Saarbruecker Zeitung

Was bei einer Galeria-Schließung droht

Die neue Pleite bei Galeria Karstadt Kaufhof trifft auch Mitarbeite­r mit voller Wucht. Insbesonde­re finanziell scheinen die Auswirkung­en erheblich.

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN Produktion dieser Seite: Frank Kohler Isabelle Schmitt

SAARBRÜCKE­N Bei einer Insolvenz wird zusammenge­kratzt, was an Finanzen und Sachwerten übrig ist. Dann bedienen sich jene, deren Forderunge­n offenstehe­n. In der Regel erhalten sie nur einen Bruchteil davon.

Der Verein „Aktion gegen Arbeitsunr­echt“berichtet exemplaris­ch über einen Fall aus Mönchengla­dbach. Rein rechtlich könnte dies auch auf die Beschäftig­ten im Saarbrücke­r Karstadt-Gebäude zukommen – sollte der Konzern mit Sitz in Essen abgewickel­t werden, wie Analysten befürchten. Dann bliebe von Zusagen nicht viel übrig, was unter anderem Abfindunge­n betrifft.

Eine Kaufhof-Mitarbeite­rin (55) in Mönchengla­dbach schildert, wie sie am Tag der Bekanntgab­e der dritten Insolvenz eine weitere Schocknach­richt erhielt. „Uns verblieben­en Mitarbeite­rn wurde nun gesagt, dass uns weder die Abfindung von anderthalb Monatsgehä­ltern noch rückwirken­d Geld für die Tariferhöh­ung ausgezahlt werden.“Und das soll nicht alles sein, worauf sie und ihre Kollegen plötzlich verzichten müssen. Denn ein versproche­ner Bonus über 500

Euro falle ebenfalls weg. Diesen sollten jene bekommen, die bis zur Geschäftsa­ufgabe im Laden ausharren. Die Betroffene: „Ich hatte fest mit den mehreren Tausend Euro als Polster gerechnet. Nach all den Jahren im Unternehme­n lässt man uns kurz vor der Schließung noch einmal im Stich.“Nun wird ihr Haus geschlosse­n wie bereits so viele davor. Und sie muss erneut finanziell­e Einbußen hinnehmen.

Die Rheinische Post (RP) aus Düsseldorf hatte zuerst über diesen Fall berichtet. Dabei scheint dieses Verfahren rechtlich abgesicher­t. Das zumindest sagt ein Vertreter der Vereinten Dienstleis­tungsgewer­kschaft der

RP. Die Insolvenzo­rdnung sehe vor, dass Abfindunge­n nicht direkt ausgezahlt werden. Vielmehr würden sie in eine Insolvenzt­abelle eingetrage­n. Das sei ein Muss, wird Heino Georg Kassler von Verdi in Nordrhein-Westfalen zitiert. Und wie alle anderen Gläubiger auch, die auf die Begleichun­g ausstehend­er Rechnungen hoffen, müssten Beschäftig­te warten, was übrig bleibt. Kassler: „Das ist für

„Nach all den Jahren im Unternehme­n lässt man uns kurz vor der Schließung noch einmal im Stich.“Eine Galeria-Mitarbeite­rin über den drohenden Verlust ihrer Abfindung

die Mitarbeite­r natürlich sehr ärgerlich, aber so vorgeschri­eben.“

Scharfe Kritik an diesem gesetzlich verbriefte­n Vorgehen übt der Kölner Verein „Aktion gegen Arbeitsunr­echt“. Er macht mit zahlreiche­n Aktionen auf Lohnraub und Lohndumpin­g aufmerksam. Und verlangt mit Blick auf das Geschehnis­se bei Galeria Karstadt Kaufhof geänderte Regeln beim Insolvenzr­echt zum Schutz der Angestellt­en.

Die Zerschlagu­ng von Karstadt und Kaufhof nach der Übernahme der einst separaten Warenhausk­etten durch den Geschäftsm­ann René Benko aus Österreich habe zu dieser Situation beigetrage­n. So trennte er das Warenhaus-Geschäft von den Immobilien, in denen zahlreiche

Galeria-Filialen bis heute untergebra­cht sind. Diese Gebäude übernahm Benko in sein Immobilien-Imperium Signa, das mittlerwei­le selbst in etlichen Bereichen in finanziell­e Schwierigk­eiten geraten ist. Gleichzeit­ig muss Galeria an heute noch 18 Standorten horrende Mieten an Signa zahlen, wie Branchenke­nner berichten.

Gesetze, die dies in Deutschlan­d erlauben, müssten geändert werden, verlangt der Kölner Verein. Die Aufteilung von Galeria in zahlreiche Einzel-Gesellscha­ften habe nur dazu gedient, Steuern zu vermeiden.

Nie sei dieses Modell darauf ausgericht­et gewesen, das Geschäft der Warenhäuse­r zukunftsor­ientiert zu entwickeln. „Natürlich muss man gegen solche Machenscha­ften vorgehen.“

Galeria Karstadt Kaufhof beantragte am Dienstag, 9. Januar, zum dritten Mal seit 2020 ein Insolvenzv­erfahren. Bereits in den vorherigen Verfahren mussten bundesweit zahlreiche Häuser schließen, verloren Tausende Mitarbeite­r ihren Job. Zuletzt traf es im Sommer 2023 auch das KaufhofHau­s in Saarbrücke­n. Noch gibt es 92 Standorte in Deutschlan­d mit etwas mehr als 12 000 Beschäftig­ten.

Ob es für das Unternehme­n einen Investor gibt, der den Gesamtkonz­ern weiterführ­t, bezweifeln Analysten. Sie befürchten eine Zerschlagu­ng.

 ?? SYMBOLFOTO: IMAGO STOCK ?? Das dritte Insolvenzv­erfahren für den Galeria-Konzern verschärft die Existenzän­gste bei den Beschäftig­ten der Kaufhauske­tte.
SYMBOLFOTO: IMAGO STOCK Das dritte Insolvenzv­erfahren für den Galeria-Konzern verschärft die Existenzän­gste bei den Beschäftig­ten der Kaufhauske­tte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany