Nuhr und der „Bräunungsgrad“der AfD
Dieter Nuhr hat sich erneut Annalena Baerbock und Robert Habeck in der Saarlandhalle vorgeknöpft. Von der AfD distanzierte sich der Komiker deutlich.
SAARBRÜCKEN„ Das Land ist krank“, steht für den Kabarettisten Dieter Nuhr fest. Von der Infrastruktur bis zu den fehlenden Fachkräften – Deutschland sei total im Arsch. Eigentlich keine gute Ausgangslage für einen lustigen Abend. Doch für Dieter Nuhr ist das die perfekte Situation für sein aktuelles Programm „Nuhr auf Tour“, mit dem er am Samstagabend in der vollen Saarbrücker Saarlandhalle gastierte.
Themen, die den Komiker (mit eigener ARD-Show) auf die Palme bringen, gab es bei seinem Auftritt viele. Dazu gehörte auch der aktuelle Arbeitskräftemangel. Weil unter anderem Ärzte so dringend gebraucht werden, müssten in manchen Orten schon Metzger ihren Beruf wechseln, scherzte er. Der Fachkräftemangel mache sich sogar in der aktuellen Bundesregierung breit: Vielen Kabinettsmitgliedern fehle einfach die Qualifikation. „Ich habe nichts gegen Habeck“, stellte er klar. Doch als Wirtschaftsminister sei er einfach ungeeignet. Aber nicht nur in dieser Position kann Habeck seinen Kritiker Nuhr nicht überzeugen. Auch die Kinderbücher, die Habeck als Schriftsteller verfasst habe und die der Komiker gelesen hat, seien nicht das Gelbe vom Ei.
Doch auch andere Ampel-Politiker wurden von Nuhr kritisiert: Annalena Baerbock fehle es seiner Ansicht nach beispielsweise an „diplomatischem Geschick“: „Sie beleidigt alles und jeden“, ärgerte er sich. Und trage so dazu bei, dass Deutschland von anderen Staaten als „Clown des Planeten“gesehen werde.
Seine Witze müsse (fast) jeder aushalten. Dies sei nun einmal der Sinn der Comedy, erklärte er. Dagegen, von manchen Leuten in die rechte Ecke gestellt zu werden, verteidigte sich Dieter Nuhr deutlich: „Ich wähle nicht die AfD! Ich finde diese Partei entsetzlich!“, betonte er. Bei seinen Ausführungen zu den Themen Künstliche Intelligenz wetterte er ebenfalls gegen die Partei. „Mein Toaster ist irgendwann smarter als ich.“Inzwischen könnte das Haushaltsgerät selbstständig erkennen, wie sein Nutzer seinen Toast gerne möchte. Vielleicht sollte man besser mal über den aktuellen Bräunungsgrad des AfD-Programms diskutieren, überlegte er.
Auch die Deutsche Bahn bekam in seinem Programm ihr Fett weg: „Eigentlich ist die Bahn niemals spät dran. Ich altere einfach nur sehr schnell“, scherzte Nuhr zynisch. Seinem angeblich unerschütterlichen Optimismus wohnte stets ein ausgeprägtes Maß an stoischem Sarkasmus inne, welches das Publikum im Saal zu Lachsalven animierte.
Aber nicht nur auf der Bühne, sondern auch im exklusiven Interview mit unserer Zeitung kurz vor seinem Auftritt (ausführlicher Interview-Text folgt), wetterte Nuhr gegen die deutsche Infrastruktur: „Ich bin mit dem Auto gekommen – ich muss ja auch ankommen“, erklärte er und ergänzte: „Ich glaube, wer heute noch Bahn-Fan ist, der ist noch nicht Bahn gefahren.“Wie gut, dass er relativ nah am Flughafen in Düsseldorf wohne und so zahlreiche Strecken fliegen könne: „Das erleichtert vieles, aber es ist keine freie Auswahl mehr“, sagte er weiter.
Bei seinen Überlegungen zum Thema Bauernproteste auf der
Bühne kam er ebenfalls noch einmal auf das Thema Bahn zurück: Dass die Bauern mit ihren Traktoren zum Parlament fahren, könne er gut verstehen: „Womit sollen sie denn sonst dort erscheinen? Die Bahn fährt ja nicht mehr“, kommentierte er die aktuelle Situation. Auch zu dem Thema „Genderdebatte“äußerte er sich nicht nur auf der Bühne, sondern auch schon zuvor im SZ-Interview: Wie auch viele Frauen aus seinem
Umfeld selbst sei er nun einmal der Meinung, dass dies nicht wirklich sinnvoll sei: „Ich kenne viele emanzipierte Frauen“, sagte er. Keine von ihnen lege großen Wert auf diesen „grammatikalischen Nonsens“, der im Endeffekt nichts bewirke.
Ein gravierendes Problem unseres Landes sei auch, dass viele Jugendliche zwischen 15 und 24 weder einen Job noch einen Ausbildungsplatz möchten. Und dafür sind nicht nur die „Helikopter-Eltern“verantwortlich. Eine der definitiv größten Bedrohungen, die es zurzeit gebe, sind für ihn auch „Rad fahrende Veganer“. Und wenn Kinder in der Kita bekennen, dass ihre Familie am Wochenende Fleisch gegrillt habe, würden sie von den Erziehern die Antwort erhalten: „Eure Eltern grillen bestimmt auch Ponys und Einhörner.“
Nuhr plädierte für ein interkulturelles Miteinander: „Deutschland macht einen ganz geringen Anteil der Weltbevölkerung aus“, betonte er. Im Alleingang funktioniere da nun einmal nichts. Dies müsse man endlich einmal verstehen. „Saa nur – ihr geh'n ach zum Nuhr?“war eine ältere Dame am Eingang der Saarlandhalle überrascht, die auf ein jüngeres Pärchen aus ihrer Nachbarschaft traf. Der Komiker vereinte die Generationen. Neben vielen Zuschauern im reiferen Altern kamen auch zahlreiche junge Fans des Nuhrschen Humors in die alte Halle. Im Vergleich zu seinen Kollegen wie Mario Barth & Co. setzte dieser nicht auf aufwendige Bühnenbilder und Effekte. Auch die Tänzer habe er weggelassen: „Es passiert hier nichts mehr. Nur ich“, stellte er gleich zu Beginn seines knapp zweistündigen Programms vor einem schlichten schwarzen Vorhang stehend klar.
Dieter Nuhr neigt auf der Bühne auch im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen nicht zu Temperamentsausbrüchen. Seine Comedy beruht auf einer kritischen Gesellschaftsanalyse und pädagogischem Geschick: Dieter Nuhr erklärt die Welt. Und er trifft dabei den Nerv seines Publikums. Dies bestätigte auch der Applaus in der Saarlandhalle. Erst nach mehreren Zugaben ließen die Besucher den Berufszyniker mit ausgeprägtem Ruhepuls wieder von der Bühne.
„Eigentlich ist die Bahn niemals spät dran. Ich altere einfach nur sehr schnell.“Dieter Nuhr Der Komiker bei seiner Bühnenshow in der Saarlandhalle