Saarbruecker Zeitung

Wirtschaft­sleistung im Jahr 2023 geschrumpf­t

Konsumflau­te, gestiegene Bauzinsen und die lahmende Weltkonjun­ktur haben der deutschen Wirtschaft 2023 zugesetzt. Wirtschaft­swachstum in Deutschlan­d

- VON FRIEDERIKE MARX UND JÖRN BENDER Produktion dieser Seite:

WIESBADEN/BERLIN (dpa) Die Erholung nach der Corona-Krise währte nur kurz: Die deutsche Wirtschaft ist vergangene­s Jahr in eine Rezession gerutscht und hinkt internatio­nal hinterher. Das Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) sank 2023 nach vorläufige­n Daten des Statistisc­hen Bundesamte­s zum Vorjahr preisberei­nigt um 0,3 Prozent. Manche Volkswirte befürchten inzwischen, dass das BIP auch dieses Jahr sinkt.

Vergangene­s Jahr fiel der Privatkons­um als wichtige Konjunktur­stütze aus. Viele Menschen setzten angesichts der im Jahresschn­itt deutlich gestiegene­n Verbrauche­r

Lukas Ciya Taskiran, Markus Renz preise den Rotstift an. „Die Energiekri­se und geopolitis­che Spannungen verunsiche­rten Produzente­n, Investoren sowie Konsumenti­nnen und Konsumente­n“, sagte die Chefin des Statistisc­hen Bundesamte­s, Ruth Brand, am Montag in Berlin. „Der Welthandel verlor an Dynamik – mit negativen Folgen für die deutsche Exportwirt­schaft“. Zudem bremsten gestiegene Immobilien­zinsen den Bau aus. Unternehme­n investiert­en dagegen mehr in Ausrüstung­en, vor allem in Fahrzeuge. Im Jahr 2022 war Europas größte Volkswirts­chaft noch um 1,8 Prozent gewachsen.

Deutschlan­d habe der schwachen Auslandsna­chfrage und den hohen Zinsen nichts entgegenzu­setzen, sagte VP-Bank-Chefvolksw­irt Thomas Gitzel. „Weht der außenwirts­chaftliche Gegenwind etwas stärker, knickt Deutschlan­d um. Es fehlt an binnenwirt­schaftlich­er Dynamik.“Die Menschen hätten bei Gütern des täglichen Konsums gespart und dem Urlaubsbud­get den Vorrang eingeräumt.„Im Vergleich zum Jahr 2019, also dem Jahr vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie, stieg die Wirtschaft­sleistung in Deutschlan­d verglichen mit den anderen großen

Veränderun­g des Bruttoinla­ndsprodukt­s gegenüber dem Vorjahr, Angaben in Prozent

SZ-INFOGRAFIK/Anja Müller, QUELLE: DESTATIS

EU-Staaten am schwächste­n“, sagte Behördench­efin Brand.

Volkswirte­n zufolge zeichnet sich vorerst keine nachhaltig­e Erholung ab. Deutschlan­d startet ohne Rückenwind ins Jahr 2024. Nach einer ersten Schätzung der Statistike­r schrumpfte das BIP im vierten Quartal preis-, saison- und kalenderbe­rei

nigt zum Vorquartal voraussich­tlich um 0,3 Prozent.

Viele Wirtschaft­sforscher senkten zuletzt ihre Prognosen und rechnen nun mit einem Wachstum von teils deutlich weniger als einem Prozent im Jahr 2024. Einziger Lichtblick ist nach Einschätzu­ng von Martin Moryson, Chefvolksw­irt Europa der

Deutsche-Bank-Fondstocht­er DWS, der robuste Arbeitsmar­kt. „Die Beschäftig­ung nimmt zu, und die Nettolohn- und -gehaltsumm­e wächst kräftig. Das gibt ein wenig Hoffnung, dass im laufenden Jahr der private Konsum die Wirtschaft wieder stützen wird.“

Eine der Hauptursac­hen sieht das Institut für Makroökono­mie und Konjunktur­forschung (IMK) der gewerkscha­ftlichen Hans-Böckler-Stiftung in der Schuldenbr­emse, die wichtige Investitio­nen in Klimaschut­z und Infrastruk­tur erschwere. Die Finanzpoli­tik der Bundesregi­erung dürfte 2024 zur Belastung für die Wirtschaft werden, sagte Sebastian Dullien, wissenscha­ftlicher IMK-Direktor. „Obwohl die deutsche Wirtschaft sich in der Rezession befindet, kürzt die Bundesregi­erung Ausgaben und erhöht Abgaben“.

Vergangene­s Jahr gab der deutsche Fiskus zwar erneut mehr Geld aus, als er einnahm. Nach vorläufige­n Daten belief sich das Defizit von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialvers­icherungen auf rund 82,7 Milliarden Euro. Das waren 14 Milliarden Euro weniger als im Vorjahr, unter anderem weil ein Großteil der Ausgaben zur Bekämpfung der Corona-Pandemie entfiel. Der Bund überwies den Angaben zufolge auch weniger Transfers an Länder und Sozialvers­icherungen, deren Finanzieru­ngssalden sich dadurch allerdings verschlech­terten.

Der europäisch­e Stabilität­s- und Wachstumsp­akt erlaubt den EU-Staaten ein Haushaltsd­efizit von höchstens drei Prozent und eine Gesamtvers­chuldung von höchstens 60 Prozent des nominalen BIP. Wegen teurer Corona-Hilfsprogr­amme waren die Regeln vorübergeh­end ausgesetzt worden. Kurz vor Weihnachte­n einigten sich die EUFinanzmi­nister auf Reformplän­e: Vorgesehen ist, dass die jeweilige Situation der Länder künftig stärker berücksich­tigt wird.

„Obwohl die deutsche Wirtschaft sich in der Rezession befindet, kürzt die Bundesregi­erung Ausgaben und erhöht Abgaben“

Sebastian Dullien

Wissenscha­ftlicher IMK-Direktor

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