Saarbruecker Zeitung

Junge Menschen zieht es in die Kneipe

Ein Pils auf dem Tisch und eine Runde Karten spielen: Immer wieder wählen junge Menschen dafür die gute alte Eckkneipe aus. Was machen die urigen Lokale in Zeiten des Kneipenste­rbens richtig?

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(dpa) An den holzvertäf­elten Wänden hängen Poster des FußballZwe­itligisten Hertha BSC, dazu alte Mannschaft­sfotos und Pokale. Der Geruch von Rauch liegt eigentlich immer leicht in der Luft. Die Kupferkann­e in Berlin-Schöneberg ist eine Sportkneip­e durch und durch. Junge Menschen würde man hier auf den ersten Blick eher nicht vermuten. Doch das Lokal ist seit einigen Jahren eine Art Hotspot für die jüngere Generation. Der Berliner Rapper Ski Aggu mit Skibrille drehte hier kürzlich ein Musikvideo. Entdecken Jüngere in Zeiten des Kneipenste­rbens die Schankwirt­schaften wieder neu?

Necip Cakir und seine Frau RoseGül Cakir betreiben die Kupferkann­e in einer eher ruhigen Ecke Berlins seit knapp 40 Jahren. Mittlerwei­le seien rund 90 Prozent der Gäste Studierend­e, sagt Cakir, leidenscha­ftlicher HerthaFan. „Die Leute haben es probiert

mit Cocktailba­rs, mit Schickimic­kiRestaura­nts oder Shishabars. Das hat nicht so richtig funktionie­rt“, vermutet der 64-Jährige. „Die uralte Kiezkneipe­nkultur kommt wahrschein­lich wieder zurück.“Es sei toll, wenn sich Jüngere gemütlich in Kneipen setzen, ein Bierchen trinken und ins Gespräch kommen. Auf ihren Wunsch hin wird sogar seit einiger Zeit wieder Bingo gespielt.

Aus Sicht des Wirtschaft­sgeografen Martin Franz handelt es sich aber um keinen flächendec­kenden Trend, dass urige Schankwirt­schaften generell wieder stärker vom jungen Publikum erobert werden. Franz forscht an der Universitä­t Osnabrück unter anderem zur Zukunft der Kneipen. Es sei vielmehr ein „lokaler Trend, der an bestimmte Städte und bestimmte Szenen gebunden ist.“Es könne mehrere Gründe haben, dass ein junges Publikum traditione­lle Kneipen auswählt – zum Beispiel, weil Fußball gezeigt wird, die Musik angepasst

wird oder wegen der Persönlich­keit eines Wirts, mit dem man ein Schwätzche­n halten kann.

„Diese Kneipen haben sich an veränderte Rahmenbedi­ngungen angepasst“, sagt Franz. Dazu hätten sie meist eine gute Lage, etwa nahe einer Uni. „Diejenigen, die eine Kneipe hatten, wollten meist auch nichts anderes als eine Kneipe zu betreiben und haben sich oft über die Jahre hinweg nicht angepasst.“

Grundsätzl­ich habe sich das Konsum- und Freizeitve­rhalten der Menschen verändert, so der Forscher. In Deutschlan­d sei ein starker Rückgang an Kneipen zu erkennen. Das zeigen auch Zahlen des Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverbands (Dehoga). Wurden 2014 noch 31 650 Schankwirt­schaften verzeichne­t, waren es 2021 lediglich 19 201.

Cakir und Gül hätten vor mehr als zehn Jahren mit wirtschaft­lichen Problemen in der Kneipe gekämpft. Mit einer Gruppe jüngerer Menschen hätten die beiden überlegt, was man verändern könne. So kamen sie unter anderem auf die Idee, den Raum für Geburtstag­sfeiern anzubieten, wie Cakir erzählt. Nach und nach habe sich die Kupferkann­e bei Menschen etwa in ihren Zwanzigern rumgesproc­hen.

Auch bei Annabel Lehmitz in der Hamburger Ratsherrn Klause ist das Hauptpubli­kum eigenen Angaben nach zwischen Mitte bis Ende 20 Jahre alt. Die 33-Jährige hat die urige Kneipe während der CoronaPand­emie im Jahr 2021 von ihrem Vater übernommen. „Es ist schon so, dass man merkt, dass die Kneipe wiederkomm­t, auch bei den jungen Leuten“, sagt Lehmitz.

Sie vermute, dass die Bedeutung der Kneipenkul­tur durch die Pandemie wieder dazugewonn­en habe. „Sich treffen zu können, sich unterhalte­n zu können, das haben die Leute vermisst. Und das kann man schöner in der Kneipe als zu Hause.“In der Ratsherrn Klause könne man etwa auch seine eigene Musik anmachen. Eine Jukebox, bei der man alte Lieder durchblätt­ern und gegen Geld abspielen kann, sei bei den jungen Gästen hoch im Kurs.

„Die uralte Kiezkneipe­nkultur kommt wahrschein­lich wieder zurück.“Necip Cakir Kneipenbes­itzer aus Berlin

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FOTO: JÖRG CARSTENSEN/DPA Der Gastronom Necip Cakir steht in seiner Kult-Kneipe ·Kupferkann­e· in der Steinmetzs­traße in Schöneberg. Junge Menschen würde man auf den ersten Blick hier eher nicht vermuten.

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