Wie die Ampel-Koalition die Bauern jetzt ködern will
BERLIN Rund 30 000 Teilnehmer sollen laut Bauernverband in Berlin auf der Straße gewesen sein. Dazu rund 5000 Traktoren und zahlreiche Trucks. Nach der Großdemonstration der Bauern und anderer Berufsgruppen vor dem Brandenburger Tor kam es zum Spitzengespräch mehrerer landwirtschaftlicher Verbände mit den Chefs der Ampelfraktionen. Fragen und Antworten dazu.
Was sind die Ergebnisse des Gesprächs?
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich betonte, beim Thema Agrardiesel seien die Meinungen weiterhin unterschiedlich. Die Koalition werde aber einen Fahrplan über konkrete strukturelle Entscheidungen vorlegen, „die der Landwirtschaft auch Planungssicherheit und Entlastungen bieten“, so Mützenich. FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte, die bürokratischen Belastungen hätten „mittlerweile ein herausforderndes Ausmaß angenommen“. Es gehe daher auch um faire Rahmenbedingungen für die Bauern. Britta Haßelmann, Fraktionschefin der Grünen, sprach von einem klaren Signal, das die Bundesregierung bereits gegeben habe – bei der Kfz-Steuer-Befreiung bleibe es, beim Agrardiesel komme es zu einem schrittweisen Abbau. Haßelmann hob wie Mützenich auf Vorschläge der „Zukunftskommission Landwirtschaft“und der „Borchert-Kommission“ab, die man jetzt umsetzen wolle.
Worum ging es in beiden Kommissionen?
Die „Zukunftskommission Landwirtschaft“hatte im Juni 2021 zahlreiche Empfehlungen für eine wirtschaftlich erfolgreiche und gesellschaftlich akzeptierte Landwirtschaft vorgelegt. Freilich nicht zum Nulltarif, sondern durch Milliarden-Investitionen. Die „BorchertKommission“unter der Leitung des ehemaligen Landwirtschaftsministers Jochen Borchert (CDU) war für den Umbau der Tierhaltung eingerichtet worden. Eine ihrer Anregungen war eine Tierwohlabgabe auf tierische Produkte, um die notwendigen Investitionen von rund vier Milliarden Euro zu finanzieren – zum Beispiel 47 Cent pro Kilogramm Fleisch oder zwei Cent pro Kilogramm Milch. Diese Abgabe nimmt die Ampel jetzt ins Visier.
Wie bewerten die Verbände das Treffen?
Für die Frage, wie es beim Agrardiesel weitergeht, so der Generalsekretär des Bauernverbandes, Bernhard Krüsken, „haben wir noch keine Lösungen“. Gleichwohl gebe es offenbar noch Handlungsspielraum, deutete Krüsken an. Tina Andres vom Bund der ökologischen Lebensmittelwirtschaft erklärte, es herrsche Frustration über den Stillstand in der Agrarpolitik der letzten 16 Jahre. „Die Leitlinien liegen auf dem Tisch und müssen in die Umsetzung“, so Andres mit Blick auf die beiden Berichte der Kommissionen. Bei den Verbänden hatte man nicht den Eindruck, dass das Treffen mit den Fraktionsspitzen unmittelbar zu einer Besänftigung der aufgebrachten Landwirte führen wird.
Welche Reaktionen gibt es? Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf, die Bauern ins Kanzleramt einzuladen. „Wir fordern zu einer grundlegenden Umkehr der Berliner Politik auf“, so Söder. Die Parteichefin der Grünen, Ricarda Lang, betonte, die Verantwortung für die Lage der Betriebe liege auch an der Marktmacht der großen Handelsketten. „Es kann nicht sein, dass Handelsketten die Bauern abzocken können“, so Lang. Die Landwirte müssten künftig auf Augenhöhe verhandeln können. Dafür wolle sich die Ampel einsetzen.
Wie geht es jetzt weiter? Anlässlich der Debatte um den Agrarbericht am Donnerstag will die Ampel einen Entschließungsantrag vorlegen zur Umstrukturierung der Landwirtschaft. In den nächsten Wochen sollen zudem konkrete Maßnahmen erarbeitet werden, wie die zu erwartenden Kürzungen beim Agrardiesel kompensiert werden könnten.
Eine Idee aus der Landwirtschaft wäre eine Förderung von Treibstoffen, die auf pflanzlichen Ölen basieren.
Auch die Union will noch diese Woche dem Bundestag einen Antrag zur Abstimmung vorlegen. Darin wird gefordert, die Agrardiesel-Entlastung sowie die KfzSteuer-Befreiung „dauerhaft fortzuführen“.