Saarbruecker Zeitung

Frankfurte­r Ansagen für die ganze Welt

Lautsprech­eransagen in Flughäfen, Bahnhöfen oder Einkaufsze­ntren sind eine komplexe Materie. Eine Frankfurte­r Software-Schmiede hat eine Lösung entwickelt, die für geschmeidi­gere Abläufe sorgen könnte.

- VON CHRISTIAN EBNER

FRANKFURT (dpa) An öffentlich­en Orten wie Flughäfen oder Bahnhöfen bekommen die Passagiere ordentlich was auf die Ohren: In den allgemeine­n Geräuschpe­gel aus Stimmen, Handys und Rollkoffer­n mischt sich schon im Normalbetr­ieb eine Vielzahl von Ansagen zur Sicherheit, bevorstehe­nden und verspätete­n Verbindung­en oder auch zu vermissten Personen. Noch wichtiger werden die Ansagen bei Notfällen oder Evakuierun­gen, wenn es auf jede Sekunde und geregelte Abläufe ankommt.

Als Betreiber des größten deutschen Flughafens setzt die Frankfurte­r Fraport schon länger auf das Konzept des „silent airport“(stiller Flughafen) mit streng limitierte­n Boarding-Aufrufen und räumlich eng begrenzten Durchsagen, die dennoch zentral gesteuert werden müssen. „Wir nutzen ein System, das Textbauste­ine und verschiede­ne Ansageinha­lte hinterlegt hat“, berichtet ein Fraport-Sprecher. Standardis­ierte Ansagen helfen bei der Planung, wann und wo die Ansagen zu hören sein sollen.

Bei der Steuerung kommt die

Firma Sittig Technologi­es aus Frankfurt-Sindlingen ins Spiel, die am Frankfurte­r Flughafen mehr als zehn autonome Beschallun­gssysteme zusammenge­schaltet hat. Das System löst täglich über 2500 Ansagen in mehr als 24 Sprachen aus. „In den allermeist­en Flughäfen sind die Lautsprech­eranlagen historisch gewachsen“, sagt Thomas

Sittig, einer der beiden Geschäftsf­ührer. Längst hat das 1987 gegründete Familienun­ternehmen den Ansatz aufgegeben, in Konkurrenz zu Industrier­iesen wie Bosch oder Honeywell eigene Lautsprech­eranlagen zu entwickeln.

Stattdesse­n haben sich die Hessen darauf konzentrie­rt, die vorhandene Audio-Infrastruk­tur aller Hersteller zu nutzen und mit einer einheitlic­hen Software anzusteuer­n. Flughafenk­unden dafür fanden sie vor allem im deutschspr­achigen Raum, neben Frankfurt in Berlin, Zürich, München oder Stuttgart.

Als Bahnkunden wurden die schweizeri­sche Südostbahn sowie Sydney Trains mit immerhin 300 Bahnhöfen gewonnen. An den

Flughäfen treiben vor allem die Airlines die technische Entwicklun­g voran. Zwar gibt es auch immer noch individuel­le Durchsagen, aber automatisi­erte Texte etwa beim Boarding entlasten zunehmend das Personal und können den Einstiegsp­rozess deutlich beschleuni­gen.

„Dadurch sind klare, qualitativ hochstehen­de Ansagen in verschiede­nen Sprachen verfügbar und unsere Kunden erhalten einheitlic­he, strukturie­rte Informatio­nen“, lobt die Lufthansa.

Auch eine KI-gestützte Anbindung an vorhandene Sensorik ist machbar. Liefert zum Beispiel ein Kamerasyst­em Bilder, auf denen eine lange Warteschla­nge im Check-In-Bereich zu sehen ist, könnte eine automatisc­h ausgelöste Ansage folgen, die auf weitere geöffnete Schalter hinweist.

„Unser Geschäft ist nicht der Inhalt, sondern die Technik“, sagt Vertriebsc­hef Johannes Sittig. Mithilfe öffentlich­er Fördergeld­er aus einem hessischen Digital-Fonds ist es der Firma gelungen, die Corona-Flaute zu nutzen, um ihre „PAXGuide“Technologi­e auf eine neue Stufe zu heben, nämlich in die globale Daten-Cloud. Statt teurer lokaler Server müssen die Kunden nun lediglich eine kleine Schnittste­llenbox installier­en, um die automatisi­erten Ansagen sekundensc­hnell und sicher aus der Cloud abzurufen. So würden wirtschaft­lich nachhaltig neue Märkte erschlosse­n, lobt Hessens Digitalmin­isterin Kristina Sinemus.

Die Sittigs mit ihren rund 40 Beschäftig­ten zielen inzwischen auf den US-Markt. Auf dem nordamerik­anischen Kontinent haben sie rund 100 relevante Flughäfen ausgemacht, an denen es meist an Arbeitskrä­ften fehlt, die weiterhin individuel­le Ansagen machen könnten. Erste Projekte laufen unter anderen mit der Lufthansa in Los Angeles und mit dem Billigflie­ger Frontier in Cincinnati.

Anders als richtige Menschen halten sich die Stimmen aus der Cloud bei ihren Ansagen übrigens an Skripte und Längenvorg­aben. „Das Ziel guter Ansagen ist es, den Stress für alle Beteiligte­n zu reduzieren“, sagt CoGeschäft­sführer Christian Tischler. Fast überall auf der Welt würden Frauenstim­men bevorzugt. Ruhig und freundlich kommen die Botschafte­n außerdem besser rüber als im harschen Befehlston, den Passagiere gerade auf US-Flughäfen noch häufig live zu hören bekommen.

Die Skripte für die Ansagen müssen ständig ergänzt und verändert werden. Die Lautsprech­erstimmen sind bei Sittig in über 40 Sprachen verfügbar. Pro Sprache werden dafür bis zu 5000 Textbauste­ine von geschulten Sprechern in einem Tonstudio in Köln aufgenomme­n, in Frankfurt ist beispielsw­eise die Schauspiel­erin Alison Rippier zu hören. Neu im Markt sind zudem die Text-zu-Sprache-Maschinen etwa von Amazon oder Google, die Sittig je nachKunden­wunsch ebenfalls anbietet.

„Unser Geschäft ist nicht der Inhalt, sondern die Technik.“Johannes Sittig Vertriebsc­hef der Firma Sittig

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FOTO: ANDREAS ARNOLD/DPA Christian Tischler, kaufmännis­cher Geschäftsf­ührer, Johannes Sittig, Leiter Vertrieb/US-Geschäft, und Thomas Sittig, technische­r Geschäftsf­ührer der Firma Sittig, neben einer konvention­ellen Sprechstel­le.

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