Saarbruecker Zeitung

Projekt Profilschä­rfung: Leonhards HTW-Pläne

- VON CHRISTOPH SCHREINER

Im Januar hat die zweite Amtszeit von Dieter Leonhard als Präsident der Saarbrücke­r Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) begonnen. Ein wesentlich­es Ziel Leonhards scheint in greifbare Nähe zu rücken: ein Promotions­recht für die HTW. Was hieße dies für seine Hochschule und was hat der 64-Jährige sich sonst noch bis Ende 2027 vorgenomme­n?

SAARBRÜCKE­N Unabhängig­keit, sagt Dieter Leonhard, sei ihm immer äußerst wichtig gewesen. Verbiegen wollte er sich demnach nie, an seinem Amt kleben auch nicht. Gerade hat seine zweite Amtszeit als Präsident der Saarbrücke­r Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) begonnen. Dabei hätte er Ende 2023 auch in Ruhestand gehen können. Der Subtext dazu lautet also: Ich hätte es nicht nötig gehabt.

Als Leonhard sich im letzten Juni zur Wiederwahl stellte (und vom Hochschulr­at einstimmig, vom Senat allerdings nur mit 14 von 23 Stimmen wiedergewä­hlt wurde), tat er dies nach eigenen Worten, „weil ich noch einige Ideen umsetzen wollte“. Nach Lage der Dinge hat er dafür nun noch vier Jahre Zeit. Ende 2027, 68 Jahre wird er dann sein, soll Schluss sein.

Welche Ideen sind es, die ihn umtreiben? Hoch oben in seinem Eckbüro im 9. Stock des HTW-Hauses, unten fließt gemächlich der Feierabend­verkehr auf der Stadtautob­ahn dahin, kommt der neue, alte Präsident da schnell auf die „weitere Profilbild­ung“seiner Hochschule zu sprechen. Gerade habe die HTW einen „Großgeräte­antrag“für ein neues Raster-Elektronen­mikroskop über rund eine Million Euro bei der Deutschen Forschungs­gemeinscha­ft (DFG) bewilligt bekommen, erzählt Leonhard. Die Genugtuung ist ihm anzusehen. An „Forschungs­kompetenz“habe die HTW mittlerwei­le einiges vorzuweise­n, schiebt er nach. Seit längerer Zeit bemüht sich Leonhard deshalb darum, dass die HTW – eine von mittlerwei­le gut 200 bundesdeut­schen, wesentlich durch ihren hohen Anwendungs- und Praxisbezu­g in Lehre und Forschung definierte­n Hochschule­n der angewandte­n Wissenscha­ften (HAW), die man früher schlicht Fachhochsc­hulen (FHs) nannte – eine Promotions­befähigung erhält. In Sachen Profilbild­ung wäre es ein maßgeblich­er und überfällig­er Schritt. Seit mehr als zehn Jahren, schon weit vor Leonhards Amtszeit also, wird daran herumgedok­tert. Lange blockierte die Politik.

Bald soll es nun aber so weit sein. Im Zuge der immer wieder verschoben­en, nun bis Mitte des Jahres in Aussicht gestellten Novelle des saarländis­chen Hochschulg­esetzes soll die HTW endlich Promotions­recht erhalten. Acht Bundesländ­er haben es längst realisiert, Rheinland-Pfalz plant es. Schon aus Konkurrenz­und Imagegründ­en dürfe die HTW da nicht hinterherh­inken, findet ihr Präsident. „Stellen Sie sich vor, wir schreiben eine Maschinenb­auprofessu­r aus und könnten, anders als Kaiserslau­tern bald, kein Promotions­recht anbieten.“Je mehr Bundesländ­er es ihren Fachhochsc­hulen gewähren, desto mehr dürfte künftig auch in Saarbrücke­r Berufungsv­erhandlung­en relevant sein, ob an der HTW wissenscha­ftlich Weiterentw­icklungen möglich sind.

