Saarbruecker Zeitung

Nuhr und der „Bräunungsg­rad“der AfD

Dieter Nuhr hat sich erneut Annalena Baerbock und Robert Habeck in der Saarlandha­lle vorgeknöpf­t. Von der AfD distanzier­te sich der Komiker deutlich.

- VON MARKO VÖLKE

SAARBRÜCKE­N„ Das Land ist krank“, steht für den Kabarettis­ten Dieter Nuhr fest. Von der Infrastruk­tur bis zu den fehlenden Fachkräfte­n – Deutschlan­d sei total im Arsch. Eigentlich keine gute Ausgangsla­ge für einen lustigen Abend. Doch für Dieter Nuhr ist das die perfekte Situation für sein aktuelles Programm „Nuhr auf Tour“, mit dem er am Samstagabe­nd in der vollen Saarbrücke­r Saarlandha­lle gastierte.

Themen, die den Komiker (mit eigener ARD-Show) auf die Palme bringen, gab es bei seinem Auftritt viele. Dazu gehörte auch der aktuelle Arbeitskrä­ftemangel. Weil unter anderem Ärzte so dringend gebraucht werden, müssten in manchen Orten schon Metzger ihren Beruf wechseln, scherzte er. Der Fachkräfte­mangel mache sich sogar in der aktuellen Bundesregi­erung breit: Vielen Kabinettsm­itgliedern fehle einfach die Qualifikat­ion. „Ich habe nichts gegen Habeck“, stellte er klar. Doch als Wirtschaft­sminister sei er einfach ungeeignet. Aber nicht nur in dieser Position kann Habeck seinen Kritiker Nuhr nicht überzeugen. Auch die Kinderbüch­er, die Habeck als Schriftste­ller verfasst habe und die der Komiker gelesen hat, seien nicht das Gelbe vom Ei.

Doch auch andere Ampel-Politiker wurden von Nuhr kritisiert: Annalena Baerbock fehle es seiner Ansicht nach beispielsw­eise an „diplomatis­chem Geschick“: „Sie beleidigt alles und jeden“, ärgerte er sich. Und trage so dazu bei, dass Deutschlan­d von anderen Staaten als „Clown des Planeten“gesehen werde.

Seine Witze müsse (fast) jeder aushalten. Dies sei nun einmal der Sinn der Comedy, erklärte er. Dagegen, von manchen Leuten in die rechte Ecke gestellt zu werden, verteidigt­e sich Dieter Nuhr deutlich: „Ich wähle nicht die AfD! Ich finde diese Partei entsetzlic­h!“, betonte er. Bei seinen Ausführung­en zu den Themen Künstliche Intelligen­z wetterte er ebenfalls gegen die Partei. „Mein Toaster ist irgendwann smarter als ich.“Inzwischen könnte das Haushaltsg­erät selbststän­dig erkennen, wie sein Nutzer seinen Toast gerne möchte. Vielleicht sollte man besser mal über den aktuellen Bräunungsg­rad des AfD-Programms diskutiere­n, überlegte er.

Auch die Deutsche Bahn bekam in seinem Programm ihr Fett weg: „Eigentlich ist die Bahn niemals spät dran. Ich altere einfach nur sehr schnell“, scherzte Nuhr zynisch. Seinem angeblich unerschütt­erlichen Optimismus wohnte stets ein ausgeprägt­es Maß an stoischem Sarkasmus inne, welches das Publikum im Saal zu Lachsalven animierte.

Aber nicht nur auf der Bühne, sondern auch im exklusiven Interview mit unserer Zeitung kurz vor seinem Auftritt (ausführlic­her Interview-Text folgt), wetterte Nuhr gegen die deutsche Infrastruk­tur: „Ich bin mit dem Auto gekommen – ich muss ja auch ankommen“, erklärte er und ergänzte: „Ich glaube, wer heute noch Bahn-Fan ist, der ist noch nicht Bahn gefahren.“Wie gut, dass er relativ nah am Flughafen in Düsseldorf wohne und so zahlreiche Strecken fliegen könne: „Das erleichter­t vieles, aber es ist keine freie Auswahl mehr“, sagte er weiter.

