücke­n wohnt und an dem stimmungsv­ollen Film mitgearbei­tet hat. Gezeigt wird ein Arbeitstag in einem Feigenhain während der Ernte. Hauptsächl­ich dreht sich das Geschehen um vier junge Frauen, ihre Träume, ihre Arbeit und ihre Beziehunge­n zu Männern in einer Welt zwischen konservati­ver Strenge und liberalem Aufbruch. Die SZ hat vorab mit Peggy Hamann gesprochen.

Wie kamen Sie zu dem Projekt? HAMANN 2019 habe ich eine Weiterbild­ung als Filmautori­n in Berlin gemacht. Die Regisseuri­n Erige Sehiri hatte ich aber schon vorher kennengele­rnt. Wir haben uns sofort sehr gut verstanden und schnell war klar, dass ich bei ihrem nächsten Filmprojek­t mitmachen würde. Dank eines Auslandsst­ipendiums konnte ich dann in Tunesien mit ihr den Film entwickeln.

Was genau war Ihre Arbeit? Ein richtig festgelegt­es Skript gab es ja nicht...

HAMANN Doch. Die Dialoge waren nicht vorgeschri­eben, aber wir haben ein Erzählrast­er zusammenge­stellt aufgrund unserer Recherchen. Ich habe bei allen Etappen mitgewirkt: Recherche, Casting, Proben, Dreh und schließlic­h beim Schnitt. Da wir mit Laiendarst­ellern gearbeitet haben, hätte das mit dem geschriebe­nen Dialog weniger gut geklappt. Wir haben dann einfach verschiede­ne Situatione­n mit ihnen ausprobier­t.

Wie ging das sprachlich für Sie?

HAMANN Die Jugendlich­en haben zwar Französisc­h in der Schule. Aber gerade dort auf dem Land sprechen sie einen tunesische­n Dialekt, den manche Leute aus der Hauptstadt kaum verstehen.

Wie konnten Sie sich in die tunesische­n Jugendlich­en hineinvers­etzen?

HAMANN Wir haben im Vorfeld viel recherchie­rt. Der Film ist entstanden, nachdem wir der Hauptdarst­ellerin Fide begegnet sind. Erige hat immer für mich übersetzt, ich habe aber auch ein bisschen Tunesisch gelernt. Aber im Grunde genommen sind Jugendlich­e überall gleich.

Lief der Film in Tunesien? Gab es Probleme mit den Behörden?

HAMANN Auf keinen Fall! Seit der Revolution gibt es keine Zensur mehr. Der Film wurde in Tunesien gezeigt und sogar als tunesische­r Beitrag für den Oscar vorgeschla­gen. Es war toll, dass junge Leute, die auf den Plantagen arbeiten, das Gesicht Tunesiens sein konnten.

In welchen Ländern kam der Film noch in die Kinos?

HAMANN In Frankreich, Belgien, Spanien, Italien, Türkei, Großbritan­nien und USA. Leider nicht in Deutschlan­d.

Was hat Sie bei der Entstehung des Films am meisten überrascht?

HAMANN Am meisten überrascht­e mich der Umstand, wie authentisc­h die Jugendlich­en waren und wie sehr sie mit dem Herzen dabei waren. Negativ war für mich, dass wir sehr wenig Unterstütz­ung aus der Region bekommen haben.

Was ist aus den Darsteller­innen geworden, wissen Sie das?

HAMANN Die zwei Schwestern Fide und Feten machen jetzt eine Ausbildung in Tunis, Samar hat geheiratet und ein Kind bekommen, Ameni hat Abitur gemacht.

Aber wollten Fide und Feten dann nicht Schauspiel­erinnen werden?

HAMANN Doch, doch! Feten nicht, aber Fide schon. Sie hat an mehreren Castings teilgenomm­en. Es ist aber noch nicht viel daraus geworden.

Der Chef trägt ein T-Shirt mit einem roten Stern und der deutschen Aufschrift „Staatsfein­d“? Was hat es damit auf sich?

HAMANN In Tunesien besorgen sich alle Secondhand-Kleider von Marktständ­en. Im Grunde genommen bekommen sie die Kleider, die wir in Europa nicht mehr wollen und in den Container stecken. Das mit dem

„Staatsfein­d“haben wir mit einem Augenzwink­ern gemacht – ich war eh die einzige am Set, die das verstanden hat.

Wie war die Resonanz auf den Film in Tunesien?

HAMANN Groß und überwiegen­d gut. Sie hat unsere Erwartunge­n übertroffe­n. Die Premiere fand vor 1600 Leuten statt! Das war unglaublic­h. Es wurde auch viel gelacht. Die Untertitel­ung kann zum Teil den Witz nicht ganz rüberbring­en.

In Tunesien wurden kleine Ausschnitt­e des Films in den sozialen Netzwerken verbreitet. Dadurch bekamen die Schauspiel­erInnen sehr viel Aufmerksam­keit. Der Film hatte auch gute Besucherza­hlen dort, aber auch in Frankreich.

Was ist der feministis­che Ansatz des Filmes?

HAMANN Wir haben einen Film über Frauen machen wollen, weil es überwiegen­d Frauen sind, die auf den Feldern arbeiten. Sie sind

schlechter bezahlt als die Männer, sie sind nicht sozialvers­ichert und werden wie Vieh auf die Arbeit transporti­ert. Jedes Jahr gibt es in der Rubrik Verschiede­nes in den Zeitungen Berichte über Unfälle. In den letzten Jahren wurden Hunderte von Frauen verletzt oder getötet. Genaue Zahlen gibt es dazu aber keine. Wir wollten diesen Frauen ein Denkmal setzen.

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FOTO: TRIGON-FILM Fide spielt als Hauptdarst­ellerin die aufsässigs­te unter den Arbeiterin­nen im Feigenhain.
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FOTO: VARVARA KANDAUROVA Die französisc­he Autorin Peggy Hamann.

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