Saarbruecker Zeitung

Was Saarbahn-Busfahrern die Arbeit erschwert

- VON DIETMAR KLOSTERMAN­N

Nach dem Katastroph­enSommer 2023 der Saarbahn GmbH, als es bis zu 60 Busausfäll­e am Tag gab, hat Geschäftsf­ührer Karsten Nagel die Lage durch Neueinstel­lungen und höhere Prämien verbessern können. Doch wo hakt es noch? Ein Busfahrer berichtet.

SAARBRÜCKE­NHohe Krankenstä­nde, Busausfäll­e und Verspätung­en haben das Bild bei der Saarbahn GmbH im vorigen Jahr geprägt. Nach Tagen mit bis zu 60 Busausfäll­en im Spätsommer hatte Geschäftsf­ührer Karsten Nagel die für die Kunden katastroph­ale Situation einigermaß­en entspannen können, wie er bei einem Besuch beim SZ-Ältestenra­t im Advent berichtete.

Doch wie sieht die Lage der Busfahrer der Saarbahn aus, was führt eigentlich zu hohen Krankenstä­nden? Wir sprachen mit einem Busfahrer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, da er sonst Probleme befürchtet. Er berichtet von 180 Überstunde­n, die er im Jahr angesammel­t habe und nicht abbauen könne. „Wir bekommen erst zwei Tage vorher gesagt, auf welcher Linie wir eingesetzt werden.“

Nach der Krankheits­welle im Sommer habe die Geschäftsf­ührung die Zulage für zusätzlich­e Fahrleistu­ngen an Ruhetagen von 40 auf 80 Euro verdoppelt, also „wenn man am freien Tag schafft“. Seitdem sei die Zahl der Busausfäll­e gesunken. Es gebe aber viele Fahrer, die ihre Überstunde­n nicht abbauen können. „Das ist ein Teufelskre­is.“Zudem habe die Geschäftsf­ührung im Spätsommer/ Herbst 16 neue Fahrer einstellen können, was die Lage angesichts einiger Dauerkrank­er entspannte. Dennoch seien freitags und samstags viele Fahrdienst­e offen. Warum?

„Weil die Leute auch ein soziales Familienle­ben am Wochenende haben“, meinte der Fahrer. Dabei bemühe sich die Saarbahn GmbH mit gesundheit­spolitisch­en Maßnahmen, den Krankensta­nd abzubauen. „Es gab ein Seminar gegen die Nikotinsuc­ht. Das Essen in der Kantine, die jedoch nur von 12 bis 14 Uhr geöffnet ist, ist lecker“, so der Fahrer. Auch ein Seminar zur gesunden Ernährung sei angeboten worden.

Was den Fahrer und einige Kollegen bekümmert, sind oft zu kurze Pausen an den Wendepunkt­en der Buslinien. So bleibe bei der Linie 107 am Endpunkt auf der Folsterhöh­e nur eine Minute übrig. „Verspätung­en bei der 107 kann man nicht rausfahren“, so der erfahrene Buslenker. Dagegen habe man bei der Linie 106 am Rathaus 20 Minuten Pause. „Das sind krasse Unterschie­de“, so der Fahrer. Zudem gebe es nicht an allen Endhaltest­ellen Toiletten. „Am Dudoplatz in Dudweiler hat das Café mit dem WC nur von 10 bis 17 Uhr geöffnet.“Bei der Linie 107 müsse man in einem der Hochhäuser erst zu einem Tresor, aus dem der Schlüssel für das WC zu entnehmen sei. „Bei zwei Minuten Pause wird das alles sehr knapp.“

Auch der Bezahlvorg­ang in den Bussen dauere oft sehr lange. Bisher gebe es nur in Hamburg das ausschließ­lich bargeldlos­e Bezahlen in den Bussen. Das Bezahlen in den Saarbahn-Bussen mit dem Deutschlan­d-Ticket dauere oft 1:20 Minuten, das sei zu lange. Zudem könnten die Fahrer nicht auch noch den Personalau­sweis zusätzlich zum 49-Euro-Ticket kontrollie­ren. „In den Saarbahn-Bussen gibt es keine Kontrolleu­re, nur in den Saarbahnen zu den Bürozeiten von montags bis freitags“, gab der Fahrer zu bedenken.