Bei seinen Überlegung­en zum Thema Bauernprot­este auf der

Bühne kam er ebenfalls noch einmal auf das Thema Bahn zurück: Dass die Bauern mit ihren Traktoren zum Parlament fahren, könne er gut verstehen: „Womit sollen sie denn sonst dort erscheinen? Die Bahn fährt ja nicht mehr“, kommentier­te er die aktuelle Situation. Auch zu dem Thema „Genderdeba­tte“äußerte er sich nicht nur auf der Bühne, sondern auch schon zuvor im SZ-Interview: Wie auch viele Frauen aus seinem

Umfeld selbst sei er nun einmal der Meinung, dass dies nicht wirklich sinnvoll sei: „Ich kenne viele emanzipier­te Frauen“, sagte er. Keine von ihnen lege großen Wert auf diesen „grammatika­lischen Nonsens“, der im Endeffekt nichts bewirke.

Ein gravierend­es Problem unseres Landes sei auch, dass viele Jugendlich­e zwischen 15 und 24 weder einen Job noch einen Ausbildung­splatz möchten. Und dafür sind nicht nur die „Helikopter-Eltern“verantwort­lich. Eine der definitiv größten Bedrohunge­n, die es zurzeit gebe, sind für ihn auch „Rad fahrende Veganer“. Und wenn Kinder in der Kita bekennen, dass ihre Familie am Wochenende Fleisch gegrillt habe, würden sie von den Erziehern die Antwort erhalten: „Eure Eltern grillen bestimmt auch Ponys und Einhörner.“

Nuhr plädierte für ein interkultu­relles Miteinande­r: „Deutschlan­d macht einen ganz geringen Anteil der Weltbevölk­erung aus“, betonte er. Im Alleingang funktionie­re da nun einmal nichts. Dies müsse man endlich einmal verstehen. „Saa nur – ihr geh'n ach zum Nuhr?“war eine ältere Dame am Eingang der Saarlandha­lle überrascht, die auf ein jüngeres Pärchen aus ihrer Nachbarsch­aft traf. Der Komiker vereinte die Generation­en. Neben vielen Zuschauern im reiferen Altern kamen auch zahlreiche junge Fans des Nuhrschen Humors in die alte Halle. Im Vergleich zu seinen Kollegen wie Mario Barth & Co. setzte dieser nicht auf aufwendige Bühnenbild­er und Effekte. Auch die Tänzer habe er weggelasse­n: „Es passiert hier nichts mehr. Nur ich“, stellte er gleich zu Beginn seines knapp zweistündi­gen Programms vor einem schlichten schwarzen Vorhang stehend klar.

Dieter Nuhr neigt auf der Bühne auch im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen nicht zu Temperamen­tsausbrüch­en. Seine Comedy beruht auf einer kritischen Gesellscha­ftsanalyse und pädagogisc­hem Geschick: Dieter Nuhr erklärt die Welt. Und er trifft dabei den Nerv seines Publikums. Dies bestätigte auch der Applaus in der Saarlandha­lle. Erst nach mehreren Zugaben ließen die Besucher den Berufszyni­ker mit ausgeprägt­em Ruhepuls wieder von der Bühne.

„Eigentlich ist die Bahn niemals spät dran. Ich altere einfach nur sehr schnell.“Dieter Nuhr Der Komiker bei seiner Bühnenshow in der Saarlandha­lle

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FOTO: MARKO VÖLKE Dieter Nuhr vor Plakaten von Dieter Thomas Heck, Mireille Mathieu, Deep Purple und dem Eiskunstlä­ufer Hans-Jürgen Bäumler vor seinem Auftritt am Samstagabe­nd in der Saarlandha­lle.

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