GEGEN DIE SPRACHLOSIGKEIT
» DRAUSSEN VOR DER TÜR « VON WOLFGANG BORCHERT IM GROSSEN HAUS
Der Kriegsheimkehrer Beckmann kommt nach drei Jahren Gefangenschaft zurück nach Deutschland. Er findet ein Land vor, das sich im »neuen Leben« eingerichtet hat und von Krieg und Schuld nichts mehr wissen will. Für Beckmann bleibt die Sehnsucht nach Heimat und Zugehörigkeit unerfüllt. Wolfgang Borchert erlebt die Uraufführung von »Draußen vor der Tür« am 21. November 1947 in Hamburg nicht mehr. Unheilbar krank von sechs Jahren Kriegsdienst, Gefangenschaft und Hungersnot stirbt er einen Tag vor der Premiere. Im Untertitel nennt er den Text »ein Stück, das kein Theater spielen und kein Publikum sehen will«. Doch das Gegenteil ist der Fall: Das Stück wird zum großen Erfolg, den der Literaturwissenschaftler Jan Philipp Reemtsma 1995 in der Identifikation der Kriegsgeneration mit Beckmann begründet sieht. Diese strebe wie Beckmann danach, die Schuld abzugeben. Borchert wird zum Repräsentanten einer neuen literarischen Bewegung, die sich gegen die Sprachlosigkeit der sogenannten »Stunde Null« auflehnt. In »Das ist unser Manifest« schreibt er: »Wir brauchen keine Dichter mit guter Grammatik. Zu guter Grammatik fehlt uns Geduld. Wir brauchen die mit dem heißen heiser geschluchzten Gefühl. Die zu Baum Baum und zu Weib Weib sagen und ja sagen und nein sagen: laut und deutlich und dreifach und ohne Konjunktiv. Für Semikolons haben wir keine
Zeit und Harmonien machen uns weich und die Stillleben überwältigen uns: Denn lila sind nachts unsere Himmel. Und das Lila gibt keine Zeit für Grammatik, das Lila ist schrill und ununterbrochen und toll. Über den Schornsteinen, über den Dächern: die Welt: lila.« In Saarbrücken führt Philipp Preuss, dessen Inszenierung von »Hamlet« zum Berliner Theatertreffen 2023 eingeladen wurde, Regie.