Die CDU will raus aus dem Schwitzkasten
Die Union berät in Heidelberg zwei Tage das neue Grundsatzprogramm. Bei der Vorstandsklausur will Parteichef Friedrich Merz die CDU auch auf einen härteren Kurs gegen die AfD einschwören – und die wirtschaftspolitische Kompetenz der Partei schärfen.
HEIDELBERG Wer in diesen Tagen mit führenden CDU-Politikern spricht, der vernimmt viel Zufriedenheit. In den Umfragen steht die Union schon länger über 30 Prozent; freilich weiß man, dass dies auch mit der Schwäche der Ampel und ihren vielen Konflikten zu tun hat. Der neue Grundsatzprogrammentwurf, den der Parteivorstand am Freitag bei seiner zweitägigen Klausur in Heidelberg förmlich beschließt, wird innerparteilich weit weniger kritisch diskutiert, als erwartet. Der Union geht's gut. Wenn da nicht noch ein paar andere Dinge wären, die die Parteistrategen umtreiben.
In Heidelberg, so die Botschaft, will Parteichef Friedrich Merz seine CDU weiter motivieren. Zur Selbstzufriedenheit gibt es nämlich keinen Grund. Auch der CDU stehen heikle Wahlen in diesem Jahr bevor: Im Juni die Europawahl, im September folgen die Urnengänge in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Noch fehlt die überzeugende
Strategie, wie man dabei erfolgreich reüssieren will.
Denn die CDU droht von vielen Seiten in den Schwitzkasten genommen zu werden – von der starken AfD, auch von der neuen Wagenknecht-Partei. Dann plant noch der Rechtsaußen und Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, gegen den ein Ausschlussverfahren läuft, eine Parteigründung. Ebenso eventuell die Werteunion. Ein Rauswurf aus der CDU wäre dann jedoch programmiert, heißt es. Und schließlich stellt sich womöglich die Frage, wie man es etwa in Thüringen mit den Linken hält - sowohl eine Kooperation mit ihr als auch mit der AfD hat die Union per Beschluss ausgeschlossen.
Besonders pikant: Auch CDU'ler der Werteunion sollen an einem Treffen von AfD-Politikern und Rechtsextremisten im November teilgenommen haben, bei dem es offenbar um die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland ging. Für die Union könnte der Vorgang noch ein heikles Nachspiel haben, über das in Heidelberg diskutiert wird. Sollte irgendjemand aus der Werteunion mit dabei gewesen sein, werde man „hart und konsequent darauf reagieren“, kündigte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann an.
Ziemlich viel also, was da auf der Klausur auch parteipolitisch durchdacht werden muss. Für Merz ist eines bereits klar: Hinsichtlich des weiteren Umgangs mit der AfD soll die Union jetzt raus aus der Komfortzone des Jahresbeginns. Der Vorsitzende, der gegen ein
„Wir werden zeigen, dass wir eine Regierung bilden können mit Inhalten, die dieses Land nach vorne bringen.“Carsten Linnemann CDU-Generalsekretär
Verbotsverfahren ist, will, dass die CDU die Rechten stärker attackiert und inhaltlich stellt. Angesichts der AfD-Umfragewerte scheint das auch bitter nötig zu sein. Merz geht zwar zuversichtlich ins neue Jahr, aber auch für den CDU-Chef gibt es wegen der anstehenden Wahlen keinen Grund zu Übermut. Ebenso nicht in eigener Sache, obwohl ihm im Moment die Kanzlerkandidatur sicher zu sein scheint.
Die Landesverbände im Osten sollen daher von Berlin aus kräftig unterstützt werden, sowohl finanziell, als auch mit zahlreichen Gastspielen der Parteioberen. Möglichst wenig will man dort im Wahlkampf über das Thema Migration reden, mehr über die wirtschaftliche Entwicklung. Genau die steht ebenfalls im Mittelpunkt der Klausur. „Die Situation ist politisch angespannt“, so Linnemann vor dem Beginn des Treffens. „Wir werden zeigen, dass wir eine Regierung bilden können mit Inhalten, die dieses Land nach vorne bringen.“Inzwischen würden 50 Prozent der Deutschen sagen, dass die Politik keine Lösungskompetenz mehr habe. „Die Ampel ist Hauptverursacher. Sie verunsichert in diesem Land die Menschen in voller Breite.“
Im Entwurf der „Heidelberger Erklärung“, der unserer Zeitung vorliegt, steht dann auch, Deutschland sei das einzige Industrieland auf der Welt, dessen Wirtschaft schrumpfe. Man wolle die Wirtschaft ankurbeln mit einer attraktiven Unternehmensteuer, „bezahlbarer, sauberer und sicherer Energie, mehr Fachkräften sowie einer Investitions- und Innovationsoffensive“. Die Union will Regulierung und Bürokratie abbauen, für schnellere Planungsverfahren sorgen und „Gründerschutzzonen“einrichten. „Ab sofort ist ein Belastungsmoratorium nötig“, heißt es in dem Papier. Deutschland brauche einen umfassenden Modernisierungsschub – das Heizungsgesetz soll weg und auf „die Option Kernkraft“nicht verzichtet werden.