Frankfurter Ansagen für die ganze Welt
Lautsprecheransagen in Flughäfen, Bahnhöfen oder Einkaufszentren sind eine komplexe Materie. Eine Frankfurter Software-Schmiede hat eine Lösung entwickelt, die für geschmeidigere Abläufe sorgen könnte.
FRANKFURT (dpa) An öffentlichen Orten wie Flughäfen oder Bahnhöfen bekommen die Passagiere ordentlich was auf die Ohren: In den allgemeinen Geräuschpegel aus Stimmen, Handys und Rollkoffern mischt sich schon im Normalbetrieb eine Vielzahl von Ansagen zur Sicherheit, bevorstehenden und verspäteten Verbindungen oder auch zu vermissten Personen. Noch wichtiger werden die Ansagen bei Notfällen oder Evakuierungen, wenn es auf jede Sekunde und geregelte Abläufe ankommt.
Als Betreiber des größten deutschen Flughafens setzt die Frankfurter Fraport schon länger auf das Konzept des „silent airport“(stiller Flughafen) mit streng limitierten Boarding-Aufrufen und räumlich eng begrenzten Durchsagen, die dennoch zentral gesteuert werden müssen. „Wir nutzen ein System, das Textbausteine und verschiedene Ansageinhalte hinterlegt hat“, berichtet ein Fraport-Sprecher. Standardisierte Ansagen helfen bei der Planung, wann und wo die Ansagen zu hören sein sollen.
Bei der Steuerung kommt die
Firma Sittig Technologies aus Frankfurt-Sindlingen ins Spiel, die am Frankfurter Flughafen mehr als zehn autonome Beschallungssysteme zusammengeschaltet hat. Das System löst täglich über 2500 Ansagen in mehr als 24 Sprachen aus. „In den allermeisten Flughäfen sind die Lautsprecheranlagen historisch gewachsen“, sagt Thomas
Sittig, einer der beiden Geschäftsführer. Längst hat das 1987 gegründete Familienunternehmen den Ansatz aufgegeben, in Konkurrenz zu Industrieriesen wie Bosch oder Honeywell eigene Lautsprecheranlagen zu entwickeln.
Stattdessen haben sich die Hessen darauf konzentriert, die vorhandene Audio-Infrastruktur aller Hersteller zu nutzen und mit einer einheitlichen Software anzusteuern. Flughafenkunden dafür fanden sie vor allem im deutschsprachigen Raum, neben Frankfurt in Berlin, Zürich, München oder Stuttgart.
Als Bahnkunden wurden die schweizerische Südostbahn sowie Sydney Trains mit immerhin 300 Bahnhöfen gewonnen. An den
Flughäfen treiben vor allem die Airlines die technische Entwicklung voran. Zwar gibt es auch immer noch individuelle Durchsagen, aber automatisierte Texte etwa beim Boarding entlasten zunehmend das Personal und können den Einstiegsprozess deutlich beschleunigen.
„Dadurch sind klare, qualitativ hochstehende Ansagen in verschiedenen Sprachen verfügbar und unsere Kunden erhalten einheitliche, strukturierte Informationen“, lobt die Lufthansa.
Auch eine KI-gestützte Anbindung an vorhandene Sensorik ist machbar. Liefert zum Beispiel ein Kamerasystem Bilder, auf denen eine lange Warteschlange im Check-In-Bereich zu sehen ist, könnte eine automatisch ausgelöste Ansage folgen, die auf weitere geöffnete Schalter hinweist.
„Unser Geschäft ist nicht der Inhalt, sondern die Technik“, sagt Vertriebschef Johannes Sittig. Mithilfe öffentlicher Fördergelder aus einem hessischen Digital-Fonds ist es der Firma gelungen, die Corona-Flaute zu nutzen, um ihre „PAXGuide“Technologie auf eine neue Stufe zu heben, nämlich in die globale Daten-Cloud. Statt teurer lokaler Server müssen die Kunden nun lediglich eine kleine Schnittstellenbox installieren, um die automatisierten Ansagen sekundenschnell und sicher aus der Cloud abzurufen. So würden wirtschaftlich nachhaltig neue Märkte erschlossen, lobt Hessens Digitalministerin Kristina Sinemus.
Die Sittigs mit ihren rund 40 Beschäftigten zielen inzwischen auf den US-Markt. Auf dem nordamerikanischen Kontinent haben sie rund 100 relevante Flughäfen ausgemacht, an denen es meist an Arbeitskräften fehlt, die weiterhin individuelle Ansagen machen könnten. Erste Projekte laufen unter anderen mit der Lufthansa in Los Angeles und mit dem Billigflieger Frontier in Cincinnati.
Anders als richtige Menschen halten sich die Stimmen aus der Cloud bei ihren Ansagen übrigens an Skripte und Längenvorgaben. „Das Ziel guter Ansagen ist es, den Stress für alle Beteiligten zu reduzieren“, sagt CoGeschäftsführer Christian Tischler. Fast überall auf der Welt würden Frauenstimmen bevorzugt. Ruhig und freundlich kommen die Botschaften außerdem besser rüber als im harschen Befehlston, den Passagiere gerade auf US-Flughäfen noch häufig live zu hören bekommen.
Die Skripte für die Ansagen müssen ständig ergänzt und verändert werden. Die Lautsprecherstimmen sind bei Sittig in über 40 Sprachen verfügbar. Pro Sprache werden dafür bis zu 5000 Textbausteine von geschulten Sprechern in einem Tonstudio in Köln aufgenommen, in Frankfurt ist beispielsweise die Schauspielerin Alison Rippier zu hören. Neu im Markt sind zudem die Text-zu-Sprache-Maschinen etwa von Amazon oder Google, die Sittig je nachKundenwunsch ebenfalls anbietet.
„Unser Geschäft ist nicht der Inhalt, sondern die Technik.“Johannes Sittig Vertriebschef der Firma Sittig