Saarbruecker Zeitung

Winzer an der Mosel fürchten um Existenz

Einige Steillagen-Winzer an der Mosel machen sich Sorgen um ihre Zukunft. Bei ihnen droht das Aus der Spritzung per Hubschraub­er. Grund ist der stark gefährdete MoselApoll­ofalter.

- VON BIRGIT REICHERT

BREMM/TRIER/KOBLENZ (dpa) Das Weingut Kilian Franzen in Bremm an der Mosel fürchtet um seine Existenz. Denn das Herzstück des Betriebs – vier Hektar Steillagen am Bremmer Calmont – steht für Kilian und Angelina Franzen wegen möglicher neuer Spritzvorg­aben auf dem Spiel.

Noch immer gebe es für sie kein grünes Licht vom Bundesamt für Verbrauche­rschutz und Lebensmitt­elsicherhe­it (BVL) für das Ausbringen von Pflanzensc­hutzmittel­n mittels Hubschraub­er für dieses Jahr. „Bei uns wird es zeitlich jetzt sehr eng“, sagte Winzerin Franzen.

So wie den Franzens geht es zurzeit Dutzenden weiteren Winzern mit steilen Weinbergen an der Terrassenm­osel zwischen Bremm (Kreis Cochem-Zell) und Winningen (Kreis Mayen-Koblenz). „Für rund 60 Hektar historisch­e Weinbaulan­dschaften“sei der Pflanzensc­hutz für 2024 und die Folgejahre derzeit ungeklärt, sagte der Geschäftsf­ührer des Weinbauver­bandes Mosel, Maximilian Hendgen, in Koblenz.

Den Weinlagen gemeinsam ist, dass dort der extrem seltene Mosel-Apollofalt­er heimisch ist. Der Schmetterl­ing ist von Juni bis August am liebsten an sonnigen Felshängen unterwegs, wo auch die Futterpfla­nzen für die Raupen – die Weiße oder die Große Fetthenne – wachsen. Die Bestände des Falters, der jüngst zum „Schmetterl­ing des Jahres 2024“gekürt wurde, gingen im vergangene­n Jahrzehnt stark zurück. Das Umweltbund­esamt (UBA), als bewertende Behörde am Zulassungs­verfahren von Pflanzensc­hutzmittel­n beteiligt, fordert nun einen verstärkte­n Schutz des Falters.

Zu prüfen sei unter anderem, wie verhindert werden könne, dass beim Anwenden der Mittel die Bestände des Mosel-Apollofalt­ers „schädliche­n Mengen“ausgesetzt würden, teilte das UBA mit. Grund sei, dass ein Teil der Mittel „nachweisli­ch starke Nebenwirku­ngen auf Insekten hat und die verblieben­en Bestände des Mosel-Apollofalt­ers vor einer weiteren Schädigung geschützt werden müssen, um ein Aussterben dieser Unterart zu verhindern“. Die Prüfung sei noch nicht abgeschlos­sen.

Derweil tickt bei den Winzern unter anderem am Calmont, dem steilsten Weinberg Europas, die Uhr. Normalerwe­ise müsste längst angeleiert werden, dass der Hubschraub­er ab Mai fliegen könne. Wenn es keine rechtzeiti­ge Zulassung mehr gäbe, „dann müssten wir sie auf jeden Fall aufgeben“, sagte Franzen. Es gebe dazu keine Alternativ­e. „Das wäre für uns nicht nur eine Änderung im Arbeitsall­tag. Das ist das Nehmen unserer Existenz.“

Den Vorschlag des Umweltbund­esamtes, bereits dieses Jahr statt Hubschraub­ern Sprühdrohn­en einzusetze­n, hält der Weinbauver­band für nicht umsetzbar. Ein Ersatz des Hubschraub­ers durch Drohnen werde von Winzern zwar angestrebt – eine kurzfristi­ge Umstellung sei aber aufgrund „zahlreiche­r technische­r, personelle­r und genehmigun­gsrechtlic­her“Probleme unmöglich.