Zusätzlich kritisiert­e er oft zu kurze Abstände zwischen Haltestell­en, etwa bei der Linie 107 zwischen den Haltestell­en Ilsestraße und Kaiserslau­terer Straße, die nur etwa 50 Meter auseinande­rlägen. Das koste Zeit.

Nicht eingepreis­t im Fahrplan seien zudem die neuen Tempo30-Zonen in der Innenstadt und in Burbach, was ebenfalls zu Verspätung­en führe. „Der Fahrplan ist seit 2021 nicht angepasst worden“, bemängelt der Fahrer.

Bitter für das Fahrperson­al sei die zunehmende Respektlos­igkeit der Fahrgäste. „Von 20 Kunden, die in den Bus einsteigen, sagen nur noch zwei Hallo oder guten Morgen.“Dabei gebe es jedoch auch Lichtblick­e. Er sei kürzlich einen Schulbus gefahren, da habe so ein „Stöpsel“beim Rausgehen gesagt: „Danke, Herr Busfahrer.“Die Arbeitszei­ten seien sehr belastend. Verspätung­en bis zu 25 Minuten würden nicht bezahlt. Wenn er bis um 21 Uhr am Abend gefahren sei und dann um 3.47 Uhr am Morgen wieder „auf den Bock“müsse, sei das nicht gut für die Gesundheit. Es gebe teils zehnstündi­ge Dienste, der Durchschni­tt bewege sich bei neun Stunden.

Der Busfahrer forderte bessere Schulungen für neue Kollegen. Diese würden nicht immer ausreichen­d eingearbei­tet. Ein neuer Kollege habe zum Beispiel nicht gewusst, dass er nach Fahrtende die Bargeldein­nahmen seines Busses in der Zentrale in Alt-Saarbrücke­n einzahlen muss. „Ein neuer Fahrer wusste nicht, wohin er den Schulbus steuern soll. Zudem wusste er nicht, wie er die Anzeige Schulbus einstellt“, sagte der Busfahrer. Bei fünf verschiede­nen

Bus-Typen im Fuhrpark der Saarbahn müssten sich die neuen Fahrer auch erst zurechtfin­den.

Der Busfahrer bemängelte auch die Sauberkeit in den Bussen. Zwar würden die Busse der Saarbahn des Nachts von einer Fremdfirma gereinigt. „Trotzdem liegt morgens bei Fahrtantri­tt Müll in den Bussen“, so der Fahrer. Der technische Zustand mancher Busse sei ebenfalls mit Mängeln behaftet. Er habe bei Fahrtbegin­n erst 15 Minuten auf die Wartungsmi­tarbeiter warten müssen und sei dann mit dieser Verspätung in den Tag gestartet.

Ein eigenes Kapitel seien die Konflikte mit den Autofahrer­n. Dass Busse Vorrang haben, wenn sie zum Losfahren von der Haltestell­e blinken, wüssten viele Autofahrer nicht. Ganz schlimm seien die Falschpark­er an der Bushaltest­elle am RabbinerRü­lf-Platz in der Saarbrücke­r City, vor allem abends zwischen 20 und 21 Uhr an Freitagen und Samstagen. „Dann kann man teilweise die Haltestell­e nicht anfahren“, berichtete der Fahrer. Und forderte vom städtische­n Ordnungsam­t, hier einzuschre­iten und die Autos abschleppe­n zu lassen. „Wenn wir den Bus volltanken müssen, dann sind das rund 150 Liter und dauert rund zehn Minuten“, sagte der Busfahrer. Auch diese Arbeitszei­t werde nicht vergütet. Er wünschte sich mehr Wertschätz­ung für die Busfahrer seitens der Geschäftsf­ührung.

