Projekt Profilschärfung: Leonhards HTW-Pläne
Im Januar hat die zweite Amtszeit von Dieter Leonhard als Präsident der Saarbrücker Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) begonnen. Ein wesentliches Ziel Leonhards scheint in greifbare Nähe zu rücken: ein Promotionsrecht für die HTW. Was hieße dies für seine Hochschule und was hat der 64-Jährige sich sonst noch bis Ende 2027 vorgenommen?
SAARBRÜCKEN Unabhängigkeit, sagt Dieter Leonhard, sei ihm immer äußerst wichtig gewesen. Verbiegen wollte er sich demnach nie, an seinem Amt kleben auch nicht. Gerade hat seine zweite Amtszeit als Präsident der Saarbrücker Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) begonnen. Dabei hätte er Ende 2023 auch in Ruhestand gehen können. Der Subtext dazu lautet also: Ich hätte es nicht nötig gehabt.
Als Leonhard sich im letzten Juni zur Wiederwahl stellte (und vom Hochschulrat einstimmig, vom Senat allerdings nur mit 14 von 23 Stimmen wiedergewählt wurde), tat er dies nach eigenen Worten, „weil ich noch einige Ideen umsetzen wollte“. Nach Lage der Dinge hat er dafür nun noch vier Jahre Zeit. Ende 2027, 68 Jahre wird er dann sein, soll Schluss sein.
Welche Ideen sind es, die ihn umtreiben? Hoch oben in seinem Eckbüro im 9. Stock des HTW-Hauses, unten fließt gemächlich der Feierabendverkehr auf der Stadtautobahn dahin, kommt der neue, alte Präsident da schnell auf die „weitere Profilbildung“seiner Hochschule zu sprechen. Gerade habe die HTW einen „Großgeräteantrag“für ein neues Raster-Elektronenmikroskop über rund eine Million Euro bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) bewilligt bekommen, erzählt Leonhard. Die Genugtuung ist ihm anzusehen. An „Forschungskompetenz“habe die HTW mittlerweile einiges vorzuweisen, schiebt er nach. Seit längerer Zeit bemüht sich Leonhard deshalb darum, dass die HTW – eine von mittlerweile gut 200 bundesdeutschen, wesentlich durch ihren hohen Anwendungs- und Praxisbezug in Lehre und Forschung definierten Hochschulen der angewandten Wissenschaften (HAW), die man früher schlicht Fachhochschulen (FHs) nannte – eine Promotionsbefähigung erhält. In Sachen Profilbildung wäre es ein maßgeblicher und überfälliger Schritt. Seit mehr als zehn Jahren, schon weit vor Leonhards Amtszeit also, wird daran herumgedoktert. Lange blockierte die Politik.
Bald soll es nun aber so weit sein. Im Zuge der immer wieder verschobenen, nun bis Mitte des Jahres in Aussicht gestellten Novelle des saarländischen Hochschulgesetzes soll die HTW endlich Promotionsrecht erhalten. Acht Bundesländer haben es längst realisiert, Rheinland-Pfalz plant es. Schon aus Konkurrenzund Imagegründen dürfe die HTW da nicht hinterherhinken, findet ihr Präsident. „Stellen Sie sich vor, wir schreiben eine Maschinenbauprofessur aus und könnten, anders als Kaiserslautern bald, kein Promotionsrecht anbieten.“Je mehr Bundesländer es ihren Fachhochschulen gewähren, desto mehr dürfte künftig auch in Saarbrücker Berufungsverhandlungen relevant sein, ob an der HTW wissenschaftlich Weiterentwicklungen möglich sind.
Es ist zwar nicht so, dass es bislang keine Promovierenden an der HTW gäbe. Doch müssen diese sich an der Universität des Saarlandes (oder einer anderen Uni) Erstbetreuer suchen, ihren eigenen Professoren bleibt nur die Zweitbetreuung vorbehalten. Ein unwürdiger Zustand. Zwar gibt es mehrere Kooperationsabkommen beider Hochschulen (in den Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften, in der Europaforschung und im Gesundheitsbereich), die solche CoBetreuungen erleichtern. „„Künftig ein eigenständiges Promotionsrecht zu haben, das hätte für uns natürlich einen Mehrwert.“, deutet Leonhard an, dass FHs im bestehenden Modus als zweitrangig abqualifiziert werden.
Er favorisiert für die HTW ein leistungsindiziertes Promotionsrecht nach dem (vom Wissenschaftsrat 2022 positiv evaluierten) Modell Hessens, das 2015 als erstes Bundesland seine HAWs aufgewertet hat. Konkret hieße das für die HTW: kein generelles Promotionsrecht für alle Fakultäten, sondern nur für forschungsstarke Fachrichtungen. Nicht nur Kooperationen mit außeruniversitären Einrichtungen wie etwa Fraunhoferinstituten, sondern auch sogenannte „Industriepromotionen“(unternehmensfinanzierte Doktorarbeiten) würden so erleichtert. Auch im internationalen Wettbewerb profitierte die Hochschule hiervon.
