Saarbruecker Zeitung

Unruhe wegen AfD-Hoch – Kritik aus SPD an Kanzler Scholz

In Thüringen liegt die AfD bei einer weiteren Landratswa­hl weit vorn. In Berlin wächst die Unruhe, auch angesichts eines bekanntgew­ordenen Rechten-Treffens.

- VON CHRISTIAN ANDRESEN

BERLIN (dpa) Angesichts des Erstarkens der AfD und ihrer Vernetzung mit radikalen Akivisten suchen die anderen Parteien besorgt nach Rezepten gegen die Rechtsauße­npartei. Am Sonntagabe­nd verbuchte diese einen weiteren Etappensie­g: Bei der ersten Runde der Landratswa­hl im ostthüring­ischen Saale-Orla-Kreis gewann der AfD-Kandidat, er geht nun mit Vorsprung in die Stichwahl. In der SPD werden inzwischen Stimmen lauter, die sich von Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) eine andere Migrations­politik und bessere Kommunikat­ion wünschen, um der AfD Wind aus den Segeln zu nehmen. Diskutiert wird auch über einen Verbotsant­rag gegen die Partei wegen ihrer Verstricku­ng mit Rechtsextr­emisten, die Skepsis ist aber groß.

Der Bochumer SPD-Bundestags­abgeordnet­e Axel Schäfer sagte dem Tagesspieg­el (Montag): „Wir müssen bei der Begrenzung der Migration mutiger werden und den Konflikt mit den Grünen in Kauf nehmen. Ich bin ganz sicher: Olaf Scholz kann das.“Damit könne der Kanzler Durchsetzu­ngsfähigke­it demonstrie­ren und zugleich den Aufschwung der AfD stoppen. Seiner Ansicht nach könnten die Sozialdemo­kraten bei der Bundestags­wahl wieder stärkste Kraft werden, wenn sie eine Kampagne zur Verteidigu­ng der Demokratie gegen die AfD führten.

Das SPD-Vorstandsm­itglied Andreas Stoch wies in der Zeitung darauf hin, dass „der Kanzler jetzt eine besondere Verantwort­ung“trage. „Olaf Scholz muss mehr in den gesellscha­ftlichen Dialog gehen, bevor Beschlüsse wie zum Heizgesetz oder den Agrarsubve­ntionen fallen“, sagte Baden-Württember­gs SPD-Chef. „Er sollte sich ein bisschen mehr ins Herz blicken lassen und besser erklären, was dafür und was dagegen gesprochen hat.“

Scholz stürzte zuletzt in Umfragen ab. Mit seiner Arbeit sind laut ARDDeutsch­landtrend vom Januar nur noch 19 Prozent zufrieden. Das ist nach Angaben des Senders der niedrigste Wert seit Beginn dieser Kanzler-Erhebungen 1997. Generell sind die Werte der Ampel-Parteien in den Umfragen eingebroch­en, bei der SPD etwa auf 13 bis 15 Prozent.

Die AfD hingegen befindet sich seit

Monaten im Umfragehoc­h und rangiert im Bund bei 22 bis 24 Prozent.

In Brandenbur­g, Thüringen und Sachsen, wo im September Landtagswa­hlen anstehen, liegt sie sogar bei über 30 Prozent. Am Sonntag kam der AfD-Kandidat Uwe Thrum im Saale-Orla-Kreis laut vorläufige­m Ergebnis auf 45,7 Prozent.

Der Zweitplatz­ierte, CDU-Landesgene­ralsekretä­r Christian Herrgott, erreichte 33,3 Prozent. Da keiner die absolute Mehrheit errang, gehen beide am 28. Januar in eine Stichwahl. Die AfD hat dann die Chance, ihren bundesweit zweiten Landratspo­sten zu erringen. Der erste war im vergangene­n Jahr der im Thüringer Kreis Sonneberg. Die Partei wird im Freistaat vom Verfassung­sschutz als erwiesen rechtsextr­em eingestuft, so wie auch in Sachsen und SachsenAnh­alt.

Am Mittwoch war ein Potsdamer Treffen radikaler Rechter aus dem November bekanntgew­orden. Teilgenomm­en hatten auch einzelne AfD-Funktionär­e sowie einzelne Mitglieder von CDU und erzkonserv­ativer Werteunion. Der frühere Kopf der rechtsextr­emen Identitäre­n Bewegung in Österreich, Martin Sellner, bestätigte, dass er dort über „Remigratio­n“gesprochen hatte. Rechtsextr­emisten meinen damit in der Regel, dass eine große Zahl Menschen ausländisc­her Herkunft das Land verlassen soll – auch unter Zwang. Laut dem Medienhaus Correctiv nannte Sellner drei Gruppen: Asylbewerb­er, Ausländer mit Bleiberech­t – und „nicht assimilier­te Staatsbürg­er“. Seitdem wird auch der Ruf nach einem AfD-Verbot lauter. Es müsste von Bundesregi­erung, Bundestag oder Bundesrat beim Verfassung­sgericht beantragt und ausreichen­d belegt werden. „Es ist völlig richtig, ein Verbot der AfD zu prüfen, die in weiten Teilen erwiesen rechtsextr­emistisch ist“, sagte SPDParlame­ntsgeschäf­tsführerin Katja Mast der Zeitung Welt. Wichtiger sei allerdings die Auseinande­rsetzung in der Sache. „Ein Aufstand der Anständige­n gegen einen massiven Rechtsruck ist notwendig. In und vor allem außerhalb der Parlamente.“

Die SPD-Regierungs­chefs des Saarlands und des Landes Hamburg warnten vor der Gefahren eines Scheiterns in Karlsruhe. Ein Verbotsver­fahren solle nur angestoßen werden, wenn es sicher zum Erfolg führe, sagte Saar-Ministerpr­äsidentin Anke Rehlinger der „Welt“. „Sonst organisier­t man der Partei einen desaströse­n Erfolg, den sie ausschlach­ten wird.“

Auch der FDP-Parlaments­geschäftsf­ührer im Bundestag, Stephan Thomae, argumentie­rte dort so. Hamburgs Erster Bürgermeis­ter Peter Tschentsch­er mahnte, ein Verfahren erst zu beginnen, „wenn es ausreichen­d Hinweise und Informatio­nen gibt, um ein Verbot auch gerichtlic­h durchzuset­zen“.

Die Parteichef­in des neu gegründete­n BSW, Sahra Wagenknech­t, sprach sich für eine politische statt einer juristisch­en Auseinande­rsetzung aus. „Wir können doch nicht ernsthaft, weil die Politik so schlecht ist und deswegen Menschen aus Empörung eine Partei wie die AfD wählen wollen, sagen, dann verbieten wir diese Partei“, sagte sie im ARD-„Bericht aus Berlin“.

Der Linken-Politiker Dietmar Bartsch empfahl, dass sich die Parteien mehr auf ihre eigenen Themen und Aufgaben besinnen.

 ?? FOTO: DANIEL KARMANN/DPA ?? Die AfD ist seit Monaten im Umfragehoc­h. Die Partei rangiert derzeit im Bund bei 22 bis 24 Prozent. In Brandenbur­g, Thüringen und Sachsen liegt sie momentan deutlich über 30 Prozent.
FOTO: DANIEL KARMANN/DPA Die AfD ist seit Monaten im Umfragehoc­h. Die Partei rangiert derzeit im Bund bei 22 bis 24 Prozent. In Brandenbur­g, Thüringen und Sachsen liegt sie momentan deutlich über 30 Prozent.

Newspapers in German

Newspapers from Germany