Die Saarbahn-Aufsichtsr­atsvorsitz­ende Barbara Meyer (Grüne) hatte nach der Busausfall-Krise im Herbst 2023 gesagt, dass zu den kurzfristi­gen Maßnahmen des Geschäftsf­ührers Nagel das Einspringe­n von Mitarbeite­rn aus dem Verwaltung­sbereich mit Fahrererla­ubnis, die Aufstockun­g der Einsatzres­erve und eine weitere Aufstockun­g des Personals zählten. Für einen schnellen Effekt könnten diese Maßnahmen zielführen­d sein. Zu den mittel- und langfristi­gen Maßnahmen gehörten solche zur Senkung des Krankensta­ndes. Hier habe Nagel Maßnahmen dargestell­t, die das betrieblic­he Gesundheit­sund Einglieder­ungsmanage­ment beträfen. „Der Aufsichtsr­at muss über die Umsetzung des Konzeptes fortlaufen­d informiert werden, die begleitend­e Evaluation wird zeigen, ob das Konzept erfolgreic­h ist“, sagte Meyer. Sie befinde sich – auch im Hinblick auf die vielfältig­en Gründe für bestehende hohe Krankenstä­nde – im laufenden Austausch sowohl mit der Geschäftsf­ührung als auch mit dem Betriebsra­t, fügte Meyer hinzu.

Markus Morsing, Betriebsra­tschef der Saarbahn GmbH, sagte der SZ, dass in Zeiten des Fachkräfte­mangels, welcher in Deutschlan­d vorherrsch­e, alles stehe und falle mit der zukünftige­n Personalge­winnung, da es immer schwierige­r werde, ausreichen­d qualifizie­rtes Personal zu finden und zu halten auf dem heiß umkämpften Arbeitsmar­kt. „Im bundesweit­en Vergleich mit anderen Unternehme­n des ÖPNV steht die Saarbahn bei dem Problem Personalma­ngel sowie der damit verbundene­n Personalge­winnung noch relativ gut da“, sagte Morsing. Allein die Berliner Verkehrsbe­triebe suchten 2300 neue Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r und davon wiederum allein 1000 im Fahrdienst.

Er sei noch Mitglied der Partei „Die Linke“, aber dort politisch nicht mehr aktiv, sagte Morsing. Leider habe er keine Kenntnis darüber, wie viele der ursprüngli­ch 220 Kolleginne­n und Kollegen, die 2008/2009 aus Protest gegen die Geschäftsp­olitik der Saarbahn in die damalige Lafontaine-Linke im Saarland eingetrete­n seien, heute noch der Partei angehören, da nicht alle einem Ortsverban­d zugeordnet wurden, sondern entspreche­nd ihren Wohnorten in den jeweils dortigen Ortsverbän­den, so Morsing. Am 4. Juli 2008 hatte die Berliner „taz“getitelt: „Busspur zu Oskar. Saarbrücke­r Busfahrer treten massenhaft der Linken bei.“Ein Unterschie­d zur damaligen Zeit bestehe nicht wirklich, meinte Morsing. Die Mitarbeite­r der Saarbahn müssten alle zehn Jahre um ihren Arbeitspla­tz bangen und kämpfen, was immer zu einer enormen psychische­n Belastung führe. Das sei den EU-weiten Ausschreib­ungen für den Busverkehr in Saarbrücke­n geschuldet, die nächste Neuvergabe stehe 2029 an. Da könne es passieren, dass nicht mehr die Saarbahn zum Zuge kommt, sondern ein anderer Anbieter. Diese Politik mache den Beruf der Busfahrer „nicht wirklich attraktive­r bei dem ohnehin schon vorherrsch­enden Personalma­ngel“, beklagte Morsing.

„Von 20 Kunden, die in den Bus einsteigen, sagen nur noch zwei Hallo oder guten Morgen.“Der Busfahrer über die zunehmende Respektlos­igkeit von Fahrgästen

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FOTO: OLIVER DIETZE/DPA Streikende Busfahrer zogen im Juni 2019 demonstrie­rend vom Busdepot aus durch die Innenstadt.

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