Unerwartet große Demo gegen Rechts
In Saarbrücker demonstrierten am Sonntagnachmittag 5000 Menschen gegen die AfD, einen politischen Rechtsruck und Antisemitismus.
SAARBRÜCKEN Die Veranstalter hatten eine Kundgebung mit 60 Teilnehmern angemeldet, die Einsatzleitung der Polizei zählte letztlich 5000 Menschen. Bei der „Demo gegen Rechts“war der Saarbrücker Landwehrplatz am Sonntagnachmittag dicht gefüllt. Die frostigen Temperaturen von minus drei Grad Celsius schreckten die Menschen aller Altersgruppen keinesfalls ab, sie strömten scharenweise aus den Saarbahnen und Bussen.
Als Überraschungsgäste tauchten auch mehrere Landespolitiker auf, darunter Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD), Umweltministerin Petra Berg (SPD) und Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) sowie Anja Wagner-Scheid, die stellvertretende Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, und Ulrich Commerçon, der Chef der SPDFraktion im Landtag.
Die Kundgebung hatten die saarländischen Jusos auf den Weg gebracht, nachdem sie vom Geheimtreffen einflussreicher AfD-Politiker und bekannter Rechtsextremisten gehört hatten, bei dem besprochen wurde, wie Ausländer aus Deutschland vertrieben werden sollen. „Uns war klar, wir mussten etwas machen“, sagte Simon Ohl, Landesgeschäftsführer der Jusos Saar und Organisator der Veranstaltung. Die Jusos sind mit den Jugendorganisationen anderer Parteien und Organisationen gut vernetzt, sodass es ihnen sogar gelungen ist, sowohl die Junge Union und die Jungen Liberalen als auch die Linksjugend, die ansonsten wenig miteinander zu tun haben, für die Teilnahme zu gewinnen. Die Veranstaltung stand unter dem Motto „Für Vielfalt und gegen Faschismus“.
Viele Teilnehmer hielten Transparente und selbstgemalte Schilder in die Höhe. „Kein Bock auf Nazis“, „Nie wieder ohne Demokratie und Vielfalt“, „Nazis ansiedeln hinter dem Mond“oder „Die AfD will drei Viertel meiner Familie deportieren: AfD deportieren“war da zu lesen.
Eine Gegendemonstration war laut Polizei nicht angemeldet worden und tatsächlich verlief die Veranstaltung vollkommen friedlich.
Der Vorsitzende der Saar-Jusos, Steven Commey-Bortsie, erinnerte in seinem Redebeitrag an die Baseballschläger-Jahre, als in den 90er Jahren Horden von Skins und rechten Schlägerbanden mit Base
„Es gibt in der Demokratie andere Wege, seinem Unmut anders Luft zu machen, als die AfD zu wählen.“Steven Commey-Bortsie Vorsitzender der Saar-Jusos
ballschlägern Menschen mit Migrationshintergrund und mit linker Gesinnung vor allem durch Städte in Ostdeutschland jagten. Damals seien rund 200 Menschen getötet worden. „Die rechtsextreme Gesinnung ist nie wieder verschwunden, deshalb ist es so wichtig, dass hier ein breites Bündnis gegen Rechts und für Vielfalt und Demokratie einsteht“, sagte Commey-Bortsie. Nicht alle Wähler der AfD seien rechtsextrem, viele seien jedoch unzufrieden und frustriert über die Politik der regierenden Parteien. „Doch es gibt in der Demokratie viele andere Wege, seinem Unmut anders Luft zu machen, als die AfD zu wählen“, sagte der Juso-Vorsitzende.
Luca Zarbock vom „Jungen Forum“der Deutsch-Israelischen Gesellschaft im Saarland verwies darauf, dass jüdisches Leben in Deutschland durch einen wachsenden Antisemitismus immer stärker bedroht sei. Auch die AfD falle durch antisemitische Aussagen auf. „Nie wieder ist jetzt“, betonte Zarbock.
Für „Fridays for Future“erklärte Susanne Speicher, der Aufschrei gegen Rechts komme zu spät, denn die AfD sitze schon in zahlreichen Parlamenten. Das schönste Deutschland sei jedoch ein Deutschland der Vielfalt, wofür Demokraten eintreten müssten. Doch selbst in den Schulen würden die Kinder und Jugendlichen über die Gefahren von rechts nicht aufgeklärt. „Da Teile der Welt durch den Klimawandel unbewohnbar werden, ist es unsere Pflicht, den Klimaflüchtlingen eine neue Heimat zu bieten“, sagte Speicher.
Zwei spontane Teilnehmer, die das Publikum mit besonderen Beiträgen erfreuten, waren die Solokünstler Doktor Bauer und Manuel Sattler. Trotz klammer Finger griffen sie zur Gitarre, der Doktor trug Lieder von Rio Reiser vor, Sattler als Saarbrücker Liedermacher warb in seinen Mundart-Songs für Toleranz und Menschlichkeit.
Finn Schlicker, der Sprecher der Grünen Jugend Saar, beklagte die zahlreichen Foren in Internet, in denen Rechtsextreme gegen Andersdenkende und ausländische Mitbürger hetzten. Da sei von Umvolkung und Deportation die Rede, viele Menschen in Deutschland müssten wieder in Angst leben. Die Pläne von Rechtsextremen und Nazis für eine Massendeportation von Menschen mit Migrationshintergrund, die von AfD-Vertretern offenbar für gut befunden werden, „haben das Fass zum Überlaufen gebracht. Daher ist es unsere Pflicht, die Demokratie zu schützen“, so Schlicker.
Klare Worte gegen Annäherungsversuche an die AfD aus anderen Parteien fand Dennis Kundrus von der Linksjugend: „Alle, die mit der AfD liebäugeln, müssen von ihren Parteien rausgeschmissen werden.“Er lehnte auch eine Verschärfung des Asylrechts ab. Das erwecke den Eindruck, die AfD habe recht und „wird nur der AfD nützen“. Fabian Laßotta von der Jungen Union wertete das Auftreten der unterschiedlichen Jugendorganisationen bei der Saarbrücker Demo als ein „gemeinsamen Zeichen gegen Extremismus“. Die AfD sei eine antidemokratische Partei. „Sie spricht zwar Probleme an, hat aber keine Lösungen“, sagte Laßotta.
Warum sich die Jungen Liberalen der Kundgebung angeschlossen hatten, erklärte die saarländische Landesvorsitzende Verena Blacha: „Gegen Rechts gehen wir mit jedem auf die Straße.“Es gehe um unsere Freiheit, auch um die Freiheit, sagen zu können, was man wolle. Auch Blacha erklärte, die Wähler der AfD seien keineswegs alle Nazis. Es gebe viele Protestwähler, die die demokratischen Parteien zurückgewinnen müssten.
Alexander Jost von der DGB Jugend warf einen Blick in die Arbeitswelt. „Am Arbeitsplatz kommt es darauf an, dass wir uns auf unsere Kollegen verlassen können, dass wir ihnen vertrauen. Die Religion, Hautfarbe und sexuelle Orientierung spielen dabei keine Rolle.“Es sei sich sicher, dass auch die „stille Mehrheit“in Deutschland dieser Meinung sei. „Deshalb ist es wichtig, dass diese Mehrheit nicht weiter schweigt.“