Bauernproteste gehen in die zweite Runde
wirte am Montag mit einer Großdemonstration in Berlin noch einmal kräftig für ihre Anliegen trommeln. Tausende Traktoren werden in der Hauptstadt erwartet. Auslöser der Aktionswoche waren die Einsparpläne der Bundesregierung für den Haushalt 2024. Ebenfalls am Montag soll es ein Treffen der Vorsitzenden der drei Ampel-Fraktionen mit Landwirtschaftsverbänden geben. Während im Vorfeld aus der Ampel kompromissbereite Töne zu hören waren, machte der Bauernverband weiter Druck und forderte eine komplette Rücknahme der Mehrbelastungen.
Dabei hatte der Bauernprotest bereits Wirkung gezeigt, denn die Bundesregierung ließ einen Teil der ursprünglich geplanten Subventionsstreichungen bereits fallen. Vorgesehen war, sowohl die Vergünstigung des Agrardiesels als auch die Kfz-Steuerbefreiung für Landwirtschaftsfahrzeuge zu streichen. Die Kfz-Steuerbefreiung wird nun doch bestehen bleiben. Die AgrardieselVergünstigung soll schrittweise über drei Jahre abgebaut werden.
„Das ist eine Lösung, die den Landwirtinnen und Landwirten hilft und gleichzeitig die Gesamtverantwortung für den Haushalt im Blick behält“, sagte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann. Zugleich lehnte sie eine Fortführung der bisherigen Landwirtschaftspolitik ab. „Ein einfaches ,Weiter so` wie bei der jahrzehntelangen Landwirtschaftspolitik von CDU/CSU kann keine Option sein“, betonte Haßelmann. Bäuerinnen und Bauern hätten mit ihren Protesten deutlich gemacht, dass es auch um Planungssicherheit und wirtschaftliche Perspektiven gehe. Haßelmann nannte das Höfesterben und Betriebsaufgaben eine „direkte Folge“der Politik der unionsgeführten Bundesregierung der vergangenen Jahre.
Haßelmann und die beiden Fraktionschefs von SPD und FDP, Rolf Mützenich und Christian Dürr, hatten die Einladung zum Treffen mit den Bauernverbänden gemeinsam am Mittwoch verschickt. Nach Mützenichs Worten will man über alle Vorschläge reden. Er hatte vor wenigen Tagen am Rande der SPDFraktionsklausur nicht ausgeschlossen, dass es weitere Änderungen bei den vorgesehenen Kürzungen der Agrarsubventionen geben könnte. Die landwirtschaftspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Susanne Mittag, betonte, dass es bei den Protesten nicht nur um den Agrardiesel gehe. „Es geht um die gesamte Bandbreite von Schwierigkeiten in der Landwirtschaft. EU, Bund, Länder, aber auch die Verbände müssen jetzt konstruktive Vorschlägen erarbeiten, damit Verfahren vereinfacht und Entscheidungen zügig getroffen werden“, sagte Mittag. Von den Verbandsvertretern forderte sie Gesprächs- und Verhandlungsbereitschaft ein.
FDP-Fraktionschef Dürr sprach sich vor allem für mehr Planungssicherheit und Bürokratieabbau für die Landwirte aus. „Für uns als FDP ist wichtig, dass unsere landwirtschaftlichen Betriebe künftig mehr Planungssicherheit bekommen und von Bürokratie befreit werden, damit sie erfolgreicher wirtschaften können“, sagte Dürr und fügte an: „Darüber werden wir in Berlin, aber auch in Brüssel sprechen müssen.“Zuvor hatte bereits Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner (FDP) weniger Regulierung und Bürokratie ins Spiel gebracht.
Doch Bauernpräsident Joachim Rukwied lehnte diesen Vorschlag klar ab: „Auch gut gemeinte Vorschläge zum Bürokratieabbau helfen nicht.“Er forderte einen „Politikwechsel“, der die Bedürfnisse der Bevölkerung, des Mittelstands, der Wirtschaft und der Landwirtschaft in den Vordergrund stelle. „Ich habe den Eindruck, dass die Ampelkoalition immer noch nicht verstanden hat: Faule Kompromisse beim Agrardiesel werden wir nicht akzeptieren“, sagte der Präsident des Bauernverbandes. Die starke Unterstützung aus der Gesellschaft gebe den Bauern Zuversicht.
In der Bundesregierung geht die Sorge um, dass sich die Proteste ausweiten und die gesellschaftliche Stimmung weiter aufheizen. So rief Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in einer Video-Botschaft am Samstag zu „Maß und Mitte“auf. „Wenn an sich legitime Proteste umkippen – und zwar pauschal in Wut oder Missachtung für demokratische Prozesse und Institutionen, dann verlieren wir alle. Profitieren werden dann nur diejenigen, die unsere Demokratie verachten“, so Scholz. Aufrufe zu Gewalt und persönliche Bedrohungen hätten in der Demokratie nichts verloren. Finanzminister Lindner will bei der Kundgebung der Landwirte am Montag reden. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte den wütenden Protest der Landwirte persönlich zu spüren bekommen, als er am 4. Januar am Verlassen einer Fähre in SchleswigHolstein gehindert wurde. Habeck werde sich in den kommenden Wochen mit Vertretern der Landwirtschaft treffen, um in „ruhiger, konzentrierter Atmosphäre“über die Lage der Landwirte zu sprechen, teilte eine Sprecherin auf Nachfrage mit.