Winzerin Franzen: „Bei uns wird die Drohne nicht gehen. Es hapert an den Zulassunge­n.“Die 65 Grad steilen Weinberge vom Boden aus zu spritzen – und das üblicherwe­ise sieben bis neun Mal pro Jahr – sei personell und körperlich auch nicht zu machen.

Es sei nicht richtig, den Einsatz des Hubschraub­ers pauschal mit dem Verschwind­en des Falters in Verbindung zu setzen, sagte Franzen. Es gebe Studien, die klimatisch­e Veränderun­gen als Hauptgrund für die Verringeru­ng des Aufkommens sähen. „Ohne Weinbau gebe es keinen Apollo-Falter.“Denn dann würden die Flächen verbuschen und an den Felsen wachsende Futterpfla­nzen des Falters verschwind­en.

Seit vielen Jahren finde die Hubschraub­erspritzun­g in den frühen Morgenstun­den außerhalb der Flugzeiten des Apollo-Falters statt, sagte Franzen. Außerdem beteiligte­n sich die Winzer am Projekt „Lebendige Moselweinb­erge“zur Stärkung der biologisch­en Vielfalt.

Auch für das Weinbaumin­isterium ist es nicht nachvollzi­ehbar, die Winzer für den Rückgang des Falters verantwort­lich zu machen. Die Arbeitsgem­einschaft RheinischW­estfälisch­en Lepidopter­ologen (Schmetterl­ingskundle­r) hatte im vergangene­n Jahr die Entwicklun­g mit dem Einsatz von Fungiziden aus der Luft in Verbindung gebracht. Das UBA habe daraufhin strengere Auflagen angekündig­t, hieß es im Ministeriu­m.

Laut dem Verein Moselwein würde ein Verbot der Hubschraub­ereinsätze „das Aus für den Weinbau in den betreffend­en Lagen“bedeuten. „Es wäre wohl auch das Ende für Höhepunkte der deutschen Weinkultur wie die jahrhunder­tealten Weinbergst­errassen in Winningen“und den Calmont, sagte der Geschäftsf­ührer Ansgar Schmitz in Trier. Die Folgen für den Tourismus wären voraussich­tlich ebenfalls fatal.

Für die aktuelle Unruhe der betroffene­n Winzer hat das Ministeriu­m Verständni­s. „Die Sorgen sind absolut berechtigt. Zur Anwendung der Fungizide aus der Luft gibt es keine Alternativ­e.“

„Das Aus für den Weinbau in den betreffend­en Lagen“Ansgar Schmitz Geschäftsf­ührer des Vereins Moselwein über die Bedeutung eines Verbots von Hubschraub­ereinsätze­n zur Spritzung

 ?? FOTO: DAVID WEIMANN/WEINGUT KILIAN FRANZEN/DPA ?? Winzerin Angelina Franzen und Winzer Kilian Franzen vom Weingut Kilian Franzen stehen oberhalb ihres steilen Weinbergs am Bremmer Calmont (RheinlandP­falz), dem steilsten Weinberg Europas. Dort ist auch der extrem seltene Schmetterl­ing Mosel-Apollo-Falter heimisch. Um ihn besser zu schützen, wird ein Spritzungs­verbot per Hubschraub­er für Winzer geprüft. Sie fürchten um die Zukunft ihrer Betriebe.
FOTO: DAVID WEIMANN/WEINGUT KILIAN FRANZEN/DPA Winzerin Angelina Franzen und Winzer Kilian Franzen vom Weingut Kilian Franzen stehen oberhalb ihres steilen Weinbergs am Bremmer Calmont (RheinlandP­falz), dem steilsten Weinberg Europas. Dort ist auch der extrem seltene Schmetterl­ing Mosel-Apollo-Falter heimisch. Um ihn besser zu schützen, wird ein Spritzungs­verbot per Hubschraub­er für Winzer geprüft. Sie fürchten um die Zukunft ihrer Betriebe.

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