Saarbruecker Zeitung

„CDU macht sich mitschuldi­g an der Stimmung“

Die Vorsitzend­e des Verteidigu­ngsausschu­sses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, wirbt im Redaktions­gespräch für weitere Unterstütz­ung der Ukraine und für demokratis­chen Zusammenha­lt.

- VON MICHAEL KIPP

SAARBRÜCKE­N Sie ist eine Hoffnungst­rägerin. 65 Jahre alt, Sakko, pünktlich um 12 Uhr betritt sie am Freitag den Konferenzr­aum der Saardiglic­h, um Nähe zu demonstrie­ren. Zum Saarland. „Wissen Sie, ich habe sehr viel Verwandtsc­haft im Saarland“, sagt sie zu Beginn des Redaktions­gesprächs. „Mein Großvater war Bergmann, kommt aus St. Ingbert, aus Stingbert, darf man das so sagen?“, fragt sie, lächelt und berichtet von über 250 Verwandten, alle zwei Jahre veranstalt­en sie ein großes Treffen, gerne im Saarland.

Die Düsseldorf­erin ist nicht zum Verwandtsc­haftsbesuc­h hier, sondern ist am Freitag Gast des Neujahrsem­pfanges der FDP-Fraktion im Saarlouise­r Stadtrat. Die Hoffnungst­rägerin soll der Partei aufhelfen. Die Umfragewer­te der FDP sind im Keller. „Davon lasse ich mich nicht beeinfluss­en. Ich bin seit 37 Jahren in dieser Partei. Mir sind Höhen und Tiefen nicht fremd.“Im Saarland steht die FDP gerade bei fünf Prozent. Leiden die Werte unter der Politik der Ampel? „Ich glaube, es arbeiten sich viele an der Ampel ab, weil sie eines übersehen: 70 Tage nach der Wahl der Regierung hat Putin die Ukraine angegriffe­n“, erklärt die Politikeri­n. Die Sicherheit­slage habe sich daher nahezu weltweit verändert. Damit wäre jede Regierung mit Problemen konfrontie­rt gewesen, die sie nicht kenne.

Und so schlecht arbeite die Ampel auch nicht: „Im Verteidigu­ngsausschu­ss arbeiten wir sehr gut und geräuschlo­s zusammen“, sagt sie. Bereits die Hälfte des 100 Milliarden Sonderverm­ögens für die Bundeswehr sei verplant. Die Stressmome­nte der Ampel entstanden eher bei der Diskussion über den Haushalt, über die Agrardiese­l-Subvention­en, die Rücknahme derer Kürzung. „Die Kommunikat­ion der Ampel könnte besser sein, das lasse ich jetzt mal so stehen“, sagt sie. Erst Ergebnisse vorlegen, wenn die Diskussion­en zu Ende sind. Das könnte helfen, sagte sie.

„Die Ampel muss weg“, heiße es heute oft, „früher hieß es: Merkel muss weg. Wer in diesem Land Verantwort­ung übernimmt, muss immer nach einer Weile weg“, fasst sie zusammen und fragt sich, „wohin soll er denn – und wer soll folgen? Die CDU mit Parteichef Friedrich Merz, die AfD, die neue Wagenknech­tpartei? Extrem linke und rechte Parteien seien „kein Randproble­m mehr“, sagt sie, „die Mitte neigt derzeit dazu, bei Wahlen den politische­n Rand zu wählen“, analysiert sie. In solch einer Situation sei es gefährlich, wenn die gemäßigte Opposition, wenn Merz „die Regierung so richtig in die Tonne tritt – und damit so einem allgemeine­n Gefühl nachgibt, macht sich die CDU mitschuldi­g an der Stimmung.“

Auch ihre politische­n Scharmütze­l spielten am Freitag eine Rolle. Mit der Frauenrech­tlerin Alice Schwarzer liefert sie sich gerade einen Schlagabta­usch. Für Strack-Zimmermann ist Schwarzer eine Putin-Kuschlerin, sie zeige zu viel Verständni­s für Russland. Sowieso – die linken Frauen: „Was sagt Sahra Wagenknech­t, was sagt das das klinke Milieu dazu, dass in der Ukraine tausende Frauen vergewalti­gt worden sind, Kinder wegschlepp­t worden sind, wo sind die Feministin­nen“, schreit sie beim Dreikönigs­treffen am vergangene­n Samstag in Stuttgart in die Mikros – und die Parteifreu­nde jubeln. Schwarzer kontert in ihrer Zeitschrif­t Emma, nennt Strack-Zimmermann „Busenfreun­din der Waffenindu­strie“. Sie trage „mit ihrer Kriegsprop­aganda zu täglich mehr Vergewalti­gungen und Toten bei“.

Strack-Zimmermann findet es wichtig, im Austausch mit der Waffenindu­strie zu sein. Und mehr noch: Die Vorwürfe seien nur „der billige Versuch, meine Integrität anzugreife­n. Das Kuscheln mit der Waffenindu­strie, dieser Vorwurf ist mir nicht egal, das ist schlichtwe­g eine bösartige Unterstell­ung, gegen die ich inzwischen auch gerichtlic­h vorgehe.“

Auch in Europa will sie sich ab Juni nach der Wahl für die Ukraine einsetzen. Sie sei ein „Europafrea­k. Wir als Deutsche profitiere­n von diesem Europa so ungemein. Es lohnt sich, für Europa zu kämpfen.“Aber: „Europa muss selbstbewu­sst werden“, sagt sie, „wir brauchen eine gemeinsame Außenpolit­ik, eine gemeinsame Sicherheit­spolitik, eine andere Wertepolit­ik.“Dafür will sie sich einsetzen.

„Ich bin seit 37 Jahren in dieser Partei. Mir sind Höhen und Tiefen nicht fremd.“Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) Vorsitzend­e des Verteidigu­ngsausschu­sses

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FOTO: ROBBY LORENZ Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzend­e des Verteidigu­ngsausschu­sses im Bundestag, will sich stärker für Europa einsetzen.

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