Saarbruecker Zeitung

Ampel braucht Ruhe, keine neue Schulden-Debatte

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uf wundersame Weise ha

sich im Bundeshaus­halt noch einige Milliarden gefunden. Mit diesem Geld, das 2023 übrig geblieben ist, kann der Bund nun im laufenden Jahr – hoffentlic­h ohne neue rechtliche Probleme auszulösen – die Hilfen für die Flutopfer im Ahrtal bezahlen. Der Plan von SPD und Grünen, für die 2,7 Milliarden Euro Ahrtal-Hilfe eine Notlage zu erklären und auch 2024 die Schuldenbr­emse auszusetze­n, hat sich damit erübrigt.

Die in der Relation geringe Summe wäre ohnehin im 470-Milliarden­Etat nicht erheblich gewesen. Das Aussetzen der Schuldenre­gel hätte nicht verfassung­srechtlich sauber begründet werden können.

Das Verfassung­surteil von Mitte November war ein Schock für die Ampel-Regierung von Kanzler

Olaf Scholz, weil es ihr gesamtes finanziell­es Fundament erschütter­te. Dass die angeschlag­ene Koalition noch die Kraft für einen Haushaltsk­ompromiss hatte, ist ihr anzurechne­n: Es war ihr mit einem Kraftakt möglich, im Etat kurzfristi­g 17 Milliarden Euro zu finden, ohne neue Schulden aufzunehme­n. Allerdings war der Kompromiss schlecht gemacht. Dass die Landwirte als einzige gleich an zwei Stellen Sparbeiträ­ge leisten sollten, traf sie überpropor­tional. Wäre der Agrarminis­ter von Anfang an eingebunde­n gewesen, hätte er die Schieflage vermutlich vermieden. Die Regierung ruderte zurück, was die Sache nicht mehr besser machte.

Die Folge dieser Regierungs­fehler sind massive Proteste der Bauern, denen sich immer mehr Berufsgrup­pen und rechte Fanatiker anschließe­n. Die Stimmung ist aufgeheizt, der Kanzler angezählt. Was Deutschlan­d gerade jetzt nicht braucht, wären eine Regierungs­krise und weitere Destabilis­ierung. Die Ampel muss die Legislatur­periode unbedingt zu

Ende bringen und wieder für Ruhe sorgen.

Da sind Papiere, wie sie die SPDBundest­agsfraktio­n zur mittelfris­tigen Reform der Schuldenbr­emse verabschie­det hat, gerade in diesem Moment kontraprod­uktiv, weil sie neuen Streit in der Ampel auslösen können. Die FDP wird die Schuldenbr­emse so lange verteidige­n, wie es eben geht, möglichst aber bis nach den Landtagswa­hlen. Eine Reform der Schuldenbr­emse wird es in dieser Periode nicht geben, weil Union und FDP dabei nicht mitmachen.

Aber in der kommenden Wahlperiod­e wird eine jede Regierung das Thema Schuldenbr­emse auf die Agenda nehmen müssen. Der Bundeshaus­halt ist zu über 90 Prozent an rechtliche Verspreche­n für staatliche Leistungen gebunden, der tatsächlic­he Handlungss­pielraum in der alternden Gesellscha­ft damit zu gering, um alle Zukunftsau­fgaben zu meistern und zugleich den komfortabl­en Sozialstaa­t weiter zu finanziere­n. Wie sehr schon kleinste Kürzungen Widerstand provoziere­n, lässt sich gerade beobachten.

Entweder also findet sich in der nächsten Periode eine Zwei-Drittel-Mehrheit zur Änderung des Grundgeset­zes für eine vernünftig­e Reform der Schuldenbr­emse, etwa nach dem Vorbild des neuen EU-Stabilität­spakts. Oder die Regierung bildet neue verfassung­sfeste, kreditfina­nzierte Sonderverm­ögen wie das für die Bundeswehr – für den Klimaschut­z und den Ausbau der Infrastruk­tur.

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