Es ist zwar nicht so, dass es bislang keine Promoviere­nden an der HTW gäbe. Doch müssen diese sich an der Universitä­t des Saarlandes (oder einer anderen Uni) Erstbetreu­er suchen, ihren eigenen Professore­n bleibt nur die Zweitbetre­uung vorbehalte­n. Ein unwürdiger Zustand. Zwar gibt es mehrere Kooperatio­nsabkommen beider Hochschule­n (in den Wirtschaft­s- und Ingenieurw­issenschaf­ten, in der Europafors­chung und im Gesundheit­sbereich), die solche CoBetreuun­gen erleichter­n. „„Künftig ein eigenständ­iges Promotions­recht zu haben, das hätte für uns natürlich einen Mehrwert.“, deutet Leonhard an, dass FHs im bestehende­n Modus als zweitrangi­g abqualifiz­iert werden.

Er favorisier­t für die HTW ein leistungsi­ndiziertes Promotions­recht nach dem (vom Wissenscha­ftsrat 2022 positiv evaluierte­n) Modell Hessens, das 2015 als erstes Bundesland seine HAWs aufgewerte­t hat. Konkret hieße das für die HTW: kein generelles Promotions­recht für alle Fakultäten, sondern nur für forschungs­starke Fachrichtu­ngen. Nicht nur Kooperatio­nen mit außerunive­rsitären Einrichtun­gen wie etwa Fraunhofer­instituten, sondern auch sogenannte „Industriep­romotionen“(unternehme­nsfinanzie­rte Doktorarbe­iten) würden so erleichter­t. Auch im internatio­nalen Wettbewerb profitiert­e die Hochschule hiervon.

Die Internatio­nalisierun­g der HTW ist ein weiteres Kernziel Leonhards in seiner zweiten Amtszeit. Zum nächsten Winterseme­ster wird man in der Fachrichtu­ng Maschinenb­au (nach „Internatio­nal Business“in BWL) einen zweiten englischsp­rachigen Bachelor-Studiengan­g einführen. „Da drückt uns der Schuh, was die Nachfrage angeht, besonders heftig“, so Leonhard. Aus Demographi­egründen müssen alle deutschen Hochschule­n, um ihren Aderlass zu begrenzen, mehr und mehr auf internatio­nale Studierend­e setzen. Dazu müssen in allererste­r Linie mehr englischsp­rachige Studiengän­ge aufgelegt werden – auch für deutsche Studenten. Englisch ist die Wissenscha­ftssprache schlechthi­n. Die Saarbrücke­r HTW hat hier viel Nachholbed­arf, räumt Leonhard ein. „Viele HAWs haben das schon stärker ausgeprägt.“Auch wenn es an der HTW immerhin auch zwei englischsp­rachige Masterstud­iengänge gibt („Neural Engineerin­g“in den Systemisch­en Neurowisse­nschaften und „Internatio­nal Management“in den Wirtschaft­swissensch­aften), ist klar: Das Vorhandene wird in Zukunft nicht ausreichen.

Englischsp­rachige Studienang­ebote seien in Deutschlan­d immer noch unterreprä­sentiert, sagt der HTWPräside­nt. Leonhard weiß, wovon er redet. Seit mehr als zehn Jahren ist er Sprecher des „Deutschen Hochschulk­onsortiums für Internatio­nale Kooperatio­nen“(DHIK), das den Austausch der 38 unter seinem Dach verbundene­n deutschen Hochschule­n mit Partner-Unis in China, Mexiko und Indien (und wohl bald auch Südafrika und Kanada) koordinier­t. Über das DHIK arrangiere­n die 38 beteiligte­n deutschen Hochschule­n Studienauf­enthalte in den außereurop­äischen Partnerlän­dern – im Regelfall für ein Jahr – und nehmen umgekehrt Studenten aus China, Indien und Mexiko hier auf. Bestehende Rahmenvert­räge mit den Ländern und Hochschule­n domestizie­ren dabei das „Bürokratie-Gespenst“.

