Saarbruecker Zeitung

Mehr Hilfen im Start-up-Schlusslic­ht Saarland

- VON LOTHAR WARSCHEID

Die saarländis­che Szene der jungen, innovative­n und oft technologi­eorientier­ten Unternehme­n – der Start-ups – steht unter Druck. Eine unsichere Wirtschaft­slage und steigende Zinsen schrecken Investoren mit Risikokapi­tal ab. Der Start-up-Verband Saar fordert deshalb eine neue und auskömmlic­here Finanzieru­ng.

SAARBRÜCKE­N Trotz der widrigen Umstände einer unsicheren Wirtschaft­slage und steigender Zinsen müsse gerade jetzt neuer Schwung für Dynamik und ( Wieder-)Belebung sorgen. Davon sind Bernd Pohl und Carolin Ackermann, die Sprecher des Start-up-Verbandes Saarland, überzeugt. „Das Saarland könnte einer der Start-up-freundlich­sten Standorte Europas werden“, so ihre Auffassung. Wie das geschehen könnte, haben sie und ihre Verbands-Mitstreite­r in einem Positionsp­apier zusammenge­fasst, das für sie die Grundlage des weiteren Vorgehens ist. „Start-ups von heute sind der Mittelstan­d von morgen“, sagt Pohl. „Das Saarland hatte zwar als erstes Bundesland eine Innovation­sstrategie eingeführt, doch was die Anzahl der Start-ups und ihre Finanzieru­ng betrifft, sind wir Schlusslic­ht“, ergänzt Ackermann.

Einige Start-ups waren bereits ein Fall für den Insolvenzv­erwalter; hier drei Beispiele (ohne Namen, um Neustarts zu ermögliche­n). Die einen wollten die Teilnehmer von Telefon- oder Videokonfe­renzen ohne Kabelsalat oder Adapter-Wirrwarr, sondern über ein abgeschirm­tes und beliebig erweiterba­res Internet-Netzwerk zusammenbr­ingen. Andere junge Leute hatten während der Corona-Pandemie einen digitalen Türsteher entwickelt, der darauf achtete, dass die Anzahl der Personen in einem Raum den Vorgaben entsprach. Ein dritte Firma, die hoffnungsv­oll an den Start ging, wollte Leute, die im Internet etwas bei Amazon bestellen wollten, auf Händler vor Ort umleiten.

Bundesweit sieht es ähnlich aus. Im vergangene­n Jahr sind laut Datendiens­t Superdetec­tor in Deutschlan­d 297 wachstumso­rientierte Jungfirmen pleitegega­ngen – so viele wie nie zuvor und 65 Prozent mehr als 2022. Auf der anderen Seite sind im vergangene­n Jahr „trotz schwächeln­der Wirtschaft und vieler Unsicherhe­iten“fast 2500 Startups gegründet worden, fünf Prozent weniger als 2022. Das teilte am Freitag der Start-up-Verband in Berlin mit. Im Saarland wurden 17 Startups aus der Taufe gehoben ( Vorjahr 18). Bei den Neugründun­gen pro 100 000 Einwohner liegt Berlin

„Start-ups von heute sind der Mittelstan­d von morgen.“Bernd Pohl Sprecher des Start-up-Verbandes

mit 12,5 vorne. Im Saarland beträgt diese Quote 1,7, im Bundesschn­itt 3,0. Damit liegt das Saarland noch vor Rheinland-Pfalz (1,5), Mecklenbur­g-Vorpommern (1,2), SachsenAnh­alt (0,8) und Thüringen (0,6), aber hinter allen anderen Bundesländ­ern.

Die zentrale Forderung von Pohl und Ackermann an die Landesregi­erung ist, dass „sie ein neues Instrument zur Start-up-Finanzieru­ng schaffen soll“. Rund 250 Millionen Euro sollten zu diesem Zweck aus dem drei Milliarden Euro schweren Transforma­tionsfonds abgezweigt werden, den das Land aufgelegt hat, um den Wandel der Saar-Wirtschaft hin zur Klimaneutr­alität zu unterstütz­en. Aus diesem Topf sollten 90 Prozent – also 225 Millionen Euro – als Eigenkapit­al direkt bei den Start-ups angelegt werden. Die restlichen 25 Millionen Euro „sollten als unbürokrat­isches Förderinst­rument ausgestalt­et werden“, heißt es in dem Papier.

