Kritische Lesereihe mit deutschen und französischen Autoren
,,Literatur der Transformation“thematisiert brandaktuelle Themen, wie die Wirtschaftskrise, Migrations- und Integrationsfragen oder den Klimawandel.
SAARBRÜCKEN (SZ) Um Themen, die uns allen auf den Nägeln brennen, geht es in der neuen deutsch-französischen Lesereihe „Literatur der Transformation“, die das Saarländische Staatstheater gemeinsam mit dem Saarländischen Ministerium für Bildung und Kultur, SR 2 Kulturradio und dem Institut d'Études Françaises Saarbrücken veranstaltet. Ideengeber für die Reihe sind Eva Corino vom Ministerium für Bildung und Kultur, Tilla Fuchs vom SR und Bodo Busse vom Saarländischen Staatstheater.
Acht namhafte Autoren und Autorinnen aus Deutschland und Frankreich werden von Februar bis Juni 2024 nach Saarbrücken kommen und Bücher vorstellen, die sich mit brandaktuellen Themen wie Klimawandel, Wirtschaftskrise, Migrations- und Integrationsfragen, sozialer Spaltung der Gesellschaft und dem wachsenden Rechtsruck auseinandersetzen. Eingeladen sind Philippe Lançon und Laurent Gaudé, Cynthia Fleury und Maylis de Kerangal, Arno Bertina, Lukas Rietzschel, Adrian Pourviseh und Mithu Sanyal. Die Schlüsselfrage der Veranstaltungsreihe lautet: Wie können deutsche und französische Autoren Transformationsprozesse literarisch begleiten, Erfolg und Scheitern abbilden, Gefahren erkennen und vor ihnen warnen? Was können wir für die kommenden Jahre von ihnen lernen?
Die Lesungen und Gespräche mit den Autoren sollen auch für diejenigen zugänglich sein, die nur wenig oder gar kein Französisch sprechen. Deshalb werden bei Veranstaltungen mit französischsprachigen Gästen die wesentlichen Inhalte von den Moderatoren übersetzt und die Auszüge aus den Büchern von Schauspielern des Staatstheaters auf Deutsch vorgetragen.
Zum Auftakt der Serie am Sonntag, 25. Februar, um elf Uhr im Mittelfoyer des Saarländischen Staatstheaters spricht der bekannte Journalist und gebürtige Saarländer Nils Minkmar mit dem Journalisten und Autoren Philippe Lançon, der 2015 schwer verletzt das Attentat auf die französische Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“überlebte. In seinem einzigartigen Roman „Der Fetzen“beschreibt er, wie das Attentat seine Existenz in ein „Vorher“und in ein „Nachher“teilte. Vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse in Israel und im Gaza-Streifen hat sein Buch erneut an Aktualität gewonnen.
Nils Minkmar wird auch mit der französischen Psychoanalytikerin und Philosophin Cynthia Fleury, diskutieren. Deren Buch „Hier liegt Bitterkeit begraben. Über Ressentiments und ihre Heilung“schaffte es letzten Sommer auf die Spiegel Bestsellerliste. Fleury zeigt, wie man als Individuum seine Traumata überwinden und wieder anfangen kann, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und zugleich an einem demokratischen Gemeinwesen mitzubauen. Die Veranstaltung ist am 30. Mai um elf Uhr im Mittelfoyer des Saarländischen Staatstheaters.
Auch Autorin Maylis de Kerangal, deren Erzählungsband „Kanus“2023 in deutscher Übersetzung erschienen ist, wird bei der Lesereihe zu Gast sein. Ihr Erzählungsband handelt von den feinen Modulationen der menschlichen Stimme und wie sie große Veränderungen in den Biografien der Figuren ankündigen. Den literarischen Durchbruch erlebte de Kerangal mit ihrem Roman „Die Lebenden reparieren“. Die Lesung findet am 6. Juni um 19.30 Uhr im Pingussonbau statt.
Den politischen Rechtsruck thematisiert der junge ostdeutsche Autor Lukas Rietzschel. In seinem Debüt „Mit der Faust in die Welt schlagen“erzählt er von zwei Brüdern in der sächsischen Provinz: Der eine sieht traurig zu, wie der andere in den Bann einer rechtsradikalen Gruppierung gerät. Durch die Augen dieser beiden Brüder wirft der Autor einen genauen Blick auf die Nachwendezeit in den neuen Bundesländern, als Fabriken schlossen, die Menschen entlassen und ihre Biographien entwertet wurden. Diese Transformation wider Willen ist auch das Thema in dem zweiten Roman von Lukas Rietzschel, in dem die Charaktere wie „Raumfahrer“zwischen Ost und West, dem Damals und dem
Heute schweben. Die Veranstaltung gibt es am 27. März, 19.30 Uhr im Pingussonbau.
Für seine dokumentarische Erzählung „Ceux qui trop supportent (Diejenigen, die zu viel ertragen)“erhielt Arno Bertina 2022 den Preis für das beste Buch über die Arbeitswelt. 2017 besuchte der Autor den Automobilzulieferer „GM&S“und beobachtete, wie die Arbeiter gegen die Schließung ihrer Fabrik kämpften. Vier Jahre begleitete Bertina die Arbeiter bei diesem Kampf, beschrieb ihre Gedanken, ihre Gefühle und Handlungen.25. Seine Lesung findet am 25. April um 19.30 Uhr in der Villa Europa statt.
Eine düstere Dystopie entwirft der Goncourt-Preisträger Laurent Gaudé in „Hund 51“. Er schreibt über eine Metropole der Zukunft, die in drei Zonen geteilt ist. Die Reichen leben im Zentrum unter einem gläsernen „Klimadom“, wo sie vor gefährlichen Umwelteinflüssen geschützt sind. Die armen Ränder bilden „Zone 3“– und die Menschen, die dort hausen, sind einem ätzenden sauren Regen ausgesetzt. Dort lebt auch der Held des Krimiromans, ein griechischer Hilfspolizist, der den Fall seines Lebens zu lösen versucht. Seine Lesung gibt es am 3. März um 18 Uhr im Studio Eins (Funkhaus Halberg).
Um Einwanderung geht es in dem Comic „Das Schimmern der See“, den der junge iranisch-deutsche Autor Adrian Pourviseh geschrieben und gezeichnet hat. Vor zwei Jahren war der Autor an Bord der „Seawatch 3“, einem Seenotrettungsboot auf dem Mittelmeer. Der Comic beschreibt die Anspannung bei den Einsätzen und die Bedrohung durch die libyschen Küstenwache, die für ihre Pushback-Aktionen bekannt ist. Am 14. April um 18 Uhr, findet die Veranstaltung im Studio Eins (Funkhaus Halberg) statt.
Mit den Folgen der Migration beschäftigt sich auch die Autorin Mithu Sanyal, die als Tochter eines indischen Vaters und einer Polin in Düsseldorf aufwuchs. In Sanyals Erfolgsbuch „Identitti“leidet die junge Heldin Nivedita darunter, dass sie sich nirgends richtig zu Hause fühlt, weder in der indischen noch in der polnischen oder deutschen Community. Kenntnisreich und mit befreiendem Witz schreibt Mithu Sanyal in „Identitti“über die aktuellen Diskurse um Gender, Race und Cancel culture. Ihre Lesung ist am 13. Mai um 19.30 Uhr im Mittelfoyer Saarländisches Staatstheater.
Karten für alle Veranstaltungen gibt es seit dem 12. Januar an der Vorverkaufskasse des Saarländischen Staatstheaters oder online unter www. staatstheater.saarland. Der Eintritt kostet 10 Euro (ermäßigt sieben).