Saarbruecker Zeitung

Bloß kein Kater nach dem Rausch

Zweiter EM-Auftritt der deutschen Handballer gegen Nordmazedo­nien am Sonntag wird quasi schon zum „Endspiel“.

- VON CHRISTOPH STUKENBROC­K UND MORITZ LÖHR

BERLIN (sid) Alfred Gislason war bester Laune. Der Bundestrai­ner hockte in seinem Hotelzimme­r am Berliner Lützowufer, plauderte gelöst über den EM-Traumstart, sprach über die Bedeutung des bevorstehe­nden „Endspiels“gegen den krassen Außenseite­r Nordmazedo­nien – und verlor dabei die Zeit völlig aus den Augen. „Wenn man es streng sieht, war er zu spät“, scherzte DHBYoungst­er Julian Köster später mit Blick auf die Essenszeit­en, „aber ich glaube, zahlen muss er nichts.“

Die Stimmung bei Deutschlan­ds Handballer­n ist prächtig vor ihrer zweiten EM-Prüfung – obwohl das Duell mit dem Balkan-Team am Sonntag (20.30 Uhr/ZDF und Dyn)

„Die Sinne sind geschärft.“Kapitän Johannes Golla vor dem Spiel der deutschen Handballer gegen Nordmazedo­nien

gewisserma­ßen schon ein K.o.-Spiel ist. Nordmazedo­nien, warnte Gislason im Dyn-Interview, sei keine Laufkundsc­haft. „Verlieren wir das nächste Spiel, könnten wir auch draußen sein.“Und Kapitän Johannes Golla meinte im ZDF-Morgenmaga­zin: „Das Spiel gegen Nordmazedo­nien ist wie ein Endspiel. Wenn wir uns da nicht gut präsentier­en, hat uns das fulminante Auftaktspi­el auch nichts gebracht.“

Bloß kein Kater nach dem Rausch, so lautet die Devise beim DHBTeam. Auf dem Weg zu einem neuen Wintermärc­hen wollen Golla und Co. in Berlin mit seiner schmucken Mercedes-Benz Arena unbedingt ihr zweites Erfolgskap­itel schreiben, denn sie wissen: Mit einem weiteren Sieg können sie ihren tollen Turniersta­rt am Sonntag veredeln. Bei einem Erfolg winkt das vorzeitige Hauptrunde­nticket, eine Niederlage würde den Druck vor dem Vorrundenf­inale gegen Rekordwelt­meister Frankreich dagegen deutlich erhöhen. „Die Sinne sind geschärft“, versprach Golla.

Fakt ist: Das DHB-Team möchte den Rückenwind vom Weltrekord­Spiel vor 53 586 Fans gegen die Schweiz (27:14) unbedingt nutzen und die Handball-Euphorie im Land weiter befeuern. Der imponieren­de Erfolg und die atemberaub­ende Atmosphäre habe die Mannschaft „sicher beflügelt“, so Golla: „Es hat uns gezeigt, wie groß die Euphorie werden kann. Aber es war das erste Spiel im Turnier.“

Nun wartet mit der Nordmazedo­nien-Partie ein laut Torhüter Andreas Wolff „ganz, ganz anderes Spiel“. Gislason charakteri­siert den Gegner als „sehr emotionale Mannschaft, die mit sehr viel Herz spielt. Wichtig für uns ist, dass wir mit der gleichen Einstellun­g und dem gleichen Fokus in dieses Spiel gehen.“

Größter Star des nächsten DHBGegners ist Kiril Lazarov. Jahrelang machte dieser als gefürchtet­er Torjäger von sich reden, als bester Werfer der WM-Geschichte, als erster Spieler mit über 1000 Europapoka­ltreffern. Nun sitzt er als Trainer auf der Bank der Nordmazedo­nier. Auch die deutschen Erinnerung­en an König Kiril sind nicht die besten. Zwei Duelle gab es in der EM-Historie gegen Nordmazedo­nien bislang: 2012 im serbischen Nis behielt das DHB-Team noch knapp die Oberhand (24:23), 2018 reichte es in der Vorrunde in Zagreb nur zu einem 25:25. Lazarov hatte maßgeblich­en Anteil an der deutschen EM-Enttäuschu­ng, der Rückraumsp­ieler traf fünf Mal.

Die besten Zeiten des nordmazedo­nischen Handballs sind allerdings vorbei. Nach einer Übergangsp­hase als Spielertra­iner konzentrie­rt sich Lazarov seit 2022 auf seine Rolle als

Trainer. Mit mäßigem Erfolg. Ohne zahlreiche andere Stars, die zusammen mit Lazarov aufhörten, gab es zuletzt kaum etwas zu holen. Bei der

EM 2022 landete Nordmazedo­nien auf Platz 22 (von 24 Teams), vergangene­s Jahr bei der WM langte es noch zu Rang 27 (von 32).

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FOTO: ANDERSEN/AFP Wenn der Trainer der Star der Mannschaft ist: Kiril Lazarov (Mitte) war als Spieler gefürchtet, keiner erzielte so viele Tore bei Weltmeiste­rschaften wie er. Jetzt steht Lazarov an der Seitenlini­e von Nordmazedo­nien – und will mit seinem Team an diesem Sonntag Deutschlan­d ärgern.

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