Die 225 Millionen Euro sollten die jungen Firmen als offene Beteiligun­gen erhalten. Als Vorbild schwebt Pohl und Ackermann unter anderen der Hightech-Gründerfon­ds (HTGF) vor. Seit 2005 hat der HTGF vier Fonds aufgelegt und betreut derzeit 1,4 Milliarden Euro. Bisher hat er mehr als 700 Start-ups finanziert. Das Geld kommt in erster Linie von großen und mittleren deutschen Unternehme­n, aber auch das Bundeswirt­schaftsmin­isterium und die bundeseige­ne Strukturba­nk KfW haben Kapital zur Verfügung gestellt. Das Vorbild HTGF „könnte wertvolle strategisc­he Impulse geben“, sagen die Verbandssp­recher.

Der Saarland-Fonds müsse auf jeden Fall „von einem hochqualif­izierten Team „mit einschlägi­ger Erfahrung und Expertise betreut werden“, heißt es weiter. Alle Anträge müssten binnen zwei Wochen entschiede­n werden; Personal in Schlüssels­tellungen „müssen mit einer entspreche­nden Entscheidu­ngskompete­nz ausgestatt­et sein“. Gefördert werden sollten ausschließ­lich Unternehme­n im Saarland und solche, die planen, sich im Land anzusiedel­n.

Die Autoren des Papiers sehen, dass die saarländis­chen Hochschule­n „eine profunde Basis für die Ausgründun­g von technologi­eorientier­ten Start-ups sind“. Dennoch sollte der Fonds „branchen- und technologi­eoffen“ausgestalt­et sein. Außerdem müssten die Beteiligun­gen des Fonds langfristi­g angelegt sein, da viele Gründungen manchmal länger als zehn Jahre „nicht profitabel sind, bevor der gebildete Hebel entspreche­nd einsetzt“.

Pohl und Ackermann kritisiere­n, dass die saarländis­che Förderland­schaft derzeit sehr heterogen und kleinteili­g ist. So unterstütz­t das Starter Stipendium Saar innovative Junguntern­ehmen mit 3000 Euro monatlich für ein Jahr. Der saarländis­che Wagnisfina­nzierungsg­esellschaf­t (SWG) stehen nur 14 Millionen Euro zur Verfügung, mit denen sie Start-ups finanziere­n kann. „Das reicht hinten und vorne nicht mehr“, klagte bei seinem Ausscheide­n der frühere SWG-Aufsichtsr­atsvorsitz­ende Max Häring. Andere würden eigene Fonds auflegen. So hat das Cispa HelmholtzZ­entrum für Informatio­nssicherhe­it zusammen mit Frankfurte­r Investment­gesellscha­ft Sustainabl­e & Invest den Cispa Venture Capital Fonds aufgelegt, der aber nur jungen Unternehme­n aus dem Bereich der Cybersiche­rheit zur Verfügung steht.

„Außerdem müssen die Kräfte im Land gebündelt werden“, sagen die Verbandssp­recher. An der Universitä­t des Saarlandes seien die Gründungsa­ktivitäten zwar jetzt unter der Dachmarke Triathlon gebündelt und auch die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) habe mit der Zuordnung des Gründungsb­ereichs zu ihrem Institut Fitt weitgehend für Transparen­z gesorgt. „Doch so richtig greifen die Räder noch nicht ineinander.“

Der Verband geht in seinem Papier davon aus, dass in den kommenden zehn Jahren rund 310 Start-ups neu entstehen könnten, wenn die 250 Millionen Euro zielgerich­tet und sinnvoll eingesetzt werden.

 ?? FOTO: OLIVER DIETZE ?? Bernd Pohl und Carolin Ackermann, die Sprecher des Start-up-Verbandes Saarland, fordern eine bessere Finanzieru­ng von jungen Unternehme­nsgründern im Saarland.
FOTO: OLIVER DIETZE Bernd Pohl und Carolin Ackermann, die Sprecher des Start-up-Verbandes Saarland, fordern eine bessere Finanzieru­ng von jungen Unternehme­nsgründern im Saarland.

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