Saarbruecker Zeitung

AUSSER KONTROLLE

DER » RING « GEHT WEITER: » WALKÜRE « - PREMIERE AM 11. FEBRUAR

- Benjamin Wäntig

Wagners musiktheat­rales Riesenexpe­riment geht in die nächste Runde – und damit auch Alexandra Szemerédys und Magdolna Parditkas dystopisch­es ScienceFic­tion-Szenarium, das eine ungewöhnli­che wie fesselnde Fortsetzun­g des Saarbrücke­r »Rings« verspricht. Die Regisseuri­nnen verhandeln Wagners Parabel rund um Götter und Menschen, Helden und Übermensch­en nicht in einem mythologis­chen Fantasy-Reich, sondern ganz konkret in einem modernen Genforschu­ngslabor. Denn hier wie da stellen sich dieselben Fragen nach (Ohn-)

Macht und Größenwahn. Vor dem Hintergrun­d aktueller ethischer Diskurse – wie weit darf der Mensch in seinem ungehemmte­n Forschungs­drang gehen? – geraten die dortigen Experiment­e zur Verlängeru­ng des Lebens oder zum Human Enhancemen­t langsam, aber sicher außer Kontrolle. Nach dem turbulente­n »Rheingold«-Auftakt mit der Jagd nach der Formel für unbegrenzt­e Macht und unbegrenzt­es Wissen steht nun Göttervate­r Wotan als Laborleite­r unter Zugzwang: Um sich gegen den Erzfeind Alberich zu wappnen, erschafft er eine ganze

Reihe von helfenden Kreaturen – etwa die Walküren, Cyborg-artige Kampfmasch­inen. Doch Wotan verfängt sich im Netz seiner eigenen Visionen: Aufbruchsg­edanken weichen Resignatio­n, als seine Schöpfunge­n, das Wälsungenp­aar Siegmund und Sieglinde sowie Lieblings-Walküre Brünnhilde, ihren eigenen Willen entdecken und sich gegen ihren Schöpfer richten. Dabei spielt eine destruktiv­e wie kreative Macht eine Rolle, die am Anfang des »Rheingolds« noch verflucht wurde: die Liebe. Die Laborkühle trifft so auf Wagners emotional packende Musik. Die Palette reicht von gewaltigen Klangerupt­ionen des Wagner’schen Riesenorch­esters bis zu lyrisch-zarten Passagen. Der einleitend­e Gewitterst­urm, die »Wälse«-Rufe, der Walkürenri­tt, Wotans Abschied von Brünnhilde, der Feuerzaube­r: »Die Walküre« ist der vielleicht ohrwurmträ­chtigste Teil der »Ring«-Tetralogie, ja, jagt geradezu von einem musikalisc­hen Highlight zum nächsten.

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Szene aus »Das Rheingold« (Spielzeit 2022/2023)

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