Sprache formt Bilder im Kopf
Die Sozialarbeiter liefen durch den Bahnhof, hieß der erste Satz, den Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Studie zum Thema geschlechtergerechte Sprache vor ein paar Jahren zu lesen bekamen. „Wegen der schönen Wetterprognose trugen mehrere der Frauen keine Jacke.“Die Leute sollten sagen, ob der zweite Satz eine sinnvolle Fortsetzung des ersten ist, also ja oder nein ankreuzen. Das Ergebnis:
Das „Ja“kam deutlich verzögerter, als wenn im zweiten Satz stand, dass „mehrere der Männer“keine Jacke trugen. Denn das Bild, das das Wort Sozialarbeiter im Kopf hervorruft, war bei den meisten erst mal ein Mann. Es stand dort ja nichts von einer Sozialarbeiterin. Man hat ähnliche Tests auch schon mit Kindergartenkindern gemacht. Sollten Sie zum Beispiel einen „Polizisten“malen, zeichneten die allermeisten einen Mann in Polizeiuniform. Sprache formt Wahrnehmung, formt Wirklichkeit.
Es ist also kein überkandideltes „Auf der Glatze Löckchen drehen“, wenn die Frauenbeauftragten die Chance ergreifen wollen, im Rahmen der Änderung der saarländischen Landesverfassung die Frauen in diesem Land auch sprachlich dort sichtbarer zu machen. Es ist schlicht eine Selbstverständlichkeit.
Als der Verfassungstext 1947 geschrieben wurde, sah die Welt ja auch hierzulande noch ziemlich anders aus. Die Lebenswirklichkeit war von Gleichberechtigung noch weit entfernt, Frauen durften nicht mal einen Beruf ausüben, wenn ihr Gatte dagegen war. Das ist heute zum Glück anders, und im Grunde kann man sich gar nicht vorstellen, dass das wirklich mal so gewesen sein soll. Also sollte sich diese fundamentale Veränderung in der Gesellschaft auch in jenem Text wiederfinden, der die gesetzlichen und moralischen Grundpfeiler bildet, auf denen das Saarland ruht.