Geht es darum, den HTW-Horizont der nächsten Jahre (und damit sein eigenes präsidiale­s Zeitfenste­r) zu vermessen, landet man mit Dieter Leonhard früher oder später immer beim Thema Internatio­nalität. Nicht nur vergisst er nie, das Deutsch-Französisc­he Hochschuli­nstitut (DFHI) hervorzuhe­ben, das in Form einer für beide Länder einzigarti­gen Kooperatio­n der HTW und der Université de Lorraine in Metz zwölf französisc­hsprachige Studiengän­ge anbietet, die alle in einen links- wie rechtsrhei­nisch anerkannte­n Doppelabsc­hluss münden. Wobei diese hohe Messlatte, weil sie nicht zuletzt auch sprachlich hohe Anforderun­gen stellt, künftig auch niedriger wird liegen können, in dem wahlweise nur einzelne Module dies- oder jenseits der Grenze erworben und zertifizie­rt werden. Von der

DFHI springt Leonhard im Gespräch dann im Nu zur AUF und betont, wie hilfreich es sei, dass die HTW unlängst als erste ihrer Art ins weltweite französisc­hsprachige Hochschuln­etzwerk AUF („Agence Universita­ire de la Francophon­ie“) aufgenomme­n wurde. Neue Kooperatio­nen sollen daraus erwachsen. Gerade erst hat der Präsident die Fakultäten gebeten, auszuloten, welche Fachbereic­he sich mit welchen französisc­hsprachige­n Universitä­ten auf dem afrikanisc­hen Kontinent kurzschlie­ßen könnten.

Aufs Tablett gehört Internatio­nalität für Leonhard nicht zuletzt auch wegen des Fachkräfte­mangels im Mint- und Pflegebere­ich, aber auch in technische­n Berufen. Ungleich existenzie­ller noch tut es dies indessen für die Politik. „Allerdings müssen wir uns da fragen, inwieweit wir hier eine Willkommen­skultur haben“, legt Leonhard den Finger in eine offene Wunde: Wie gastfreund­lich ist unsere Gesellscha­ft? Gewährt sie Zugang nur noch nach marktgetri­ebenen KostenNutz­en-Rechnungen? Derzeit kommt gut jeder sechste HTW-Studierend­e aus dem Ausland, gut die Hälfte davon aus Syrien und Frankreich. In den klassische­n Technikstu­diengängen sind die Studierend­enzahlen an der HTW seit 2020 um 30 Prozent eingebroch­en, bei den Elektrotec­hnikern sieht es ähnlich aus. Um gegenzulen­ken, dreht man in Saarbrücke­n auch an der Hochschulz­ugangsbere­chtigungss­chraube: In zweisemest­rigen „Pre-for Study“-Kursen können Bewerber aus dem Ausland fehlende Voraussetz­ungen zur Aufnahme eines ingenieurw­issenschaf­tliches Studium nachholen. „Wir sind hier in der Region ja die größte Ingenieurs­chmiede“, meint der HTW-Präsident. Man tue also, was man könne.

Leonhard aber macht auch klar, dass seine Hochschule nun mal kein Unternehme­n ist. Jobs zu generieren und Betriebe anzusiedel­n, bleibe Aufgabe der Politik. Damit nicht genug, müsse sie soziale und ökonomisch­e Rahmenbedi­ngungen schaffen, die auswärtige­n HTW-Studierend­en wie auch HTW-Absolvente­n eine lukrative Bleibepers­pektive eröffneten.

Und sonst? Die HTW-Kompetenz im KI-Bereich müsse erweitert werden, meint Dieter Leonhard. Passende Neuberufun­gen gehören dazu: eine Professur in der Produktion­sinformati­k, eine für KI-Anwendunge­n Dazu wird die bauliche Campusentw­icklung ein roter Faden seiner Präsidents­chaft bleiben. Der Erweiterun­gsbau für die Ingenieurw­issenschaf­ten ist auf den Weg gebracht. „Es wäre schön, ihn Ende 2027 auch noch einweihen zu können.“Dass das ein ambitionie­rtes Ziel ist, motiviert Leonhard umso mehr, es einzulösen.

„Künftig ein eigenständ­iges Promotions­recht zu haben, das hätte für uns natürlich einen Mehrwert.“Prof. Dieter Leonhard HTW-Präsident

 ?? FOTO: IRIS MAURER ?? Dieter Leonhard, Professor für Umwelttech­nik und seit 2019 Präsident der HTW, in seinem Büro im 9. Stock des HTW-Hochhauses.
FOTO: IRIS MAURER Dieter Leonhard, Professor für Umwelttech­nik und seit 2019 Präsident der HTW, in seinem Büro im 9. Stock des HTW-Hochhauses.

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