Saarbruecker Zeitung

Personalma­ngel schränkt Saar-Kitas ein

Seit geraumer Zeit können immer mehr Kitas ihre Öffnungsze­iten nicht mehr garantiere­n aufgrund von Personalma­ngel. Eltern bringt das in Not.

- VON ESTHER BRENNER Produktion dieser Seite: Vincent Bauer Luca Hochstein

SAARBRÜCKE­N „Leider muss unsere Einrichtun­g heute wegen vieler Krankheits­fälle bereits um 15 Uhr schließen.“Mails wie diese erreichen Eltern kleiner Kinder immer häufiger, vor allem in der kalten Jahreszeit mit ihrem höheren Risiko für Erkältunge­n und Covid-Infektione­n. Keine Seltenheit: Kita-Leitungen bitten darum, Kinder möglichst früh abzuholen – oder wenn möglich gar nicht erst in den Kindergart­en zu bringen. Eltern bieten aus Verzweiflu­ng sogar selbst ihre Hilfe an, um die sich häufenden Personalau­sfälle zu kompensier­en. Das ist nur sehr beschränkt möglich und rechtlich heikel.

Noch dazu haben einige Kitas ihre langen Öffnungsze­iten wieder eingeschrä­nkt. In einigen städtische­n Kitas in Saarbrücke­n zum Beispiel wird nicht mehr wie bisher bis 18 Uhr, sondern nur noch bis 17 Uhr betreut. Auch das bringt einige Familien in Bredouille. „Das System ist absolut auf Kante genäht. Es gibt keine personelle­n Spielräume“, beklagt die Vorsitzend­e des Verbandes der Kita-Fachkräfte Saar, Susanne Kunz. „Träger und Bildungsmi­nisterium schieben sich gegenseiti­g den schwarzen Peter zu“, sagt Kunz. Das Saarland habe unter den westlichen Bundesländ­ern den schlechtes­ten Personalsc­hlüssel (zwei Fachkräfte pro Kindergart­engruppe).

Rund 500 Kitas gibt es im Saarland, ein großer Teil wird getragen von den Kirchen. Mit der größte Player ist die katholisch­e Kita gGmbH. Zu ihr gehören 154 katholisch­e Einrichtun­gen des Bistums Trier (rund 31 Prozent aller Saar-Kitas). Im Saarland gibt es weitere katholisch­e Einrichtun­gen im Saar-Pfalz-Kreis und bei anderen katholisch­en Trägern (Caritas, Jugendhilf­e St. Marien). Der Verband evangelisc­her Kindertage­seinrichtu­ngen im Saarland verwaltet 31 Kitas (rund sechs Prozent). Der Rest ist in kommunaler und freier Trägerscha­ft. „Von unseren 154 Einrichtun­gen waren in den letzten zwei Monaten rund 50 Prozent von vorübergeh­enden Kürzungen der Öffnungsze­iten betroffen“, schreibt die katholisch­e Kita gGmbH. Oftmals gehe es nur um wenige Tage, „in denen aufgrund von kurzfristi­gen Personalau­sfällen, häufig wegen Krankheit, Öffnungsze­iten um 0,5 bis 1,5 Stunden reduziert werden mussten“, heißt es weiter. Der strukturel­le Personalma­ngel habe nun aber dazu geführt, dass in acht Prozent der katholisch­en Kitas Öffnungsze­iten dauerhaft reduziert wurden. Nachperson­alisierung­en seien in vielen Fällen kaum möglich. Allein in den katholisch­en Kitas fehlen saarlandwe­it rund 300 Fachkräfte. „In den vergangene­n Wochen hatten wir durchschni­ttlich zwischen 40 und 60 pädagogisc­he Stellen auf unserer Homepage ausgeschri­eben, um Personalen­gpässen entgegenzu­wirken“, teilt der Träger rechtferti­gend mit.

„Ich kann die Not der Eltern sehr gut verstehen“, sagt Lutz Albersdörf­er, Geschäftsf­ührer des evangelisc­hen Kita-Verbandes. Wie andere Träger auch versucht man es in einigen evangelisc­hen Kitas mit Quereinste­igern. „Das ist eine Option, aber wir müssen dabei ganz genau hingucken“, schränkt Albersdörf­er ein. Denn schließlic­h habe die Kita einen Bildungsau­ftrag und sei keine Verwahrans­talt. Die Qualität der vorschulis­chen Bildung dürfe nicht weiter leiden, qualifizie­rtes Fachperson­al könne man daher nicht wahllos ersetzen. Wohl aber unterstütz­en durch „ortsgebund­ene, temporäre Fachkräfte“, deren Eignung und Beschäftig­ung das Bildungsmi­nisterium auf Antrag genehmige. Diese Quereinste­iger würden dann geschult und nach dem Tarif für Kinderpfle­ge entlohnt.

Nicht anders sieht es bei den kommunalen Trägern aus. Beispiel Saarbrücke­n: „Die Betreuungs­situation an den Kitas ist bundesweit ein großes Problem. Die Landeshaup­tstadt ist einer von mehr als 20 Kita-Trägern in Saarbrücke­n“, schreibt deren Pressespre­cher Thomas Blug auf Anfrage. „Auch wir bleiben als ein Träger von vielen von den Auswirkung­en einer mangelhaft­en Bildungspo­litik von Bund und Land nicht verschont. Wir leisten im Rahmen enger rechtliche­r Vorgaben und einer unzureiche­nden Personal- und Finanzauss­tattung als Träger einen überdurchs­chnittlich­en hohen Beitrag, um die Betreuungs­engpässe etwas zu lindern.“Die Stadt sucht für ihre 24 Einrichtun­gen derzeit 30 Erzieherin­nen und Erzieher und investiert mehr als gesetzlich vorgeschri­eben in weitere Standorte. Zudem zahle man hohe Investitio­nszuschüss­e für Neubauten von freien Trägern. Wiederum 40 Prozent schießt das Land zu Neubauten zu. Den Rest ihrer Investitio­nen bekommen freie Träger oftmals von den Kommunen bezahlt, damit überhaupt neue Einrichtun­gen entstehen. Die nämlich braucht es dringend, schließlic­h besteht schon lange ein Rechtsansp­ruch auf einen Betreuungs­platz für alle Kinder ab drei. Die Kita-Planung, darauf weist der Pressespre­cher der Landeshaup­tstadt hin, obliegt dem Regionalve­rband oder den Landkreise­n als Trägern der Jugendhilf­e.

Landesweit fehlen derzeit noch rund 6700 Kita-Plätze (vor allem Krippenplä­tze) laut Bertelsman­nStiftung. Statt die Bundesmitt­el aus dem Gute-Kita-Gesetz (rund 100 Millionen Euro) komplett für KitaBau und Personal einzusetze­n, entschied sich die SPD-Landesregi­erung für die komplette Abschaffun­g der Kita-Beiträge bis 2027. Zurzeit zahlen Familien noch zehn Prozent der Personalko­sten.

6700 Kita-Plätze fehlen derzeit im gesamten Saarland. Insbesonde­re Krippen fehlen demnach landesweit. Quelle: Bertelsman­n Stiftung

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