Die Internationalisierung der HTW ist ein weiteres Kernziel Leonhards in seiner zweiten Amtszeit. Zum nächsten Wintersemester wird man in der Fachrichtung Maschinenbau (nach „International Business“in BWL) einen zweiten englischsprachigen Bachelor-Studiengang einführen. „Da drückt uns der Schuh, was die Nachfrage angeht, besonders heftig“, so Leonhard. Aus Demographiegründen müssen alle deutschen Hochschulen, um ihren Aderlass zu begrenzen, mehr und mehr auf internationale Studierende setzen. Dazu müssen in allererster Linie mehr englischsprachige Studiengänge aufgelegt werden – auch für deutsche Studenten. Englisch ist die Wissenschaftssprache schlechthin. Die Saarbrücker HTW hat hier viel Nachholbedarf, räumt Leonhard ein. „Viele HAWs haben das schon stärker ausgeprägt.“Auch wenn es an der HTW immerhin auch zwei englischsprachige Masterstudiengänge gibt („Neural Engineering“in den Systemischen Neurowissenschaften und „International Management“in den Wirtschaftswissenschaften), ist klar: Das Vorhandene wird in Zukunft nicht ausreichen.
Englischsprachige Studienangebote seien in Deutschland immer noch unterrepräsentiert, sagt der HTWPräsident. Leonhard weiß, wovon er redet. Seit mehr als zehn Jahren ist er Sprecher des „Deutschen Hochschulkonsortiums für Internationale Kooperationen“(DHIK), das den Austausch der 38 unter seinem Dach verbundenen deutschen Hochschulen mit Partner-Unis in China, Mexiko und Indien (und wohl bald auch Südafrika und Kanada) koordiniert. Über das DHIK arrangieren die 38 beteiligten deutschen Hochschulen Studienaufenthalte in den außereuropäischen Partnerländern – im Regelfall für ein Jahr – und nehmen umgekehrt Studenten aus China, Indien und Mexiko hier auf. Bestehende Rahmenverträge mit den Ländern und Hochschulen domestizieren dabei das „Bürokratie-Gespenst“.
Geht es darum, den HTW-Horizont der nächsten Jahre (und damit sein eigenes präsidiales Zeitfenster) zu vermessen, landet man mit Dieter Leonhard früher oder später immer beim Thema Internationalität. Nicht nur vergisst er nie, das Deutsch-Französische Hochschulinstitut (DFHI) hervorzuheben, das in Form einer für beide Länder einzigartigen Kooperation der HTW und der Université de Lorraine in Metz zwölf französischsprachige Studiengänge anbietet, die alle in einen links- wie rechtsrheinisch anerkannten Doppelabschluss münden. Wobei diese hohe Messlatte, weil sie nicht zuletzt auch sprachlich hohe Anforderungen stellt, künftig auch niedriger wird liegen können, in dem wahlweise nur einzelne Module dies- oder jenseits der Grenze erworben und zertifiziert werden. Von der
DFHI springt Leonhard im Gespräch dann im Nu zur AUF und betont, wie hilfreich es sei, dass die HTW unlängst als erste ihrer Art ins weltweite französischsprachige Hochschulnetzwerk AUF („Agence Universitaire de la Francophonie“) aufgenommen wurde. Neue Kooperationen sollen daraus erwachsen. Gerade erst hat der Präsident die Fakultäten gebeten, auszuloten, welche Fachbereiche sich mit welchen französischsprachigen Universitäten auf dem afrikanischen Kontinent kurzschließen könnten.
Aufs Tablett gehört Internationalität für Leonhard nicht zuletzt auch wegen des Fachkräftemangels im Mint- und Pflegebereich, aber auch in technischen Berufen. Ungleich existenzieller noch tut es dies indessen für die Politik. „Allerdings müssen wir uns da fragen, inwieweit wir hier eine Willkommenskultur haben“, legt Leonhard den Finger in eine offene Wunde: Wie gastfreundlich ist unsere Gesellschaft? Gewährt sie Zugang nur noch nach marktgetriebenen KostenNutzen-Rechnungen? Derzeit kommt gut jeder sechste HTW-Studierende aus dem Ausland, gut die Hälfte davon aus Syrien und Frankreich. In den klassischen Technikstudiengängen sind die Studierendenzahlen an der HTW seit 2020 um 30 Prozent eingebrochen, bei den Elektrotechnikern sieht es ähnlich aus. Um gegenzulenken, dreht man in Saarbrücken auch an der Hochschulzugangsberechtigungsschraube: In zweisemestrigen „Pre-for Study“-Kursen können Bewerber aus dem Ausland fehlende Voraussetzungen zur Aufnahme eines ingenieurwissenschaftliches Studium nachholen. „Wir sind hier in der Region ja die größte Ingenieurschmiede“, meint der HTW-Präsident. Man tue also, was man könne.
Leonhard aber macht auch klar, dass seine Hochschule nun mal kein Unternehmen ist. Jobs zu generieren und Betriebe anzusiedeln, bleibe Aufgabe der Politik. Damit nicht genug, müsse sie soziale und ökonomische Rahmenbedingungen schaffen, die auswärtigen HTW-Studierenden wie auch HTW-Absolventen eine lukrative Bleibeperspektive eröffneten.
Und sonst? Die HTW-Kompetenz im KI-Bereich müsse erweitert werden, meint Dieter Leonhard. Passende Neuberufungen gehören dazu: eine Professur in der Produktionsinformatik, eine für KI-Anwendungen Dazu wird die bauliche Campusentwicklung ein roter Faden seiner Präsidentschaft bleiben. Der Erweiterungsbau für die Ingenieurwissenschaften ist auf den Weg gebracht. „Es wäre schön, ihn Ende 2027 auch noch einweihen zu können.“Dass das ein ambitioniertes Ziel ist, motiviert Leonhard umso mehr, es einzulösen.
„Künftig ein eigenständiges Promotionsrecht zu haben, das hätte für uns natürlich einen Mehrwert.“Prof. Dieter Leonhard HTW-Präsident