„CDU macht sich mitschuldig an der Stimmung“
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, wirbt im Redaktionsgespräch für weitere Unterstützung der Ukraine und für demokratischen Zusammenhalt.
SAARBRÜCKEN Sie ist eine Hoffnungsträgerin. 65 Jahre alt, Sakko, pünktlich um 12 Uhr betritt sie am Freitag den Konferenzraum der Saardiglich, um Nähe zu demonstrieren. Zum Saarland. „Wissen Sie, ich habe sehr viel Verwandtschaft im Saarland“, sagt sie zu Beginn des Redaktionsgesprächs. „Mein Großvater war Bergmann, kommt aus St. Ingbert, aus Stingbert, darf man das so sagen?“, fragt sie, lächelt und berichtet von über 250 Verwandten, alle zwei Jahre veranstalten sie ein großes Treffen, gerne im Saarland.
Die Düsseldorferin ist nicht zum Verwandtschaftsbesuch hier, sondern ist am Freitag Gast des Neujahrsempfanges der FDP-Fraktion im Saarlouiser Stadtrat. Die Hoffnungsträgerin soll der Partei aufhelfen. Die Umfragewerte der FDP sind im Keller. „Davon lasse ich mich nicht beeinflussen. Ich bin seit 37 Jahren in dieser Partei. Mir sind Höhen und Tiefen nicht fremd.“Im Saarland steht die FDP gerade bei fünf Prozent. Leiden die Werte unter der Politik der Ampel? „Ich glaube, es arbeiten sich viele an der Ampel ab, weil sie eines übersehen: 70 Tage nach der Wahl der Regierung hat Putin die Ukraine angegriffen“, erklärt die Politikerin. Die Sicherheitslage habe sich daher nahezu weltweit verändert. Damit wäre jede Regierung mit Problemen konfrontiert gewesen, die sie nicht kenne.
Und so schlecht arbeite die Ampel auch nicht: „Im Verteidigungsausschuss arbeiten wir sehr gut und geräuschlos zusammen“, sagt sie. Bereits die Hälfte des 100 Milliarden Sondervermögens für die Bundeswehr sei verplant. Die Stressmomente der Ampel entstanden eher bei der Diskussion über den Haushalt, über die Agrardiesel-Subventionen, die Rücknahme derer Kürzung. „Die Kommunikation der Ampel könnte besser sein, das lasse ich jetzt mal so stehen“, sagt sie. Erst Ergebnisse vorlegen, wenn die Diskussionen zu Ende sind. Das könnte helfen, sagte sie.
„Die Ampel muss weg“, heiße es heute oft, „früher hieß es: Merkel muss weg. Wer in diesem Land Verantwortung übernimmt, muss immer nach einer Weile weg“, fasst sie zusammen und fragt sich, „wohin soll er denn – und wer soll folgen? Die CDU mit Parteichef Friedrich Merz, die AfD, die neue Wagenknechtpartei? Extrem linke und rechte Parteien seien „kein Randproblem mehr“, sagt sie, „die Mitte neigt derzeit dazu, bei Wahlen den politischen Rand zu wählen“, analysiert sie. In solch einer Situation sei es gefährlich, wenn die gemäßigte Opposition, wenn Merz „die Regierung so richtig in die Tonne tritt – und damit so einem allgemeinen Gefühl nachgibt, macht sich die CDU mitschuldig an der Stimmung.“
Auch ihre politischen Scharmützel spielten am Freitag eine Rolle. Mit der Frauenrechtlerin Alice Schwarzer liefert sie sich gerade einen Schlagabtausch. Für Strack-Zimmermann ist Schwarzer eine Putin-Kuschlerin, sie zeige zu viel Verständnis für Russland. Sowieso – die linken Frauen: „Was sagt Sahra Wagenknecht, was sagt das das klinke Milieu dazu, dass in der Ukraine tausende Frauen vergewaltigt worden sind, Kinder wegschleppt worden sind, wo sind die Feministinnen“, schreit sie beim Dreikönigstreffen am vergangenen Samstag in Stuttgart in die Mikros – und die Parteifreunde jubeln. Schwarzer kontert in ihrer Zeitschrift Emma, nennt Strack-Zimmermann „Busenfreundin der Waffenindustrie“. Sie trage „mit ihrer Kriegspropaganda zu täglich mehr Vergewaltigungen und Toten bei“.
Strack-Zimmermann findet es wichtig, im Austausch mit der Waffenindustrie zu sein. Und mehr noch: Die Vorwürfe seien nur „der billige Versuch, meine Integrität anzugreifen. Das Kuscheln mit der Waffenindustrie, dieser Vorwurf ist mir nicht egal, das ist schlichtweg eine bösartige Unterstellung, gegen die ich inzwischen auch gerichtlich vorgehe.“
Auch in Europa will sie sich ab Juni nach der Wahl für die Ukraine einsetzen. Sie sei ein „Europafreak. Wir als Deutsche profitieren von diesem Europa so ungemein. Es lohnt sich, für Europa zu kämpfen.“Aber: „Europa muss selbstbewusst werden“, sagt sie, „wir brauchen eine gemeinsame Außenpolitik, eine gemeinsame Sicherheitspolitik, eine andere Wertepolitik.“Dafür will sie sich einsetzen.
„Ich bin seit 37 Jahren in dieser Partei. Mir sind Höhen und Tiefen nicht fremd.“Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) Vorsitzende des Verteidigungsausschusses